TACOS, TOTE UND TEQUILA
Viva Mexiko! Mit der Vorfreude auf ein großes neues Kapitel unserer Weltreise, steigen wir in L.A. in den Flieger. Es ist kurz nach Mitternacht, als der Flieger sich in Bewegung setzt. Es erwarten uns ca. vier Stunden Flug, in denen wir hoffen auf diesen sehr engen Sitzen, etwas Schlaf zu bekommen. Um 5 Uhr morgens kommen wir dann an, in einem Land, von dem man schon so viel gehört hat. Den Klischees nach zu urteilen, erwarten wir, dass jeder hier Sombreros und Ponchos trägt, an jeder Ecke eine Mariachi Band spielt, alles bunt und laut ist, alle Tacos essen, überall Tequila getrunken wird und die Landschaft hauptsächlich aus Wüste und Kakteen besteht. Was davon ist aber wirklich wahr? Das werden wir in den nächsten Wochen herausfinden. Und so viel sei gesagt, einiges ist exakt so, wie man es sich vorstellt und andere Klischees sind romantisierte Vorstellungen dieses Landes, das so viel mehr als das ist. Um uns gleich die volle Breitseite an Kulturschock zu geben, fangen wir an in der größten Stadt, in der wir jemals gewesen sind.
Ciudad de México – „Más mexicano que el nopal“ (mexikanischer als ein Kaktus)
Diese Stadt ist so riesig, dass es uns nicht nur einmal sprachlos werden lässt. Etwa ein Viertel der Menschen, die in ganz Deutschland leben, leben hier in einer einzigen Stadt. Mit seinen 22 Millionen Einwohnenden gehört Mexiko City zu den 10 größten Städten der Welt. Und wir haben das große Glück, einen der Besten dieser 22 Millionen Menschen zu kennen: Max. Wir haben uns hoch oben im Norden dieses Kontinentes, in dessen Süden wir uns nun befinden, kennengelernt. Zusammen verbrachten wir einen Monat auf der Ziegenfarm im Yukon. Und mit dem Wissen, dass unsere Reise uns irgendwann nach Mexiko führen würde, haben wir bereits dort oben abgemacht uns hier wiederzusehen. Aber so eine Gastfreundschaft, wie wir sie hier erleben, haben wir nicht erwartet. Max studiert Architektur und lebt noch bei seinen Eltern. Und auch seine Eltern sind zwei wundervolle Menschen mit einem riesigen Herzen. Sie sind so großartig, dass sie uns tatsächlich um 5 Uhr morgens am Flughafen abholen, obwohl wir mehrmals gesagt haben, dass wir uns auch ein Taxi nehmen könnten. Aber das kam gar nicht in Frage. Max wartet bereits auf uns, als wir aus dem Flughafen herauskommen. Es ist so schön, dass wir uns hier nun, nach einigen Wochen, wiedersehen. Im Yukon haben wir eine wunderbare Freundschaft geschlossen und nun bekommen wir die Chance in sein Leben, hier in Mexiko, einen Einblick zu bekommen. Wir steigen in das Auto, wo uns seine Mama, Luisa, mit einem freudigen Lächeln begrüßt. Zu unserem Glück sprechen sowohl Max als auch seine beiden Eltern, ein sehr gutes Englisch, so dass wir in unseren ersten Stunden hier nicht sofort mit der Sprachbarriere konfrontiert werden und erstmal sehr interessante Dinge über die Stadt und das Land erfahren können. Gleich in den ersten Minuten im Auto sagt uns Luisa, dass sie uns zwei sehr wichtige Dinge erzählen möchte. Zum einen erzählt sie uns von der Surrealität Mexikos. Bereits Salvador Dali sagte einst, dass Mexiko „surrealer ist als seine eigenen Gemälde“. Luisa versucht uns ein wenig darauf vorzubereiten, was wir hier in Mexiko erleben und sehen werden. Es ist eben ein Land mit starken Kontrasten. Von der modernen Metropole bis zu abgelegenen Dörfern, Armut neben Reichtum, katholischer Glaube vermischt mit indigenem Schamanismus, traditionelle Märkte neben neuen, modernen Shopping-Malls oder aztekische Pyramiden in Sichtweite moderner Hochhäuser. Sie sagt, wir werden voraussichtlich Dinge sehen, die wir so für nicht möglich gehalten hätten. Und wie recht sie damit haben wird, ahnen wir jetzt noch gar nicht. Das zweite Thema, dass sie unbedingt mit uns besprechen möchte, ist leider ein nicht so schönes Thema. Es geht um die Erdbeben, die Mexiko immer wieder erschüttern. Und da Mexiko City auf dem Grund eines ehemaligen Sees (dem Texcoco-See) gebaut wurde, der vor vielen Jahren künstlich trockengelegt wurde, ist der Untergrund sehr weich, was die seismischen Wellen noch verstärkt und somit die eh schon anfälligen Gebäude leicht zum Einstürzen bringt. Es gibt immer wieder kleinere Beben, die keine große Gefahr darstellen. Aber es kam auch schon zu zwei sehr verheerenden Beben hier in der Stadt. Mit brüchiger Stimme und Tränen in den Augen erzählt sie uns davon, dass sie beide dieser Beben miterlebt hat und vor allem das 1985 besonders schlimm war, weil sie einige der Menschen kannte, die an diesem Tag ihr Leben verloren. Am 19. September 1985 kam es zu einem Erdbeben der Stärke 8,0. Offiziell sind über 10.000 Menschen gestorben, wobei einige inoffizielle Schätzungen von bis zu 30.000 Opfern ausgehen. Große Teile der Stadt wurden dabei zerstört und hinterlassen wurde ein großes Chaos. Das zweite schwere Erdbeben gab es im Jahr 2017. Das verrückte dabei ist, dass es schon wieder am 19. September war. Genau der gleiche Tag, wie 32 Jahre zuvor. Und da eine Konsequenz des ersten Erdbebens, eine jährliche Erdbebenübung ist, die man zum Gedenken, am 19. September abhält, waren tatsächlich viele Menschen vorbereitet, da sie nur wenige Stunden vor dem Beben, diese Übung abgehalten haben. Eine weitere Konsequenz des 1985 Bebens ist ein Warnsystem, dass über Lautsprecher in der ganzen Stadt und das Mobilfunknetz eine Warnung an alle Einwohnende gibt, wenn ein Erdbeben erwartet wird. Luisa empfiehlt uns, immer unsere wichtigsten Dinge, wie Reisepass, Portemonnaie und Handy, griffbereit zu haben. Denn wenn der Alarm losgeht, müssen wir sofort das Haus verlassen. Max hatte uns bereits im Yukon von diesem Alarm erzählt. Er sagte, dass wenn er diesen Ton hört, es egal ist, wie tief er schläft, er wacht sofort auf und rennt aus einem Reflex raus. Noch im Auto spielt uns Max den Alarm kurz von seinem Handy aus vor, damit wir wissen, welcher Alarm es ist. Wir können sehen, dass Luisa es kaum aushält den Ton zu hören und sie bittet Max es auch bereits nach wenigen Sekunden wieder auszumachen. Sie sagt, dass sie mittlerweile jedes Jahr Angst vor dem 19. September hat. Es ist schrecklich zu sehen, was für tiefe Wunden diese Ereignisse in Luisa hinterlassen haben. Wir bedanken uns dafür, dass sie die Kraft auf sich genommen hat, uns über dieses Thema aufzuklären und versuchen das Gespräch wieder auf etwas Schönes zu lenken.
Wir fahren eine ganze Weile durch diese riesige Stadt, bis wir vom Highway abbiegen in eine kleine enge Gasse. Kurz darauf stehen wir auch schon vor einem riesigen roten Tor und der Pförtner öffnet dieses für uns. Wir sind angekommen in unserem neuen zu Hause. Im Westen der Stadt, im Viertel „Cuajimalpa“ liegt das Appartement von Max und seinen Eltern. Auf einer Höhe von 2600m ist es unerwartet kalt am frühen Morgen. Luisa warnt uns auch direkt vor, dass die Nächte hier zu dieser Jahreszeit etwas kälter sind und es keine Heizung in der Wohnung gibt. Wir sollen uns also ggf. warm anziehen und für die Nacht die dicken Decken nutzen. Wir dürfen in das Zimmer von Max einziehen, während er für die Zeit zu seiner Mutter ins Schlafzimmer zieht bzw. später auf eine Luftmatratze ins Wohnzimmer. Luisa macht uns sofort klar, dass wir uns wie zu Hause fühlen sollen, zeigt uns wo wir etwas zu Essen finden und wir haben sogar unser eigenes kleines Badezimmer für die Zeit. „Mi casa es su casa“ (dt.: „Mein zu Hause ist dein zu Hause“) ist hier nicht bloß ein Spruch, hier in Mexiko wird es gelebt. Und eine weitere Besonderheit, die uns auch direkt auffällt, ist, dass wir die Schuhe anlassen sollen in der Wohnung, da die Füße sonst kalt werden. Wir erinnern uns, dass Max einmal auf der Ziegenfarm Ärger bekommen hat, weil er vergessen hat seine Schuhe am Eingang auszuziehen. Und hier ist es genau andersrum, wir sollen bloß die Schuhe anbehalten. Zu der Familie gehören auch Ava die Hündin und Sumi die Katze, die leider während unseres Aufenthaltes krank wird und ein paar Tage nach unserer Abreise verstirbt. René, der Papa von Max, ist momentan noch auf Geschäftsreise in Madrid und wird voraussichtlich erst in ein paar Tagen zurück nach Mexiko kommen. Max und Luisa möchten ihren freien Sonntag gerne dazu nutzen, uns ein wenig die Stadt zu zeigen, und das Angebot können wir, obwohl wir wirklich sehr müde sind, uns nicht entgehen lassen. Für eine Stunde können wir uns kurz mal hinlegen und ein kleines Nickerchen machen, bevor wir dann in die Stadt fahren.
Erst geht es zu zwei Märkten, wo Luisa frische Lebensmittel von Biobauernhöfen einkauft. Sie legen sehr viel Wert auf die Ernährung und die Wahl der Lebensmittel. Normalerweise, so erzählt es uns Luisa, ist es René´s Aufgabe einkaufen zu gehen. Er liebt es einfach ewig lang nach den perfekten Zutaten für das Essen zu suchen. Auf dem zweiten Markt werden wir dann schon direkt mit einer mexikanischen kulinarischen Spezialität konfrontiert. Ein älterer Mann mit einem Plastikeimer verkauft Chapulines. Dies sind kleine frittierte Heuschrecken, die meist mit einer Gewürzmischung und Limettensaft gegessen werden. Wir wollen uns das natürlich nicht entgehen lassen und probieren sie. Und tatsächlich schmecken sie gar nicht mal so schlecht. Der Geschmack kommt hauptsächlich von den Gewürzen und wenn man das seltsame Gefühl im Mund von den Beinchen und Fühlern der Heuschrecke ignoriert, ist es wirklich nicht schlimm. Trotzdem wird es wohl nicht unsere neue Leibspeise werden.
Außer den Märkten stehen noch einige weitere Highlights von Mexiko City auf dem Plan. Wir frühstücken in einem kleinen hippen Café und bekommen gleich einen weiteren Einblick in die mexikanische Küche. Während ich Chilaquiles, ein traditionell mexikanisches Frühstücksgericht, das aus frittierten Nachos in einer grünen Sauce mit Toppings wie Zwiebeln, saurer Sahne, Avocado, Käse und Hähnchen besteht, probiere, bekommt Lara Enfrijoladas. Tortillas aus Mais, zusammengerollt mit einer Füllung aus Käse und Ei in einer cremigen Bohnensauce mit Zwiebeln, Käse und Avocado on Top. Und zum Nachtisch wird das ganze abgerundet durch das Pan de Muerto. Ein süßes, weiches mit Zucker bestreutet Hefegebäck, dass eine leichte Anis Note vorweist. Traditionell wird es hier nur um den Día de los Muertos rum gebacken. Typisch ist die runde Form mit Teigverzierungen, die Knochen darstellen sollen. Es symbolisiert die Verbindung zwischen den Lebenden und Verstorbenen. Luisa setzt uns anschließend am Stadtpark „Bosque de Chapultepec“ ab, in dem wir ein wenig Ruhe von dem Stadtgetümmel genießen können. Es ist der größte Stadtpark Lateinamerikas. Max führt uns zum „Castillo de Chapultepec“. Ein kaiserliches Schloss, das unter der spanischen Kolonialherrschaft erbaut wurde. Heute dient es als Geschichtsmuseum und bietet einen atemberaubenden Blick über die Stadt. Von hier oben wird uns die Größe dieser Stadt noch einmal richtig bewusst. Egal wo man hinguckt, man sieht nur Häuser und Straßen. Auf den umliegenden Bergen sieht es so aus, als würde die Stadt langsam immer weiter den Berg hinaufkriechen und ihn so in sich verschlingen. Weiter geht es mit Max in das historische Zentrum, das „Centro Histórico“. Neben beeindruckenden Kolonialbauten, prächtigen Kirchen, dem riesigen Zócalo, ein öffentlicher Platz vor dem heutigen Regierungssitz und alten Ruinen der Aztekenhauptstadt „Tenochtitlán“ wie dem „Templo Mayor“, findet man auch allerlei Kleinigkeiten, die uns hier begeistern. Es ist ein sehr lebendiger Ort voller Geschichte, Kultur, Märkte und Traditionen. Rund um den Zócalo stehen Schamanen verschiedenster indigener Gemeinschaften, die in ihren aufwändigen Kleidungen, die mit Federn und Totenköpfen geschmückt sind, Reinigungsrituale abhalten oder traditionelle Tänze vorführen. Alle paar Meter steht irgendjemand, der uns etwas verkaufen möchte. Mal sind es Gegenstände des Alltags, mal Souvenirs oder etwas zu Essen und manchmal steht da auch einfach ein Mensch, der einzelne Bonbons verkauft, um sich so etwas Geld zu verdienen. Max erzählt uns, dass die Mexikaner ein sehr stolzes Volk sind, die sehr ungerne betteln und daher lieber irgendwelche Kleinigkeiten verkaufen, um so zu mindestens etwas für ihr Geld zu tun. Wir sind hier, zu Fuß in der Innenstadt, komplett überfordert. An jeder Ecke ein anderer Geruch, überall schreien die Menschen lauthals, dass sie dies oder jenes verkaufen, alle paar Meter läuft irgendwo laut Musik, tausende Menschen wuseln durcheinander, hunderte Farben überall und und und…. Ein Klischee können wir also bereits am ersten Tag bestätigen: Mexiko ist bunt und laut. Achja, und Tacos gibt es hier tatsächlich an jeder Ecke. Diese ganzen Eindrücke, Informationen und Erlebnisse sollen aber noch nicht alles sein heute. Wir fahren mit der U-Bahn zur Seilbahn. Was, wie? Richtig, ein Teil des ÖPNV-Netzes von Mexiko-Stadt besteht aus Seilbahnen. Und erst vor wenigen Tagen hat eine neue Linie eröffnet. Auf dem Weg dorthin zeigen sich uns auch noch die ein oder anderen Kuriositäten. Wir brauchen ein Ticket für die Bahn und so gehen wir zu einem Schalter, an dem man die Karten kaufen kann, die man dann auflädt und am Drehkreuz abscannt. Aber leider haben sie heute keine Karten mehr vorrätig, deswegen empfiehlt uns die Dame vom Schalter, dass wir doch einfach jemanden ansprechen könnten, dem wir Bargeld geben und der uns dann mit auf seiner Karte fahren lässt. Gesagt getan. Und diese Situation ist aus mehreren Aspekten so verrückt. Zum einen, dass es einfach keine Karten mehr gibt, die man kaufen kann und zum anderen, dass es für die angesprochene Person überhaupt nichts Unnormales ist und fast schon alltäglich. Die andere Kuriosität, die uns auch dort unten im U-Bahnhof begegnet, ist ein kleiner Laden, der in einem Bereich liegt, wo man nur mit einer gültigen Fahrkarte hinkommt und in dem es zu 99% Fernbedienungen zu kaufen gibt. Ganze Wände voller verschiedenster Fernbedienungen. Und erstmal vielleicht gar nicht so unnormal, jedoch frage ich mich, wie viele Menschen hier wohl vorbeilaufen, die unbedingt eine Fernbedienung brauchen. Verrückt! Abgesehen von der langen Wartezeit an der Seilbahn, weil es in diesen Tagen die große Attraktion für alle Einwohnenden ist, ist die Fahrt sehr schön und führt uns ein Stückchen den Berg hinauf in Richtung zu Hause. Wir bekommen in der Dunkelheit durch die ganzen Stadtlichter wieder einen neuen Eindruck der Größe der Stadt und sind abermals beeindruckt von dem, was wir von hier oben sehen. Und als ob das nicht alles schon genug gewesen wäre, gehen wir am Abend noch in dem Lieblings Taco Laden von Max essen. Ich probiere verschiedene Tacos und Lara ein queso fundido. Dazu trinken wir eine Horchata, ein Kaltgetränk, das aus Reiswasser und Zimt hergestellt wird und von seiner Farbe und Konsistenz an Milch erinnert. Es schmeckt wie flüssiger Milchreis mit Zimt. Hier in Mexiko bekommt man dieses Getränk an jeder Ecke und es wird noch zu einem unserer Lieblingsgetränke auf der Reise. Dann aber ist es endlich so weit, es geht nach Hause und ab ins Bett. All die bis jetzt beschriebenen Eindrücke sind innerhalb von 12 Stunden auf uns eingeprasselt, nachdem wir eine nahezu schlaflose Nacht am Flughafen und im Flieger verbracht haben. Aber wir sind glücklich. Glücklich, endlich eine ganz neue Kultur zu erleben, herrliches Essen zu entdecken und vor allem glücklich über diese einzigartigen und so wunderbaren Menschen, denen wir auf unserer Reise begegnen.
Hier beginnt allerdings erst unsere Erkundungstour in und um Mexiko City. Und auch Luisa und Max nehmen sich, trotz ihres stressigen Alltags, immer mal wieder die Zeit, um uns etwas zu zeigen. So auch am nächsten Tag, wo wir fast einen ganzen Tag in der, circa 50 km nordöstlich der Stadt gelegenen, archäologischen Stätte „Teotihuacán“ verbringen. Ein Ort voller Mythen und monumentaler Bauwerke. Zu seiner Blütezeit, etwa 100-650 n.Chr., lebten hier Schätzungen zu folge 100.000-200.000 Menschen. Die ursprünglichen Gründer sind bis heute nicht eindeutig bekannt. Die Theorien reichen von Tolteken bis zu einer multiethnischen Koalition. Um 650-750 n. Chr. kam es zu einem plötzlichen Zusammenbruch, dessen Ursache man sich auch heute nicht vollends erklären kann. Selbst der ursprüngliche Name ist immer noch unbekannt. „Teotihuacán“ stammt von den Azteken und bedeutet: „Ort, an dem Menschen zu Göttern werden“. Die Bauwerke und Größe des Geländes sind sehr imposant. Es stechen vor allem die Pyramide der Sonne, das größte Bauwerk hier, und die Pyramide des Mondes heraus. Alle Bauwerke sind nach astronomischen Prinzipien ausgerichtet und spiegeln Sterne, Planeten oder Jahreszeiten wider. Der Dreh- und Angelpunkt ist die 2,5 km lange Avenida de los Muertos (Straße der Toten). Früher war diese Straße gesäumt von Palästen, Tempeln, Wohnkomplexen und Werkstätten. Sogar eine Kanalisation gab es hier vor tausenden Jahren bereits. Auch heute noch kann man teilweise die Grundmauern oder ganze Räume besichtigen. Erstaunlich, wieviel Ingenieurskunst in der Konstruktion dieser Anlagen steckt. Und bis zum heutigen Tage sind nach wie vor Ausgrabungsarbeiten in vollem Gange, weil man unter der ganzen Vegetation noch so viel mehr erwartet. Nach der Kultur möchten Luisa und Max den Tag mit ein bisschen Kulinarik abrunden und haben einen ganz besonderen Restaurantbesuch geplant. Unweit von Teotihuacán entfernt befindet sich „La Gruta“. Das Restaurant, das hier vor über 100 Jahren eröffnet wurde, befindet sich in einer natürlichen Vulkanhöhle. Der riesige Hohlraum mit rundherum sichtbaren Felsen und tropfenden Stalaktiten bietet durch die warme Beleuchtung eine ganz besondere, fast schon mystisch, urige Atmosphäre. Hier, wo auch schon Frida Kahlo zu Besuch war, bekommen wir weitere kulinarische Highlights aus der mexikanischen Küche gezeigt. Sowieso wird uns hier jeden Tag eine Köstlichkeit nach der anderen geboten. Unsere Favoriten sind, neben dem bisher erwähnten, auch die „Elote Loco“, wörtlich übersetzt in etwa „verrückter Mais“. Dies sind auf einen Holzspieß gesteckte Maiskolben, die in einem Wasserbad gegart und dann großzügig mit Limetten-Mayo bestrichen und Käse bestreut werden. Wahlweise kann man sich auch etwas Chili-Pulver drauf machen lassen. So das Original. Mittlerweile gibt es davon auch etliche verschiedene Varianten. Wir lernen hier tatsächlich auch eine neue Frucht kennen: die Tuna. Die Kaktusfrucht hat sehr viele Kerne und schmeckt sehr lecker süß und erfrischend. Auch die Kaktusblätter, genannte „Nopales“ sind gegrillt, geschmorrt oder gekocht, eine beliebte Zutat der traditionellen Gerichte.
Die darauffolgenden Tage sind weiterhin gefüllt mit immer wieder schönen und einzigartigen Orten, die wir entdecken. Wir fahren täglich mit dem Uber in die Stadt und wieder zurück. Nicht nur dass die Fahrt, durch den starken Verkehr, teilweise 1-2 Stunden dauert, so ist sie auch jedes Mal aufs Neue ein Abenteuer seiner ganz eigenen Art. Der Verkehr und auch das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer hier in der Stadt ist wirklich verrückt und teilweise so chaotisch, dass ich mir selbst nicht zutrauen würde hier zu fahren. Wir sterben einige Tode auf der Rückbank des ein oder anderen Ubers. Knappe Überholmanöver, rapide Richtungswechsel und viele Beinahezusammenstöße. Wir bekommen den Eindruck, dass die wichtigste Regel hier ist: Fahre so, dass du niemanden verletzt oder tötest, der Rest ist egal. Ob das alles vielleicht daran liegt, dass man hier, um den Führerschein zu bekommen, lediglich mit 18 Jahren zum Amt geht und sich diesen abholt ohne Training oder Prüfung? Vielleicht! Gepaart mit dem mexikanischen Temperament, auf jeden Fall eine interessante Mischung. Neben dem historischen Stadtzentrum, dass wir uns erneut und weniger übermüdet ansehen, haben es vor Allem zwei weitere Stadtviertel in unser Herz geschafft. Das eine ist Coyoacán, bekannt für seine koloniale Atmosphäre, Kopfsteinpflasterstraßen und kulturelle Vielfalt. Wir genießen es durch die kleinen Straßen, entlang der knallbunten Häuser zu schlendern, uns im Park hinzusetzen und den vielen Schuhputzern bei der Arbeit zuzuschauen. Luisa sagte zu uns, dass Coyoacán so ist, wie sich die meisten Touris Mexiko vorstellen. Wir können dem nur zustimmen, es ist ein perfektes Sinnbild für Mexiko. San Ángel hingegen, einst ein ländliches Klosterdorf, und heute verschlungen von der Stadt, ist ein sehr ruhiges und grünes Viertel mit vielen kleinen Restaurants und Cafés, die zum Verweilen einladen. Wir laufen über den „El Bazaar Sábado“, ein Kunstmarkt, der jeden Samstag hier stattfindet, und sind begeistert von der knallbunten und so vielfältigen Kunst, die verschiedenste Künstlerinnen hier anbieten. Wie gerne würden wir doch auch etwas mitnehmen, aber das ist leider immer schwierig auf einer solchen Reise, auf der wir uns befinden. Wir nehmen uns fest vor, eines Tages mit einem leeren Koffer zurück nach Mexiko zu kommen, um all die wunderschöne Kunst, von Gemälden, über Figuren bis hin zu Schnitzereien oder anderen Handarbeiten mitzunehmen. Generell sind Märkte hier jedes Mal ein ganz besonderes Erlebnis. Meistens sind sie riesig, aber sehr eng gestaltet. Man läuft durch enge, unübersichtliche Gänge, in denen man kaum zu zweit nebeneinander laufen kann und kommt an allen erdenklichen Sachen vorbei: Souvenirs, Klamotten, Haushaltsgeräte, Obst, Gemüse, Fleisch, Gewürze, Tiernahrung, Schuhe, Kunst, Kosmetik, unnützer Kleinscheiß, traditionelle Waren, Kerzen, Gebäck, Süßigkeiten und und und. Ein reichhaltiges Erlebnis für alle Sinne. Auch ein Besuch in einem der weltweit wichtigsten Museen für Archäologie und Ethnografie, das Museo Nacional de Antropología, darf nicht fehlen. Dies wollen wir uns allerdings nicht allein anschauen, sondern mit einer Person, die wir hoch oben im Norden kennengelernt haben. Und zwar noch viel weiter nördlich, als da wo wir Max begegnet sind. Die Rede ist von Pip. Unsere Freundin aus Neuseeland, mit der wir zusammen ein paar Wochen in dem Bushcamp in der Arktis verbracht haben, und die wir durch ihre liebevolle, chaotische und sehr lustige Art und Weise liebgewonnen haben. Durch Zufall und dank Instagram, sehen wir, dass sie tatsächlich nur ein paar Tage nach uns auch nach Mexiko City kommt. Da können wir uns die Chance nicht entgehen lassen, uns hier wiederzusehen und ein bisschen von der Stadt gemeinsam zu erkunden. Das Museum ist riesig. Neben vielen Artefakten, Stelen und Figuren von unterschiedlichen indigenen Völkern Mexikos, finden wir auch die Hauptattraktion, die fast schon als nationales Symbol gilt und in unterschiedlichen Teilstücken auch auf den mexikanischen Münzen wiederzufinden ist. Oft ein wichtiger Teil von beliebten „Entdecker-Filmen“ wie Indiana Jones oder Tomb Raider, ranken sich viele Mythen und Legenden um diesen 24 Tonnen schweren Stein. Die Rede ist von dem Sonnenstein der Azteken, oder auch bekannt als Kalenderstein. Eine riesige Steinscheibe mit einem Durchmesser von etwa 3,5 m. Gefunden wurde sie 1790 hier in Mexiko-Stadt auf dem heutigen Zócalo im historischen Stadtzentrum. Es ist spannend zu sehen, mit wieviel Präzision und Liebe zum Detail, die damaligen Azteken sie verziert haben. Generell sind alle ihre Bauten und Artefakten auf eine erstaunliche Art und Weise und einer ausgeklügelten Architektur gestaltet worden.
Nach so viel Input, ist uns nun etwas nach Entspannung und so laufen wir durch eines der benachbarten Viertel und gönnen uns an einem Straßenstand einen Kaffee. Hier treffen wir auf einen alten Mexikaner, der ein paar Worte Englisch spricht. Er setzt sich neben uns und erzählt uns, dass er als Tourguide arbeitet und uns somit noch ein paar spannende Fakten und Geschichten über Mexiko erzählt. Als dann jemand mit Churros in der Hand an uns vorbeiläuft, sagen wir nur nebenbei „Oh schau mal, der hat Churros“. Daraufhin erklärt der alte Mann, dass es hier um die Ecke die besten Churros geben würde, steht dann direkt auf und verschwindet. Kurze Zeit später kommt er wieder mit Churros in der Hand und schenkt uns diese. Ach, wie großartig ist diese Gastfreundschaft hier. Pip bleibt nicht lange in der Stadt und somit verabschieden wir uns am Nachmittag bereits wieder voneinander. Aber es soll nicht das letzte Wiedersehen mit ihr gewesen sein.
Fernab von den typischen Touristenattraktionen der Stadt, bekommen wir aber auch die Gelegenheit ein bisschen mehr ins normale Leben hier einen Einblick zu erhalten. Nicht nur, dass wir in einem Viertel wohnen, dass fern von jeglichem Tourismus ist, so geben uns Max und seine Mama Luisa die Chance, einen Blick in einer der besten Universitäten der Stadt zu bekommen. Die „Ibero“ Uni, an der Max studiert und Luisa als Professorin für Kunstgeschichte lehrt, ist ein riesiges Gelände in Santa Fe. Es ist umgeben von hohen Mauern und einer strengen Sicherheitskontrolle, die wir fast nicht passieren können, weil wir keine Studierenden sind. Santa Fe zeigt uns wieder einmal die Surrealität Mexikos. Auf der einen Seite des Highways gibt es enge, kleine, dicht aneinander gebaute Häuser, die ein typisches Bild für Mexiko darstellen. Enge Gassen und alte Architektur bestimmen hier das Stadtbild. Auf der anderen Seite des Highways das extreme Gegenteil. Neue, moderne Hochhäuser, riesige wunderschön angelegte Grünflächen, Luxuseinkaufszentren und viele Geschäfte. Und hier liegt eben auch die Uni. Eine Uni die, wenn man nicht gerade das Glück eines Stipendiums hat, einige tausend Pesos im Monat kostet. Viele Kinder der Reichen und Mächtigen von Mexiko studieren hier. Und so auch Max, der allerdings auch ein Stipendium bekommen hat. Da Max zu einer Vorlesung muss, nimmt sich Luisa die Zeit und führt uns einmal über den ganzen Campus. Wir bekommen wieder richtig Lust aufs Studentenleben, wenn wir das alles hier so sehen. Es ist auch mal sehr interessant, diese Seite von Mexiko zu erleben, die sonst wohl nur wenige Touristen entdecken. Des Weiteren machen wir mit Max auch noch einen Kino Abend oder sitzen abends einfach alle zusammen und hören die Geschichten seiner Eltern und lernen interessante Dinge über Mexiko. Auch René, Max´ Papa, ist mittlerweile wieder zurück und erzählt uns einiges über seinen Job als Filmproduzent. Die ganze Familie ist einfach nur großartig und so herzlich. Wir fühlen uns schnell so, als würden wir sie schon ewig kennen und können uns ihnen auch gleich mit einigen persönlichen Dingen anvertrauen. Luisa geht zum Beispiel auch mit Lara zu der Frauenärztin ihres Vertrauens, nach dem Lara in den USA so dolle Schmerzen gehabt hat, und hilft ihr bei der Kommunikation und der anschließenden Medikamentenbeschaffung. Apropos Medikamente. Wir sind davon ausgegangen, dass in Mexiko die Medikamente viel günstiger seien als bei uns in Deutschland. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Pillen, die Lara benötigt, kosten tatsächlich in Deutschland nur einen Bruchteil dessen, was sie hier kosten sollen. Eine große Überraschung für uns. Immer wieder nehmen sich alle Drei Zeit, sich unsere Erlebnisse vom Tag anzuhören und geben uns großartige Tipps für die Stadt und auch das ganze Land. Da wir auch viel über das, in ein paar Wochen anstehende, Fest „Dia de los Muertos“ reden und viel darüber wissen wollen, verspricht uns Luisa, dass sie extra für uns den Familienaltar, den jeder zu diesem Fest errichtet, dieses Jahr früher aufzubauen, um uns zu zeigen, wie dieser traditionell aussieht. Und sie hält ihr Versprechen. An einem unserer letzten Tage, kommen wir abends nach Hause und werden gleich hinter der Wohnungstür von vielen Kerzen begrüßt, die dort auf dem mehrstufigen Altar stehen. Neben vielen Deko-Elementen, wie Totenköpfe, Skelette, Blumen und Kerzen, stehen Bilder von den Verstorbenen der Familie. Luisa erklärt uns, nach welchen Regeln der Altar aufgebaut wird, und bringt uns somit einer sehr wichtigen mexikanischen Tradition ganz nah. Wir sind unfassbar glücklich, dass wir diese einmalige Chance bekommen in einem fremden Land bei Einheimischen zu leben und so viel über die Kultur fragen und erfahren zu können.
Nach einer Woche voller neuer wahnsinniger Eindrücke, heißt es für uns dann, wieder einmal, Abschied nehmen. Abschied von einer Stadt, von der wir wohl nur einen Bruchteil gesehen haben, aber doch so viel Irres erlebt. Eine Stadt die unfassbar riesig, laut, stressig, aber auch so bunt, herzlich, fröhlich und einfach nur anders ist. Eine Stadt mit tausend Facetten und tausend wundervollen Menschen. Und auch von drei dieser wundervollen Menschen müssen wir uns nun verabschieden. René sagt uns zum Abschied: „Erzählt eurer Familie und Freunden nicht, dass ihr hier einen Platz zum Übernachten habt……… erzählt ihnen, dass ihr hier ein zu Hause habt!“ Wow! Was für tolle Worte! Wir bekommen Gänsehaut und Pipi in den Augen und wissen kaum, was wir darauf antworten sollen. Wir sagen nur, dass genau Menschen wie sie, der Grund sind für uns zu Reisen. Es sind nicht die vielen Sehenswürdigkeiten, die man sieht, oder das Essen, das man isst. Nein, es sind vor allem die Menschen! Menschen wie Max, Luisa und René, die unsere Reise so unheimlich wertvoll machen. Menschen, die wir nicht Freunde sondern Familie nennen würden. Dear Max, Luisa and René: We are sooo thankful that you let us be a part of your family and gave us a home, far away from our home. You made our start in Mexico so much easier and better! You are so wonderful and awesome humans! And don´t worry, we will not tell anyone at home, that we have friends in Mexico, we will tell them that we have family there! Thank you so much for everything and hopefully see you soon somewhere!
So geht es für uns morgens in aller Früh, mit einem Uber zum Busbahnhof, wo wir den Bus zu unserem nächsten Ziel nehmen:.
San Lorenzo Cacaotepec
Ein kleines 12.000 Einwohner*innen Dorf nordwestlich der Stadt Oaxaca in der gleichnamigen Provinz. Dieses kleine Dorf liegt fernab der üblichen Routen von Touristen und wir sind wohlmöglich die einzigen „Nicht Mexikaner*innen“ hier. Touristische Highlights, Hostels, bekannte Sehenswürdigkeiten oder erstklassige Restaurants sucht man hier vergeblich. Wieso haben wir uns also genau hierher verirrt? Nicht ohne Grund. Nach den letzten Wochen, die mal wieder dicht gepackt mit Erlebnissen und Eindrücken waren, wollen bzw. müssen wir uns mal wieder eine Pause gönnen. Und diese Pause legen wir hier in San Lorenzo Cacaotepec ein. Zusammen mit Farley und Lula, unseren neuen Mitbewohner*innen für die nächsten Tage, verbringen wir die Zeit in einem kleinen Häuschen, mitten im Dorf. Farley und Lula sind zwei liebenswürdige Hunde, auf die wir die kommenden zwei Wochen aufpassen werden. Es sind die Hunde von Linda und Scott, einem alten US-amerikanischen Ehepaar, die vor wenigen Jahren hierher nach Mexiko ausgewandert sind. Zwei liebenswürdige Menschen, die wir über eine Gruppe bei Facebook kennengelernt haben. Sie reisen für zwei Wochen nach New-York, um dort der Hochzeit einer ihrer Söhne beizuwohnen. Und da sie die beiden Hunde nicht mitnehmen wollen, brauchen sie jemanden der auf sie aufpasst. So sind wir also hier gelandet. Linda und Scott, die wir bisher nur über einen Videocall kennengelernt haben, empfangen uns herzlich in ihrem zu Hause und verkörpern auch das Lebensmotto „Mi casa es su casa“ (dt.: „Mein zu Hause ist dein zu Hause“). Nach einer Einweisung in alle Besonderheiten des Lebens in diesem Haus und dem Dorf, und einer kurzen Kennenlernphase mit den beiden Hunden, gibt es ein leckeres Abendbrot, begleitet von einer weiteren mexikanischen Spezialität, einer Margarita. Diese allerdings nicht, wie sonst üblich, mit Tequila gemixt, sondern mit Mezcal. Und gleich dazu bekommen wir eine weitere Erklärung der mexikanischen Spezialitäten. Scott erklärt uns den Unterschied, zwischen Tequila und Mezcal. Beides sind Destillate, die aus der Agave gewonnen werden. Tequila ist allerdings eine spezifische Art von Mezcal und wird nur, meistens industriell, aus der blauen Weber-Agave hergestellt. Tequila hat einen eher süßen und milden Geschmack im Vergleich zum Mezcal. Dieser kann aus 30 verschiedenen Agavenarten hergestellt werden und hat, durch seine Herstellung in Erdgruben, einen rauchigeren, oft intensiveren, Geschmack als Tequila. Besonders die Region Oaxaca, in der wir uns jetzt gerade befinden, ist berühmt für seinen Mezcal. Wir haben den ganzen Abend tolle Gespräche mit Linda und Scott und freunden uns schnell mit den Hunden an. Linda hat extra ein kleines Heft erstellt, mit den wichtigsten Infos über die Hunde, das Haus, das Dorf und die Umgebung. Es ist schön, wie schnell wir uns bei diesen fremden Menschen wohl fühlen, in deren Haus wir dann nun auch die nächsten Tage leben werden. Die beiden versprühen so ein angenehmes Gefühl von Herzlichkeit und einer puren Entspannung, dass wir uns schnell gar nicht mehr fremd fühlen. Und am Abend gibt es auch schon das erste kulturelle Highlight aus dem kleinen 10.000 Einwohnenden Dorf. In der Ferne hört man eine Art Kapelle spielen. Die Musik scheint immer näher zu kommen und Linda sagt, dass es eventuell eine Parade sei. Gemeinsam verlassen wir das Haus und tatsächlich sehen wir ein Stück die Straße runter, eine Kapelle, verfolgt von vielen Menschen. Wir schließen uns der Menschenmenge an und sehen viele verkleidete Kinder mit ihren Eltern, die feiernd hinter der Kapelle hermarschieren. Es geht eine kleine Seitenstraße entlang, bis zum Hauptplatz des Dorfes. Hier stellen sich alle im Kreis auf und es wird getanzt und geklatscht. Wir fragen Linda und Scott, ob sie wissen, zu welchem Anlass das hier gerade stattfindet und sie erzählen uns, dass sie das nicht wüssten, aber dass es hier ständig zu jeder Tag- und Nachtzeit irgendwelche Paraden oder Gruppierungen von Menschen gibt, die feiernd durch die Straßen ziehen. Sowieso müssen wir uns in den nächsten Tagen daran gewöhnen, dass es sein kann, dass mitten in der Nacht eine Band in der Nachbarschaft probt, dass es Feuerwerke gibt, oder schreiende Verkäufer*innen, die durch die Straßen ziehen. Mexikaner*innen sind eben ein sehr lautes, aber auch feierndes Volk.
Bereits am nächsten Morgen um 5:00 Uhr verlassen Linda und Scott das Haus, um sich auf den Weg in die USA zu machen. Und wir sind jetzt allein. Allein in einem Haus von Menschen, die wir gerade einmal einen Tag zuvor richtig kennengelernt haben und auf dessen zwei Hunde wir nun aufpassen. Allein in einem Dorf, in dem kein Mensch Englisch spricht und das fernab jeglichen Tourismus ist. Aber das ist genau das, was wir wollten. Eine Erfahrung, die man als Tourist*in wohlmöglich nicht so einfach bekommt. Zu sehen, wie das echte Leben in einem mexikanischen Dorf so abläuft. In den nächsten Tagen gibt es für uns vor Allem eines: Entspannung. Wir liegen in der Hängematte, die wir im Hinterhof aufhängen, gehen mit den Hunden spazieren, lesen ein Buch, gucken Serien und machen mal viel nichts. Aber wir nutzen die Zeit auch immer gerne für Dinge, die unterwegs nicht so einfach sind zu realisieren. Anrufe in die Heimat, Fotos bearbeiten, Texte schreiben oder Instagram Reels fertigstellen. Dazu lernen wir aber auch das Leben im Dorf, und ein paar dessen Bewohner*innen, kennen. Es ist wundervoll, wie herzlich uns auch die anderen Dorfbewohner*innen hier empfangen. Wenn wir versuchen, mit unseren wenigen Spanischkenntnissen, mit ihnen zu reden, hören sie uns geduldig zu und sind begeistert, dass wir überhaupt ein paar Wörter Spanisch können. Sie bieten uns sofort ihre Hilfe an und sagen, wenn wir etwas benötigen, sollen wir zu ihnen kommen und freuen sich einfach nur über unsere Anwesenheit. Viele Menschen, die wir auf der Straße sehen, begegnen uns mit einem herzlichen Lächeln im Gesicht und begrüßen uns immer wieder freundlich. Wir gehen in den kleinen Gemüse- und Obstgeschäften einkaufen, essen in kleinen, einfachen Taco-Restaurants leckere, typisch mexikanische Tacos (nur Tortillas mit Fleisch und allerhöchstens noch ein paar Zwiebeln, Koriander und etwas Sauce.), oder probieren andere Spezialitäten der Region auf dem örtlichen Markt. So wie zum Beispiel Tlayudas, ein großer Maistortilla, der meistens mit Bohnenmuss bestrichen und mit unterschiedlichen Zutaten belegt wird, wie z.B. essbare Blumen, Hühnchen oder Nopales (Kaktusblätter). Getoppt mit dem berühmten Oaxaca-Käse, der meistens in Form eines Tennisballes verkauft und dann mit der Hand in feine Streifen gerissen wird. Der Tortilla wird dann in der Mitte gefaltet und über offenem Feuer gegrillt. Man nennt das ganze auch mexikanische Pizza. Auch die in Oaxaca berühmten Tamales, bekommen wir hier zum ersten Mal zu Gesicht. Sie bestehen aus der „Masa“, einer weichen Masse aus Maismehlteig und verschiedenen Füllungen. Es gibt sie in etlichen Varianten mit z.B. Fleisch, Käse, Bohnen, oder Chili. Eine Variante, die uns besonders gefällt, sind die Tamales de mole. Die Füllung besteht aus einer dunklen, bis fast schon schwarzen Masse, die aus über 30 Zutaten besteht. Der Geschmack variiert von würzig, nussig bis hin zu leicht süß und schokoladig. Die Tamales werden in Maisblätter gewickelt und gedämpft, bis sie weich und durchgegart sind. Oft sitzen auf den Märkten, in irgendeiner Ecke, ältere Damen neben einem riesigen Kochtopf, die selbstgemachte Tamales verkaufen. Man kann es kaum beschreiben, wie sehr wir all diese unterschiedlichen lokalen Gerichte und Getränke genießen. Jedes Mal wieder, freuen wir uns etwas Neues zu entdecken. Genau das haben wir uns in Kanada und den USA so sehr gewünscht. Richtige, traditionelle Küche, die nicht aus Burgern und Pommes besteht. Wir genießen unsere Zeit hier sehr. Genießen den Dorf-Alltag und die Zeit mit den Hunden. Morgens zwischen 6 und 7 Uhr werden wir meistens von Farley geweckt, der vor unserer Zimmertür steht und bellt. Einer von uns geht dann eine kurze Runde mit den beiden die Straße rauf und wieder runter. Kurze Zeit später kommt dann auch schon meistens die Brotfrau mit ihrem Fahrrad vorbei, die durch die ganze Nachbarschaft „Hay Pan, Hay Pan, Hay Pan“ (dt.: „Es gibt Brot“) ruft. Zwei bis drei Mal am Tag fährt das rote Tortilla-Auto durch die Straßen, aus dessen Lautsprechern in Dauerschleife eine Bandaufnahme schallt, wo eine hohe, fast schon singende Stimme, etwas von Tortillas ruft und nachmittags, warten wir immer ganz gespannt und aufmerksam auf das Tröten des Eismannes, der mit seinem Fahrrad durch die Straßen fährt und leckeres Milcheis verkauft. Es wird schon fast zu einem täglichen Ritual, dass einer von uns gleich auf die Straße stürmt, sobald wir die Tröte hören und für wenige Cents eine Kugel Eis kauft. Irgendwann kennt er uns schon so gut, dass er teilweise extra vor unserem Haus hält und auf uns wartet. Dazu kommt ab und zu noch der LKW vorbei der Wasser oder Gas verkauft und auch dieser macht sich durch eine laute Bandansage kenntlich. Hier und da knallt es mal sehr laut, weil irgendjemand aus irgendeinem Anlass wieder ein Feuerwerk zündet. Wobei das Feuerwerk auch nur aus einer Art lautem Böller besteht, der weit in die Luft geschossen wird und dort mit einem lauten Knall und hellem Blitz explodiert. Manchmal übt die Band in der Nachbarschaft oder es läuft irgendwo laute Musik. Und wenn es mal nachts zu still ist, melden sich die Hunde aus der Nachbarschaft und geben ein kleines Konzert ab. So richtig still und ruhig ist es hier nie, woran wir uns auch erstmal gewöhnen müssen. In einer großen Stadt erwartet man immer einen gewissen Lärmpegel, aber hier in diesem kleinen Dorf, hatten wir mit mehr Ruhe gerechnet. Nach ein paar Tagen gewöhnen wir uns allerdings auch daran und finden, in irgendeiner Art und Weise, auch Gefallen daran. Dadurch wirkt alles so schön lebendig und nicht wie ein kleines verschlafenes Dorf.
Farley und Lula brauchen auch nicht lange, um unser Herz zu gewinnen. Vor allem Lula, mit ihren kleinen Kulleraugen und der Zunge, die oft ein Stück raushängt, weil ihr die vorderen Zähne fehlen, hat es uns angetan. Sie liebt es auf ihrem Rücken, mit uns im Bett zu liegen und stundenlang gestreichelt und gekrault zu werden. Und auch Farley, der uns morgens immer weckt, ist durch seine lebhafte und manchmal bisschen eifersüchtige Art ein sehr liebenswürdiger Hund. Was uns hier allerdings auffällt ist, dass das Gassigehen etwas ganz anderes ist, als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Generell sieht man hier im Dorf niemanden mit seinem Hund Gassi gehen. Und auch wir sollen, laut der Anweisung von Linda und Scott, bloß morgens einmal mit den beiden ein Stück laufen. An vielen Tagen gehen wir allerdings auch abends noch mal eine Runde mit ihnen, damit sie noch ein bisschen mehr Auslauf bekommen. Tatsächlich sind die beiden aber auch etwas faul, und vor Allem Lula möchte oft schon nach der halben Strecke wieder umkehren und zurückgehen. Die einzige Möglichkeit, die wir hier zum Gassigehen haben ist die enge Straße entlang, durch die vor allem morgens und abends viele Motorräder, Tuktuks und Autos fahren. Mal gibt es einen Bürgersteig, mal ist es sehr schmal und mal gibt es nur die Möglichkeit direkt auf der Straße zu laufen. An Grünflächen ist sowieso nicht zu denken. Ganz am Ende der Straße gibt es einen kleinen Ministreifen Gras, auf dem wir die beiden oft ein wenig schnüffeln lassen. Ansonsten gibt es nur Betonboden, angrenzend an Betonwänden, von denen die Häuser hier alle umgeben sind. Die schöne Runde durch einen Park sucht man hier vergeblich.
Zwei Ausflüge aus dem Dorf in die Umgebung wollen wir allerdings doch während unserer Zeit hier unternehmen. Denn schließlich liegt in der unmittelbaren Umgebung nicht nur die wunderschöne Stadt Oaxaca, sondern angrenzend dazu auch eine weitere sehr bedeutende Ruinenstätte und ehemalige Hauptstadt der Zapoteken, Monte Alban. Unser erster Ausflug soll erstmal nur in die Stadt gehen, die wir ein wenig erkunden wollen. Des Weiteren führt uns auch noch ein weiterer Umstand nach Oaxaca. Das bevorstehende Fest „Dia de los Muertos“. Eines der wichtigsten traditionellen Feste hier in Mexiko. Von uns schon seit langem ein großer Traum, dieses Fest hier in Mexiko mal mitzuerleben. Aus der Ferne hört man immer viel über die bunt geschmückten Häuser, die fröhlich inszenierten Skelette und das lebhafte Treiben, um die Verstorbenen zu würdigen. Es ist tatsächlich eines der Beiden Träume und Ziele, die wir bereits vor Beginn unserer Weltreise hatten. Immer wieder haben wir gesagt, wir haben keinen genauen Plan und wollen alles auf uns zukommen lassen. Außer zwei Dinge, die wir wirklich gerne erleben wollen würden und von denen wir uns erhoffen, dass diese Träume in Erfüllung gehen werden. Der erste Traum, Orcas in freier Wildbahn erleben zu dürfen, ist bereits in Vancouver sehr erfolgreich in Erfüllung gegangen. Und nun stehen wir kurz davor auch unseren zweiten Traum in Erfüllung gehen zu lassen: Den „Dia de los Muertos“ in Mexiko. Gefeiert wird dieses Fest jedes Jahr vom 31. Oktober bis 02. November. Und lange Zeit dachten wir, dass es leider gar nicht in unsere Reiseplanung passen würde, da wir damit gerechnet haben, Kanada viel früher zu verlassen. Aber durch einige Umstände und ohne, dass wir alles daraufhin ausgerichtet haben, sind wir nun doch genau zu dieser Zeit in Mexiko. Es sind immer noch etwa 2 Wochen bis zu den Feierlichkeiten, aber wir müssen uns jetzt bereits um eine Unterkunft kümmern. Denn nicht nur, dass wir es zeitlich nie genau darauf ausgelegt haben, ausgerechnet jetzt in Mexiko zu sein, so haben wir hier vor Ort auch erst durch Zufall erfahren, dass Oaxaca als bester Ort in Mexiko gilt, um dieses Fest zu erleben. Dies bedeutet allerdings auch, dass mit uns, auch tausende weitere Menschen, für diese Tage in die Stadt kommen. Schnell stellen wir fest, dass viele der Unterkünfte bereits ausgebucht oder extrem teuer sind. Wir fragen also mal Linda und Scott, ob sie nicht vielleicht jemanden kennen würden. Und so ist es auch. Sie geben uns den Kontakt zu einer Frau, die in Oaxaca Unterkünfte vermietet und bei der auch schon öfters Freunde und Familie von Linda und Scott untergekommen sind. Sie hat allerdings leider keine Unterkunft mehr frei, gibt uns aber wiederum den Kontakt von einem Cousin von ihr, den wir doch mal fragen sollen. Gesagt getan. Wir schreiben ihn an und tatsächlich hat er noch eine Unterkunft für uns, die er auch zu einem akzeptablen Preis anbietet. Zwar befindet sie sich etwa 30 Minuten Fußmarsch von der Innenstadt entfernt, aber es ist die beste Option, die wir bekommen. Und dafür, dass wir das alles so spontan entscheiden, haben wir ja noch extrem viel Glück. Da Armel, der Cousin, gerne eine Anzahlung für die Übernachtungen bekommen möchte und wir uns die Unterkunft vorher nochmal anschauen wollen, verabreden wir uns dort und machen uns so auf den Weg nach Oaxaca.
Die Fahrt nach Oaxaca ist für uns ein reines Abenteuer und die erste Erfahrung mit dem lokalen öffentlichen Nahverkehr. Nicht nur, dass es keinerlei Informationen oder Fahrpläne gibt, geschweige denn richtig ausgeschilderte Bushaltestellen, so sehen auch die Busse schon ganz schön in die Jahre gekommen aus. Aus den Boxen dröhnt laute mexikanische Musik, die Stoßdämpfer knarzen bei jedem Hubbel und die einzige kühle Luft kommt durch die offenen Fenster. Eingepfercht auf den engen Sitzen, wo ich mit meinen langen Beinen kaum Platz finde, dauert es etwa eine Stunde, bis in das Stadtzentrum von Oaxaca. Immer wieder stehen am Straßenrand Menschen, die dem Bus zuwinken und signalisieren, dass sie einsteigen wollen. Auch Aussteigen kann man anscheinend an jeder erdenklichen Stelle, wo der Bus kurz anhalten kann. Wobei „anhalten“ auch manchmal übertrieben ist. Mit der sowieso schon offenen Tür bremst der Bus kurz ab und rollt im minimalen Tempo an den Menschen vorbei, die dann, während der Bus noch weiterrollt, hineinspringen. Der Ausstieg findet teilweise genau so statt. Und woher wissen wir nun eigentlich, dass wir im richtigen Bus sitzen? Dies steht auf, teilweise handgeschriebenen, Schildern, die in der Windschutzscheibe hängen. Und die einzige Möglichkeit zu erfahren, wo der richtige Bus abfährt, ist die Menschen zu fragen. Mit unseren wenigen Spanischkenntnissen immer wieder eine Herausforderung. Irgendwann, als wir den Innenstadtbereich Oaxacas erreichen, hält der Bus direkt an einer vielbefahrenen und belebten Kreuzung an und ruft irgendwas auf Spanisch nach hinten. Da nun alle übrigen Fahrgäste aufstehen und den Bus verlassen, gehen wir einfach mal davon aus, dass das, was er gerade gerufen hat, sowas war wie: „alle aussteigen“. Und damit wurden wir von jetzt auf gleich reingeschmissen in eine Situation, die uns erstmal wieder ein wenig überfordert. Eine große Kreuzung erwartet uns, auf der Autos, Busse, LKW, Motorräder und Tuktuks kreuz und quer fahren. Auf dem Bürgersteig unzählige Stände mit Essen, Früchten oder sonstigen Dingen. Hunderte Menschen wuseln durcheinander. Am Straßenrand steht ein Taxi neben dem anderen, dessen Fahrer die Orte rufen, zu denen sie fahren. Ständig wird gehupt und auch die Verkäufer*innen verkünden lauthals, was für großartige Angebote sie heute haben. Der Geruch ist eine Mischung aus Abgasen, Müll, Tacos und anderen Leckereien, die dort am Straßenrand zubereitet werden. Wo und wie wir jetzt hier am besten die Straße überqueren können? Keine Ahnung. Von dem, wenn auch lauten aber doch entspannten, Dorfleben werden wir auf einmal in diese stressige Stadt katapultiert. Wir schaffen es die Kreuzung unbeschadet zu überqueren und machen uns auf den Weg in Richtung Zentrum, dort wo die Stadt seine Schönheit zeigen soll. Die Reizüberflutung, sollte aber noch lange nicht enden. Die Bürgersteige der engen Straßen sind sowieso schon nicht sonderlich breit. Manchmal muss man auf die Straße ausweichen, aber da dann aufpassen, dass man nicht angefahren wird. Sowieso sind Bürgersteige in Mexiko so eine Sache. Alle paar Meter kann sich entweder ein tiefes Loch, eine plötzliche hohe Stufe oder sonstige Hürden befinden, an denen man sich einige Knochen brechen kann. Ich sage zu Lara, dass es in Mexiko wohl ein guter Tag ist, wenn du nur fünf Mal knapp gestorben bist, während du von A nach B gehst.
Oaxaca selbst wirkt wie ein lebendiges Gemälde. Die historische Altstadt ist sehr kompakt und lässt sich gut zu Fuß erkunden. Bunte Häuser im Kolonialstil in Ocker, Türkis, Rosa oder Orange säumen die schmalen Kopfsteinpflasterstraßen und es herrscht eine lebendige, farbenfrohe Atmosphäre in der Stadt. Viele Häuser haben kunstvolle Wandgemälde oder sind mit Kakteen verziert. Überall gibt es wunderschöne Cafés und Restaurants, wovon einige sogar weltberühmt sind. Die Menschen hier wirken fröhlich und glücklich und spiegeln den bunten Stil der Häuser sehr gut wider. Wir besuchen einen der vielen bekannten Märkte und probieren wieder einmal Tamales, von einer Frau, die uns von Luisa aus Mexiko City empfohlen wurde. Auch hier zeigt sich wieder die surreale Parallelwelt Mexikos. Rund um diese alte Markthalle, in der es wieder typisch eng und wuselig zugeht, gibt es moderne Schokoladengeschäfte, Cafés und Restaurants. Wir sind begeistert von Oaxaca. Die bunte Vielfalt der Architektur, die Menschen, die Straßenkunst und das Angebot an Restaurants und Cafés sind großartig. Die Stadt wird in diesen Tagen bereits vorbereitet für den Dia de los Muertos und man kann an vielen Häusern oder in unzähligen Geschäften schon einiges an typischer Deko entdecken. Unsere Vorfreude steigt damit umso mehr auf dieses grandiose Fest. Irgendwie spürt man auch in der ganzen Stadt eine gewisse Vorfreude darauf. Gespannt auf das, was da noch kommt, machen wir uns am Nachmittag auf den Weg zu unserer eventuellen Unterkunft für die Feiertage. Nachdem wir bereits den ganzen Tag durch die Straßen der Stadt gelaufen sind, kommt uns der Weg nun ganz schön lang vor. Im Laufe des Weges verändert sich dann auch plötzlich das Stadtbild. Aus den Kopfsteinpflasterstraßen werden schlecht asphaltierte Straßen, aus den bunten Häusern im Kolonialstil werden graue Betonwände und aus der zahlreichen Deko wird sehr viel Müll und Dreck. Wir laufen durch Straßen und Ecken der Stadt, wo wir denken, dass wir uns nachts im Dunkeln nicht ganz wohl fühlen würden. Ich stecke nun auch meine Kamera lieber in den Rucksack und trotzdem werden wir von vielen Menschen hier ziemlich begutachtet. Anscheinend verirren sich nicht oft Touris in diese Ecke der Stadt. Und ich rede nicht von einem Stadtteil irgendwo außerhalb, sondern von einer Gegend, die fast nahtlos an die schöne historische Innenstadt angrenzt. Wir laufen durch chaotische Straßenmärkte, vorbei an Garagen, wo sie Trinkwasser abfüllen, müssen uns teilweise zwischen den Autos auf der Straße entlangschlängeln und immer wieder aufpassen, dass wir nicht in irgendeine Pfütze von einer unbekannten Flüssigkeit treten. Wir laufen über eine Brücke, um den Fluss zu überqueren und sind geschockt von dem, was wir dort sehen. Das Flussufer ist gesäumt von Müll und Dreck. Unfassbar, was da alles liegt, schwimmt und in den Büschen hängt. Es liegt auch ein gewisser Müllgeruch in der Luft, der anscheinend von einer Mülldeponie herüber weht, die sich direkt am Fluss befindet. Wir können sehen, wie sie mit Radladern versuchen die Müllberge in den Griff zu bekommen und dabei der Wind den Müll teilweise meterweit durch die Luft wirbelt. Gruselig. Eben noch in der wunderschönen, durchaus modernen Stadt und jetzt sehen wir das. Schön ist anders. Aber auch das gehört, abseits der touristischen Pfade, eben zu einem Stadtbild. Es gibt sie überall, diese unschönen Seiten, die man am liebsten gar nicht sehen will. Mit einem komischen Gefühl gehen wir weiter in Richtung Unterkunft. Wir stellen nun auch fest, dass unser Weg nicht so kurz ist wie gedacht, da sich das Appartement in einer Wohnsiedlung befindet, die von einer Mauer und Zäunen umgeben ist. Wir müssen daher nochmal ganz um das Gelände gehen, um auf der anderen Seite, durch die einzige Zufahrt hineinzugelangen. Wir sind jetzt schon richtig im Arsch. Nicht nur, dass wir viel laufen, nein es ist auch noch richtig heiß heute. Aber gut, gleich haben wir es geschafft. Angekommen am Apartment warten wir wieder mal vor einem großen Tor. Armel öffnet uns und wir blicken auf eine Baustelle. Wie? Hier soll die Unterkunft sein? Es scheint nicht besser zu werden. Ein schlechtes Bauchgefühl macht sich breit und wir hoffen, dass er uns nun nicht verarschen will. Wobei er uns auch gar nicht verarschen kann, denn noch haben wir ihm ja kein Geld bezahlt. Armel allerdings wirkt sehr sympathisch und aufgeschlossen. Er deutet uns an, dass wir ihm folgen sollen, und das tun wir nun auch. Es geht durch das komplett offene, von Stahlstützen getragene, Erdgeschoss. Überall, in diesem Rohbau, stehen Baumaschinen und Baumaterialien rum. Wir gehen eine Treppe hinauf und stehen dann vor einer Holztür. Er öffnet sie und bittet uns hinein in das Zimmer. Und tatsächlich, die erste Etage scheint schon fast fertig zu sein. Er zeigt uns das große Zimmer mit Balkon und anschließendem Bad. Das Bad ist nagelneu und sehr modern eingerichtet mit einem riesigen Duschkopf. Das sieht ja schon mal viel besser aus. Allerdings ist das Zimmer auch noch komplett leer. Armel erzählt uns, dass in den nächsten Tagen noch ein paar Dinge fertiggestellt werden müssen aber bis zum besagten Wochenende vom Dia de los Muertos, soll das Zimmer bewohnbar sein. Des Weiteren verspricht er uns, dass bis dahin auch Gardinen, ein Bett, ein Sofa und ein Tisch in das Zimmer kommen. Auch Bettwäsche und Handtücher, würde er uns besorgen. Wir wollen noch kurz sicherstellen, dass in den Tagen aber nicht ständig Bauarbeiten unter uns stattfinden und er beruhigt uns, da über das Wochenende hier keiner arbeiten wird. Wir lernen auch noch einen Nachbarn kennen, der ein anderes Zimmer auf der Etage bereits bewohnt. Ein im ersten Moment skurriler Typ, der sich letztendlich als sehr nett und hilfsbereit herausstellt. Er sagt uns, wenn wir irgendetwas benötigen, sollen wir nicht zögern ihm Bescheid zu sagen. Und dann wäre da jetzt nur noch eine Frage zu klären, nach dem wir uns so unsere Gedanken gemacht haben auf dem Weg hierher. Wie sicher ist es hier? Armel und auch der Nachbar bestätigen uns allerdings, dass unsere Sorgen relativ unbegründet sind. Man müsse sich hier in der Gegend keinerlei Gedanken machen, wobei man natürlich die gewisse Aufmerksamkeit bei Nacht walten lassen sollte. Gut, denken wir, und überreichen ihm die erste Anzahlung für die fünf Nächte und haben nun ein gutes Bauchgefühl bei der Sache. Jetzt wollen wir auch einfach nur noch nach Hause und uns mit den Hundis ins Bett kuscheln. Für heute haben wir genügend Schritte, Erlebnisse und Eindrücke. Doch bevor wir nach Hause können, sind da noch zwei Dinge, die es zu erledigen gibt. Zum einen wollen wir bei einem großen Supermarkt, der auf dem Weg zurück liegt, noch etwas einkaufen und zum anderen wäre da jetzt noch die Sache mit dem Bus. Wo fährt jetzt der Bus ab, der uns dorthin bringt, wo wir hinwollen? Wie gesagt, das Internet oder Google Maps, kann man bei so einer Frage nun vergessen. Also gehen wir erstmal zu der großen Hauptstraße zurück, die raus aus der Stadt führt. Hier haben wir vorhin einige Busse gesehen und vielleicht ist ja auch für uns der Richtige dabei. Und tatsächlich, an einem der Busse steht zwar nicht unser Dorf dran, doch auf einem der vielen Schilder, die dort in der Windschutzscheibe hängen, steht „Bodega Aurrera“. Dort wollen wir hin. Ein großer Supermarkt, der sich am Highway auf dem Weg nach San Lorenzo befindet. Um sicher zu gehen, fragen wir den Busfahrer noch mal und dieser bestätigt es. Perfekt. Wir bezahlen die 40 Cent pro Person, die jede Fahrt, egal wohin kostet und nehmen auf einem der engen Sitzreihen Platz. Nach einer Fahrt, die durch den Verkehr länger gedauert hat als gedacht, kommen wir wirklich dort an wo wir hinwollen. Kurz ein paar Sachen eingekauft und nun müssen wir nur noch darauf hoffen, dass der Bus nach San Lorenzo auch hier bei der Haltestelle am Bodega Aurrera anhält. Und kurz nach dem wir uns dort zu den anderen Wartenden gesellen, kommt ein Bus an, an dem groß San Lorenzo steht. Einige andere winken ihm schon ganz aufgeregt zu und deuten dem Busfahrer an, zu halten. Die Chance nutzen wir und springen gleich mit rein. Der Bus ist sehr voll und ich biete meinen Sitzplatz einer Dame an. Die restliche Fahrt stehe ich also an der teils geöffneten Tür im hinteren Teil des Busses, während wir mit bestimmt 80 km/h über den Highway fahren. Ich denke kurz, dass wenn ich jetzt das Gleichgewicht verliere, ich kaum Chancen habe, das gut zu überstehen. Wie verrückt, in Deutschland undenkbar und hier Normalität. Aber ich genieße auch die frische Luft, die dadurch hineinweht in den voll besetzten, stickigen Bus. Völlig platt und im Sack kommen wir nach einem sehr langen Tag wieder in unserem aktuellen zu Hause in San Lorenzo an. Lula und Farley machen Luftsprünge vor Freude, dass wir wieder da sind und deuten uns gleich an, dass wir sie am besten direkt füttern sollen. Was für ein Tag, von dem wir uns nun erstmal erholen müssen.
Unser zweiter Ausflug, ein paar Tage später, verläuft nun schon etwas routinierter. Wir wissen, wo der Bus abfährt, wir wissen, wie es im Bus läuft, wir wissen wieviel wir bezahlen müssen und wir sind auch schon darauf vorbereitet, dass er uns irgendwann wieder mitten in der Stadt rausschmeißen wird. Und so eng, warm, stickig, laut, unbequem und stressig diese Busfahrten auch sind, genießen wir sie sehr. Ich kann gar nicht genau sagen, was es ist, das mich dazu bringt, mich kaum aufzuregen. Normalerweise hätte ich mich über all diese Dinge aufgeregt und wäre schlecht gelaunt gewesen, weil es so unbequem, eng und stressig ist. Aber hier ist es irgendwie was anderes. Wir akzeptieren einfach, dass es hier nun mal so abläuft und es ist schließlich auch ein kleines Abenteuer eine solche Erfahrung zu machen, die sonst wohl kaum ein Touri macht. Tatsächlich merke insbesondere ich auch immer wieder, dass mich die Menschen hier teilweise anstarren. Aber nicht negativ oder unfreundlich, sondern irgendwie überrascht und auch mit einer gewissen Faszination. Wie dieses eine Kind, das mich von seinem Sitz aus mit großen Augen angestarrt hat, weil es vielleicht noch nie eine so große, weiße Person mit rotem Bart gesehen hat. Allein schon durch meine Größe steche ich zwischen allen Mexikaner*innen sehr heraus. Heute geht es mit dem Bus zwar auch erstmal in die Stadt, aber nur damit wir zu einem historischen Highlight der Region gelangen. Die Rede ist von Monte Alban, einer der bedeutendsten archäologischen Stätten Mexikos. Einst Hauptstadt der Zapoteken, die diese Stadt „Danipaguache“ („Heiliger Berg“) nannten. Wundervolle, gut erhaltende Gebäude wie Tempel, Paläste, ein Ballspielplatz und ein Observatorium stehen hier ganz oben auf dem künstlich abgeflachten Berg. Nicht nur die eindrucksvollen Ruinen begeistern uns und die Tatsache, dass vor tausenden Jahren die Menschen diesen Berg künstlich abgeflacht und all diese Gebäude hier errichtet haben, nein auch die Aussicht ist atemberaubend. Man bekommt einen Panoramablick über die umliegenden grünbewachsenden Täler, Berge und die gesamte Stadt Oaxaca. Besonders die Ruhe genießen wir sehr. Es sind nicht viele Menschen zu dieser Zeit hier und die Wenigen, die hier sind, verteilen sich sehr gut, auf diesem weitläufigen Gelände. Wir sitzen weit oben auf einer der Stufen, der steilen Treppe des größten Tempels, genießen den Ausblick über das Gelände mit den anderen Palästen und Gebäuden, die sich durch die dunklen Steine perfekt in das Landschaftsbild, zwischen den Bäumen und grasbewachsenen Hügeln, einfügen. Im Hintergrund überblickt man das weite Tal mit unzähligen kleinen Dörfern und einer Bergkette, die dieses Tal wie einen Kessel umschließt. Der Himmel, der von dichten, teils grauen Wolken, behangen ist, gibt dem ganzen eine gewisse düstere und mystische Atmosphäre. Hier oben hört man nichts, außer das Rauschen des Windes, wie er durch die Bäume weht und ab und zu mal ein leises Vogelzwitschern. Diese Weite vermittelt ein Gefühl der Erhabenheit und man kann das Mysterium, das diesen Ort umgibt, förmlich spüren. Eine Mischung aus Ehrfurcht, Staunen und Respekt macht sich in uns breit und wir sitzen einfach da und genießen die Eindrücke. Wir merken, dass uns ein solcher Moment in der Natur, umgeben von völliger Ruhe, unglaublich viel Energie gibt. So sitzen wir eine Weile schweigend da, genießen den Moment in dem Wissen, dass wir bald schon wieder zurück in dem stressigen Leben einer mexikanischen Stadt sein werden.
So gehen die zwei Wochen auch wieder schnell um und eines Nachmittags kommen Linda und Scott von ihrem Ausflug zurück. Wie bereits am ersten Abend, haben wir auch heute wieder ein gemeinsames Abendessen und großartige Gespräche. Sie erzählen uns von der Hochzeit in New York, während wir von unseren Erlebnissen hier in San Lorenzo und Oaxaca berichten. Die Gespräche fühlen sich so an, als würden wir uns schon lange kennen und die Geschichten mit Verwanden teilen. Es sind zwei sehr liebenswürdige Menschen, von denen wir uns am nächsten Tag verabschieden, um unseren Weg fortzuführen. Und nicht nur von den liebenswürdigen Menschen müssen wir uns verabschieden, sondern auch, und das fällt uns noch viel schwerer, von den beiden Hundis Lula und Farley. Da es noch fast eine ganze Woche bis zu den Dia de los Muertos sind, entschließen wir uns die Tage am Strand zu verbringen und wie es der Zufall so will, gibt es nur unweit von hier ein beliebtes Touristenziel, direkt am Strand. Wir nehmen ein weiteres Mal, einen unserer heißgeliebten „ADO“-Busse und fahren zum nächsten Ort.
Vamos a la playa
Es geht nach Puerto Escondido. Was noch vor wenigen Jahren als eine „No Go“ Area für Tourist*innen galt und viel zu gefährlich für einen Besuch, ist heute ein beliebtes Ziel für Tourist*innen und Einheimische. Dieses Thema ist eines, was uns wohl ab jetzt auch auf unserer kommenden Reise noch stärker begleiten wird, als es in den USA bereits der Fall war. Von einem Land wie Kanada, in dem du ohne Sorge überall hingehen kannst wo du willst, ohne um deine Sicherheit besorgt zu sein, durch ein Land wie die USA, wo es Gegenden in Städten gibt, die man vermeiden soll, in ein Land wie Mexiko, wo es teilweise ganze Städte, Gebiete oder Provinzen gibt, die für Tourist*innen viel zu gefährlich sind. Und hier ist man nicht nur von Diebstahl oder Raub bedroht, sondern Entführungen und Mord durch die hiesigen Kartelle. Dies ist ein ganz anderes Level an Kriminalität und etwas, das wir definitiv nicht auf die leichte Schulter nehmen. Daher haben wir uns bereits vorher und auch in Mexiko City durch Max´s Familie informiert, welche Gegenden, Gebiete oder Städte es hier zu vermeiden gilt. Das schöne ist, dass wenn man sich aus diesen Gebieten raushält, man aber relativ sicher reisen kann. Heute ist Puerto Escondido bekannt dafür, dass es alles versucht touristischen Anklang zu finden. Es entstehen immer weitere Hotels, Bars und Restaurants und die Kriminalität wurde weitestgehend aus dem Ort verbannt. Den Geschichten nach zu urteilen, die wir glücklicherweise erst nach unserem Besuch hier erfahren und die uns aus erster Hand von Betroffenen berichtet werden, geht die größte Gefahr heute von der Polizei aus. Ein Holländer berichtet uns z.B. davon, dass er abends am Strand zusammen mit einer Kanadierin Alkohol getrunken hat. Dann kam eine Gruppe von fünf schwer bewaffneten Polizisten vorbei. Und schwerbewaffnet in Zentral Amerika bedeutet, riesige MGs, schwere Körperpanzerung und teilweise vermummt, so dass man maximal die Augen erkennen kann. Erstmal kein ungewöhnliches Auftreten der Polizei hier, dennoch etwas, an das auch wir uns erst noch gewöhnen müssen. Diese Gruppe von Polizisten machte die beiden darauf aufmerksam, dass es illegal sei, bei Dunkelheit am Strand Alkohol zu konsumieren und forderte sie auf eine Strafe zu zahlen. Auf die Frage, wie hoch die Strafe denn sei, antworteten sie mit der Gegenfrage, wie viel Geld sie denn dabeihätten. Sie forderten die beiden dazu auf, ihr Portemonnaie zu zeigen und ihnen ihr ganzen Bargeld auszuhändigen. Was bei dem Holländer nur ein paar Pesos waren, waren bei der Kanadierin 200 kanadische Dollar, die sie noch bei sich hatte. Anscheinend war das den Polizisten aber nicht genug und so forderten sie die beiden auf, ihnen zum nächsten Geldautomaten zu folgen und dort weiteres Bargeld abzuheben. Eine weitere Geschichte, die uns, auch erst im Nachhinein, zu Ohren gekommen ist, ist die von jemandem dessen Rucksack von der Polizei durchsucht wurde. Bei der Durchsuchung ließen die Polizisten dann offenbar ein kleines Päckchen mit Drogen in den Rucksack fallen und beschuldigten ihn so des Besitzes von Betäubungsmitteln. Auch er musste eine hohe Strafe bezahlen. Beide dieser Geschichten haben sich ungefähr in dem gleichen Zeitraum abgespielt, in dem wir auch dort waren. Und um es an dieser Stelle vorwegzunehmen, auch wir hatten eine seltsame Begegnung mit der Polizei und auch wir sind ungewollt ein paar Euros ärmer geworden, dazu aber später mehr.
Da wir all diese Geschichten zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht wissen, fahren wir nur mit der freudigen Erwartung auf paar erholsame Tage am Strand mit Cocktails und schönem Essen, nach Puerto Escondido. Über Air BnB haben wir uns ein Zimmer in einem Hotel am Playa Zicatela gebucht. Dieser ewig lange und sehr breite Sandstrand grenzt direkt an die Ortschaft Puerto Escondido an und ist noch etwas ruhiger. Unser Hotel liegt nur wenige Meter vom Strand entfernt und ist auf den ersten Blick wunderschön. Ein offen gestaltetes Gebäude mit einem Innenhof in dem ein Swimmingpool liegt. Wunderschöne bunt bemalte Wände erstrahlen in allen erdenklichen Farben. Die Architektur hat einen leichten Touch von Gaudi und versprüht Fröhlichkeit. Das Zimmer hingegen bietet ein Kontrastprogramm zu dem, was wir soeben gesehen haben. Zwar gibt es hier auch das ein oder andere nette Deko Element, jedoch ist das Badezimmer leider sehr arg in die Jahre gekommen, teilweise verschimmelt und auch im Zimmer in einer Ecke sehen wir dunkle Flecken. Allgemein wirkt alles ein wenig speckig und nicht hundertprozentig sauber. Außen Hui und innen Pfui. Wir überlegen kurz, ob wir das nun einfach so hinnehmen oder runter gehen und ein neues Zimmer fordern. Aber aus irgendeinem Grund entscheiden wir uns dazu, es erst mal hinzunehmen, da wir davon ausgehen sowieso die meiste Zeit draußen zu verbringen. Das dies kaum möglich ist, ahnen wir jetzt noch gar nicht. Denn es ist so unglaublich heiß hier und die hohe Luftfeuchtigkeit gibt einem dazu noch den Rest. Wir halten es die nächsten Tage über die Mittagszeit entweder nur in unserem Zimmer bei eingeschalteter Klimaanlage, die zum Glück hervorragend funktioniert, oder am Pool aus. Selbst am Strand möchte man nicht liegen, weil es einfach zu heiß ist. Wir haben ja eine gewisse Hitze erwartet, aber das übertrifft unsere Erwartungen bei Weitem. In der Umgebung des Hotels gibt es viele Baustellen und man kann sehen, wohin sich dieser Ort noch entwickeln möchte in den nächsten Jahren. Wir lassen uns von all dem aber nicht unterkriegen und versuchen das Beste aus unserer Zeit hier zu machen. Die wunderschönen Sonnenuntergänge genießen wir fast jeden Abend mit einem Cocktail auf den Liegen einer der Beachbars, die sich hier direkt auf dem Strand befinden. Zum Abendessen gibt es teils typisch mexikanische bis amerikanisierte Gerichte in den verschiedenen Restaurants, an der Promenade und ein bisschen Touri-Quatsch darf natürlich auch nicht fehlen. So buchen wir uns, die für diese Region bekannte, Biolumineszenz Tour. Ein Ausflug zu einem See in der Nähe in dem sich Algen befinden, die bei Bewegung oder Berührung anfangen in einer blau-grünen Farbe zu leuchten. Die Bilder, die uns davon gezeigt werden, sehen eindrucksvoll aus und so beschließen wir, uns dieses Naturschauspiel nicht entgehen zu lassen. Und naja, man könnte wohl sagen, wir sind da in eine klassische Touristenfalle getappt. Also nicht, dass wir abgezogen wurden oder gar keine Leistung erhalten haben, aber das gesamte Erlebnis war nicht annähernd so spektakulär, wie es dort angepriesen wird. Ja wir sind zu dem See gefahren und ja die Algen haben auch geleuchtet, aber bei weitem nicht so, wie auf den Fotos und Videos zu sehen. Vielleicht war es auch diese gesamte Art und Weise der Abfertigung dort, die dem Erlebnis so bisschen den Zauber genommen hat. Wir werden direkt am Hotel eingesammelt und sitzen, zusammen mit noch paar anderen Touris, für eine ganze Weile in einem kleinen Minivan. Lange geht es durch die Dunkelheit eine Schnellstraße entlang, bis wir auf einmal ankommen an einem Ort, der aus wenigen Hütten besteht, aber hell beleuchtet ist. Ein riesiges Schild weist auf die Bioluminesencia hin und es gibt Souvenirstände, Getränkeverkäufer*innen und ein paar Frauen stehen an einer Feuertonne, auf dessen Deckel sie Quesadillas zubereiten. Heraus aus dem Van, werden wir von einer Person mit Klemmbrett in Empfang genommen. Diese gibt uns aber nur zu verstehen, dass wir kurz warten sollen, bis wir abgeholt werden. Und kurze Zeit später erscheint von der anderen Straßenseite ein kleiner Junge, der sagt, wir sollen ihm folgen. Bisschen ungläubig zögern wir, aber er wird immer eindringlicher und so folgen wir ihm über die Straße und einen kleinen Sandweg hinunter in den Wald. An einer zwischen den Bäumen gespannten Leine hängen einige Schwimmwesten, von denen er uns nun jedem eine gibt. Weiter geht es über schmale Holzstege immer weiter in das dunkle Waldstück hinein, bis wir an einem See ankommen, wo ein schmaler Steg ins Wasser geht und einige kleine Boote dort am Ufer liegen. Ich sage zu Lara, wenn ich es nicht besser wüsste, wäre das jetzt ein perfektes Entführungsszenario. Irgendwo mitten im Nichts in einem Wald an einem unbekannten See stehen wir quasi in der Dunkelheit. Nur ein paar kleine Leuchten spenden uns Licht und die Anweisungen von dem „Personal“ kommt auch eher bestimmt als freundlich rüber. Irgendwann kommt aus der Dunkelheit des Sees ein Boot angefahren und der kleine Junge deutet uns, dass dies unser Kapitän sei und wir nun auf das Boot sollen. Ich fasse das folgende Haupterlebnis, um das es bei dem Ausflug ging, hier kurz zusammen. Wir fahren raus auf den See, wo sich noch einige andere Boote befinden. Unser „Kapitän“ erzählt gelangweilt irgendetwas auf Spanisch über die Natur hier und dreht ein paar Kreise mit dem Boot. Ja, im Kielwasser leuchten die Algen in der Nacht, aber bei weitem nicht so spektakulär wie gedacht. Dann hält er irgendwann an und unterhält sich nur noch mit einem aus unserer Gruppe, der spanisch spricht. Wir plätschern ein wenig aus dem Boot raus mit der Hand im Wasser und fragen uns, ob wir denn gleich noch irgendwo hinfahren, wo es richtig spektakulär wird. Einer aus der Gruppe springt auch mal ins Wasser, aber auch das lässt keine Begeisterung aufkommen. So sitzen wir da in dem Boot und fangen irgendwann an uns untereinander zu unterhalten, bis der Kapitän irgendwann fragt, ob wir noch weiter hierbleiben wollen oder wieder zurück. Wir gucken uns alle fragend an, weil wir noch mehr erwartet haben und sagen dann, dass wir auch zurückkönnten. Und so geht es zurück an Land und das war das ganze Spektakel. Zugegeben: Ja das Wasser hat geleuchtet, wenn man es in Bewegung gesetzt hat. Aber wie gesagt, bei weitem nicht so doll und kräftig wie durch die Bilder versprochen. Zurück an Land gehen wir wieder zurück nach oben und gönnen uns von den Frauen ein paar Quesadillas, die zu unserem eigentlichen Highlight der Tour werden, denn die sind „muy rico“, wie man hier sagen würde. Mit dem Gefühl, eine komplett nutzlose Tour mitgemacht zu haben, geht es zurück zum Hotel. Aber wir ärgern uns gar nicht, sondern lachen nur über die gesamte Situation. Generell ist das Gesamterlebnis hier nicht so ganz das, was wir uns erhofft hatten. Nicht in der Art und Weise, dass es ein schreckliches Erlebnis ist, aber wir haben uns ein paar schöne Tage am Strand an einem netten Ort vorgestellt. Aber durch die Hitze, ist es nahezu unmöglich überhaupt an den Strand zu gehen und der Ort Puerto Escondido ist auch nicht sonderlich schön. Einen Tag kommen wir auf die grandiose Idee, von unserem Hotel aus über den Strand in den Ort zu laufen. Und zu welcher Uhrzeit? Natürlich zur Mittagshitze. So kämpfen wir uns von Schatten zu Schatten, von dem es zugegeben an diesem Strand nicht sonderlich viel gibt. Hier in der prallen Mittagssonne, mitten auf dem Strand haben wir auch die bereits erwähnte seltsame Begegnung mit der Polizei. Eine Gruppe von fünf schwarz gekleideten Männern kommt in unsere Richtung und einer von denen spricht uns aus der Entfernung an. Wir gehen näher an sie ran und befürchten schon, dass wir nun irgendwas falsch gemacht haben und uns eventuell in einem Bereich aufhalten, in dem wir uns nicht aufhalten dürfen. Aus der Entfernung war es auch nicht wirklich ersichtlich, dass es sich um Polizei handelt. Die entsprechenden Aufschriften auf der Kleidung, sehen wir erst aus einer kurzen Distanz. Einer der Männer spricht mit uns auf Englisch an und stellt uns einige Fragen wie: Wo kommt ihr her? Wie lange seit ihr in Mexiko? Was macht ihr in Mexiko? Wie lange reist ihr schon? Wie habt ihr von Mexiko erfahren? Usw…. Als wir ihm berichten, dass wir bereits seit einigen Monaten reisen, entgegnet er uns, dass wir ja reich sein müssten. Irgendwie ein ganz komisches Gespräch irgendwo zwischen Verhör und Small Talk. Zum Abschluss erzählt er, dass sie von der örtlichen Polizei seien und für die Sicherheit der Tourist*innen zuständig. Sie würden alles dafür tun, dass wir uns hier sicher fühlen und wenn wir ein Problem haben, sollen wir nicht zögern sie anzurufen. Bitte was? Was genau, wollen sie uns damit sagen? Wir verabschieden uns höflich und setzen verwundert unseren weiteren Weg fort. Ein sichereres Gefühl haben uns diese Polizisten definitiv nicht gegeben. Der Ort, hier mitten am Strand und die Art und Weise, wie er uns angesprochen hat, hat uns doch sehr verunsichert. Um dieses Gespräch erstmal zu verarbeiten, lassen wir uns in der Nähe an einem Tisch nieder, der zu einer Beachbar gehört und gönnen uns erstmal eine frische Kokosnuss.
Ein schönes Erlebnis sollen wir aber doch noch bekommen. Wir nehmen all unsere Motivation zusammen und gönnen uns einen Surfkurs. Wir entscheiden uns für einen lokalen Surflehrer, der nur mit uns beiden, drei Stunden am Vormittag verbringt, und uns versucht aufs Brett zu bekommen. Oliver, der Surflehrer, spricht zum Glück gut Englisch und somit fällt die Sprachbarriere schon mal weg. Er ist sogar so lieb und holt uns direkt mit seinem Auto, auf dessen Dach bereits zwei Surfbretter geschnallt sind, vom Hotel ab und fährt mit uns zu einer kleinen, wunderschönen Bucht, in der sich der Playa Carrizalillo befindet. Nach ein paar Trockenübungen auf dem Bürgersteig, um erstmal die richtige Technik zu lernen, gehen wir runter zum Strand. Und es geht weit runter. Eine steile, ewig lange Treppe führt von der Straße, runter zum Strand. Die Surfboards in der Hand, machen den Abstieg auch nicht gerade leichter, da man ständig aufpassen muss, das Surfboard nicht irgendwo kaputt zu hauen oder die anderen Menschen, wie bei einem guten Baseballaufschlag, von der Treppe zu befördern. Die Location könnte schöner kaum sein. Glasklares, tiefblaues Wasser, ein schmaler perfekter Sandstrand eingerahmt von hohen Felswänden und einer knallgrünen Vegetation. Fast schon paradiesisch. Wir schmeißen die Boards ins Wasser und auf geht’s. Außer uns, sind noch ein paar weitere Lernwillige im Wasser, die, begleitet von ihren Surflehrern, verzweifelt versuchen aufs Brett zu kommen. Unser Surflehrer schwimmt auch im Wasser mit uns, und wir warten gemeinsam auf eine gute Welle, in die er uns dann hineinschubsen kann. Lara und ich wechseln uns dabei immer wieder ab, so dass der/die jeweils Andere währenddessen eine Pause bekommt und sich, liegend auf dem Surfboard, ausruhen kann. Dabei haben wir das große Glück, auch noch ein Naturschauspiel erleben zu dürfen. Immer wieder tauchen direkt neben uns große Schildkröten auf, die ihren Kopf weit aus dem Wasser strecken. Einmal sehe ich durch das klare Wasser, wie eine Schildkröte direkt unter meinem Surfboard hindurch taucht. Was für ein großartiges Erlebnis. Und die Surfstunde? Die ist tatsächlich auch erfolgreich. Bei mir reicht es immerhin schon für ein paar Sekunden, die ich auf dem Brett stehen kann und Lara schafft es sogar mehrere Meter die Welle zu reiten. Von Mal zu Mal merken wir eine stetige Besserung. Auch durch die immer wieder neuen Tipps von unserem Surflehrer, der jedes Mal darauf achtet, was wir noch verbessern müssen. Da an diesem Tag nicht sonderlich viele gute Wellen durch die Bucht ziehen, schenkt uns Oliver auch noch fast eine ganze extra Stunde, damit wir noch weiter üben können. Und dann geht es wieder raus aus dem Wasser. Ich muss zugeben, dass ich vorher immer dachte, dass man beim Surfen einfach da bisschen auf seinem Brett im Wasser chillt, ab und an mal eine Welle surft und anschließend sich wieder auf dem Brett ausruht. Aber meine Fresse, bin ich jetzt im Arsch. Ich hätte niemals gedacht, wie anstrengend das sein kann. In den nächsten Tagen werden wir noch Muskelkater und Schmerzen an Stellen des Körpers bekommen, die wir vorher noch nie gespürt haben. Und was ist jetzt, nach einigen anstrengenden Stunden im Wasser, wo man völlig im Arsch ist und sich mit letzter Kraft an den Strand schleppt, das schönste und beste, was man machen kann? Richtig, jetzt erstmal ganz gepflegt mit dem riesigen Surfboard diese scheiß steile und lange Treppe wieder rauf. Unnötig zu erwähnen, dass ich auf dem Weg nicht nur eine oder zwei Pausen einlegen muss. Es ist erst Mittag und ich habe das Gefühl, dass körperliche Anstrengungen heute wohl nicht mehr mit in den Tagesablauf eingeplant werden können. In den nächsten Tagen bekommen wir auch nicht nur Muskelkater, nein wir haben auch einen ordentlichen Sonnenbrand auf den Waden und aufgeschürfte Ellenbogen, Bäuche, Brüste und Lara hat sich eine schöne Wunde auf der Hand zugezogen, weil sie sich unbedingt beim Fallen auf der Kamerahalterung, die auf dem Surfboard montiert war, aufstützen wollte. Wir sind also einige Wunden, Schmerzen und Erfahrungen reicher geworden. Hat es sich gelohnt? Definitiv! Und wir nehmen uns fest vor, dass es nicht unser letzter Surf Kurs gewesen sein soll.
Es steht der Abreisetag bevor und wir freuen uns nun auch schon wieder, aus dieser brütenden Hitze herauszukommen. Wir haben einen sehr frühen Bus, zurück nach Oaxaca, gebucht und stehen so mit unserem Gepäck morgens um 5 Uhr an der Hotelrezeption, in der Hoffnung, dass das am Tag zuvor bestellte Taxi auch wirklich gleich auftaucht, um uns zum Busterminal zu fahren. Aber darauf ist Verlass und so schaffen wir es pünktlich zum Bus und freuen uns auf die Klimaanlage und auf das, was uns die nächsten Tage in Oaxaca erwartet. Nicht nur ein neues Abenteuer, sondern die Erfüllung eines großen Traumes, der jetzt wirklich wahr wird. Wie aufregend!
Achja, was ist denn nun mit unserem verlorenen Geld, werden aufmerksame Leser*innen nun fragen. Als wir in Oaxaca ankommen und noch am Busterminal das Bargeld bereitlegen wollen, dass wir Armel gleich für die Unterkunft geben müssen, stellen wir fest, dass uns etwa 100 Euro in mexikanischen Pesos fehlen. Es muss uns im Hotel aus den Rucksäcken, in denen wir das versteckt hatten, gestohlen worden sein. Jemand hat sich Zutritt zu unserem Zimmer verschafft und in unseren Sachen gezielt nach Geld gesucht, denn mein Rucksack mit der teuren Kamera, Drohne und Laptop, der direkt danebenstand, wurde nicht angefasst. Uns ist klar, dass wir jetzt nichts machen können, und so bleibt uns lediglich übrig, das als Lehre zu akzeptieren und dem Hotel eine Nachricht zu schreiben, um sie darüber zu informieren, was passiert ist. Irgendwie sind wir auch froh, es erst jetzt nach der Abreise festgestellt zu haben, denn so hatten wir kein unsicheres Gefühl, während unseres Aufenthaltes. Wir hoffen einfach, dass sich jemand an unserem Eigentum bereichert hat, der oder die es wirklich dringend benötigt und damit vielleicht seiner Familie Essen auf den Tisch bringen kann. Das sind nun mal die Dinge, die auf einer Reise passieren und bis jetzt ist es das erste und schlimmste an Diebstahl was uns passiert ist und da können wir uns doch glücklich schätzen.
Zwischen Leben und Tod – Der Tod lebt in Oaxaca
Der Tod ist ernst, unheimlich belastend, wird im Stillen betrauert, ist eine private Angelegenheit, so tabu, dass oft nicht drüber gesprochen wird und düster wie die Nacht. Wir tragen schwarze Kleidung, dekorieren mit schwarzen Trauerschleifen und versenden dunkle Trauerkarten. So zu mindestens der Umgang, den wir aus den kulturellen Kreisen, in denen wir groß geworden sind, gelernt haben. Niemals hätten wir uns vorstellen können, den Tod und alles, was das Thema umgibt mit heiterer Musik, bunten Farben und Paraden zu assoziieren. Wir wurden eines Besseren belehrt. Es geht, und wie das geht.
In Mexiko ist der Tod kein Tabu, sondern Teil des Lebens. Hier wird er mit Farbe, Musik, Lichtern, Feuerwerken und Essen geehrt und sogar eingeladen. Trauer und Freude stehen hier nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus. Man ehrt die Toten mit Festen und nicht nur mit Tränen. Einer der bedeutendsten Feiertage in Mexiko, der Día de los Muertos, wird uns das in all seiner Pracht, die nächsten Tage zeigen. Der Tag an dem die Seelen der Verstorbenen für kurze Zeit aus dem Jenseits in das Diesseits zurückkehren. Die Feierlichkeiten finden jedes Jahr vom 31. Oktober bis zum 2. November statt. Seine Wurzeln hat der Día de los Muertos in der präkolumbianischen Zeit, in der viele mesoamerikanische Kulturen, wie z.B. die Azteken oder Mayas, den Tod verehrten und glaubten, es ist nicht das Ende, sondern der Übergang in eine andere Welt. Diese Traditionen haben sich irgendwann mit den katholischen Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen vermischt und daraus entwickelte sich der heutige Día de los Muertos.
Es gibt viele traditionelle Bräuche, die diese Feierlichkeiten zu dem machen, was es so einmalig macht. Mit einem dieser Elemente, sind wir bereits in Mexiko City in Berührung gekommen, die Ofrendas (Altäre). Zu Hause bei den Familien, auf Friedhöfen oder auch in öffentlichen Gebäuden werden diese kunstvoll geschmückten Altäre aufgebaut. Und nicht nur, dass uns Luisa bereits gezeigt hat, wie eine traditionelle Ofrenda einer mexikanischen Familie aussieht, so bekommen wir auch die Gelegenheit eine Ofrenda mit aufzubauen. Um den Día de los Muertos nicht bloß zu feiern, sondern auch richtig zu erleben, haben wir uns im Vorhinein eine Tour von und mit Magaly gebucht. Sie bietet für den 31. Oktober eine Veranstaltung an, bei der wir mit noch weiteren Begeisterten, eine Tour über einen der bekanntesten Friedhöfe machen und anschließend ein traditionelles Abendessen bei ihrer Familie zu Hause bekommen. Des Weiteren ist eine Walking Tour durch eines der bedeutendsten Viertel in Oaxaca geplant, Jalatlaco. Zusammen mit Xochimilco, sind es die beiden Stadtteile, die besonders hervorstechen, in diesen Tagen, durch ihre zahlreiche Deko, Blumenbögen, Lichter und Straßenkunst. Einen Tag vorher, schreibt Magaly uns, ob wir nicht auch Lust hätten, bereits am Vormittag, zusammen mit ihr eine Ofrenda aufzubauen. Auf dem Weg können wir bereits viel Dekoration bestaunen und bekommen auch die erste kleine Parade zu sehen, die unser Herz zum Schmelzen bringt. Ein Verein für Kinder mit Down-Syndrom hat in einer kleinen Nebenstraße, extra für die Kinder, eine eigene Parade organisiert. Großartig verkleidet und mit lauter Musik einer Kapelle, tanzen und feiern sie dort auf der Straße. Bei Magaly angekommen lernen wir auch schon weitere Teilnehmer*innen der Tour kennen, darunter Sophie und Dom aus Schottland und Jelka und Jakob aus Berlin. Zusammen mit Magaly und ihrer bezaubernden Tochter, fangen wir gleich an mit dem Aufbau. Los geht es mit einem Blumenbogen aus kleinen Chrysanthemen, die wir an einem Zuckerrohr befestigen. Der Bogen, soll das Tor symbolisieren, durch das die Verstorben hindurch wandern. Eine Ofrenda besteht immer mindestens aus zwei Ebenen, die Himmel und Erde symbolisieren oder, wie bei der die wir aufbauen, aus drei Ebenen, wobei die dritte Ebene als Symbol für die Unterwelt gilt. Es gibt auch Ofrendas mit sieben Ebenen, die die Schritte symbolisieren, die eine Seele durchlaufen muss, um Frieden zu finden. Die meisten, die wir hier zu Gesicht bekommen, bestehen allerdings aus drei Ebenen. Wichtig sind vor allem die Blumen. Bereits in den letzten Tagen, konnte man überall in der Stadt LKW sehen, deren Ladeflächen voll waren mit Blumen, die sie entweder zu einem Markt gebracht haben, oder teilweise direkt von der Ladefläche aus verkauft haben. Alle paar Meter sieht man hier Menschen mit riesigen Bündeln von Blumen umherlaufen. Besonders wichtig ist die Cempasúchil, die orangefarbene Ringelblume oder auch Blume der Toten genannt. Es wird geglaubt, dass die leuchtende Farbe und ihr starker Duft den Toten helfen, ihren Weg zurück zu ihren Lieben in der Welt der Lebenden zu finden. Es ist eine Farbe und ein Geruch, der wohl wie kaum ein anderer für die Día de los Muertos steht. Bereits bei unseren ersten Besuchen in der Stadt, konnte man überall diesen markanten Duft wahrnehmen, der heute, wo die Blumen an jeder Ecke zu tausenden vorhanden sind, noch deutlich stärker ist. Des Weiteren dekorieren wir unsere Ofrenda mit typischen Elementen, wie verschiedene Skelettfiguren, genannt Calacas, Obst, Pan de Muerto, Calaveras (Zucker Totenköpfe) und der mittlerweile auch international sehr bekannten „La Catrina“. Eine elegante Skelettdame mit großem, verziertem Hut die als Symbol für den Tod, das Leben und die mexikanische Kultur überall in sämtlichen Formen und Farben zu finden ist. La Catrina begegnet uns hier immer wieder. Mal als kleine Figur, als Wandbild, als große Figur, aufgedruckt auf Taschen und Kleidung oder als verkleidete Menschen. Aus den Blütenblättern einiger Cempasúchil Blumen streuen wir einen Weg von der Ofrenda zur Eingangstür, die den Toten den Pfad zeigen soll. Und ein weiteres wichtiges Element darf nicht fehlen, ein Kreuz, denn in diesem Fest steckt schließlich auch der katholische Einfluss. Daher formen wir mit einigen Teelichtern, ein Kreuz auf dem Boden direkt vor dem Altar. Und damit die Verstorben überhaupt wissen, dass sie in der Welt der Lebendigen nicht vergessen und immer noch willkommen sind, stellt man auf der obersten Ebene Fotos von ihnen auf. Auch wir dürfen Fotos, die wir mitbringen, auf der Ofrenda platzieren. Und was soll ich sagen? Mit der ganzen Vorbereitung, der Stimmung in der Stadt, den Geschichten und Legenden um dieses Fest, macht es irgendwas mit uns, die Fotos unserer Liebsten, die bereits verstorben sind, hier aufzustellen. Wir sind mittlerweile so tief drin in dem traditionellen Gedanken, dass wir uns auf eine sehr glückliche Art und Weise vorstellen können, dass sie uns in den nächsten Abenden besuchen kommen und mit uns hier in Mexiko feiern. Ein wunderschöner Moment. Auch die Idee, nicht nur einer Person zu gedenken, sondern mehreren ist wundervoll. Normalerweise kommen noch weitere Elemente auf die Ofrenda, die wir heute allerdings auslassen. Kerzen, Weihrauch und Papel Picado (meist bunte Scherenschnitte aus Seidenpapier) gehören auch noch zu den Standardelementen einer Ofrenda. Darüber hinaus werden, neben dem Obst und dem Pan de Muerto, auch Getränke und Lieblingsspeisen der Verstorbenen platziert. Manchmal findet man sogar Zigaretten oder andere Lieblingsgegenstände der Toten dort wieder. All diese Gegenstände und Dekorationselemente sollen zum einen das Gedenken an die Menschen aufrechterhalten und zum anderen deren Besuch auf der Erde in diesen Tagen erleichtern und versüßen. Nach ihrer langen Reise aus dem Jenseits können sie sich so durch die angebotenen Speisen und Getränke stärken. Der Día de los Muertos ist einerseits ein sehr familiäres Fest, das oft im Kreise der Verwandten zelebriert wird, aber andererseits auch ein sehr gemeinschaftliches Fest, dass alle Menschen mit offenen Armen empfängt, um an der Tradition teilzuhaben. So ist es auch ein wichtiger Aspekt, dass man die Ofrendas der Öffentlichkeit zugänglich macht. So läuft man durch die Nachbarschaft und schaut sich die Ofrendas der anderen Menschen an. Hier und da wird man auch mal auf einen Mezcal eingeladen und spricht mit den Nachbarn über die Verstorbenen. Auch wir schauen uns noch einige Ofrendas hier im Viertel Jalatlaco an, die von kleinen bescheidenen bis hin zu riesigen, ganzen Garagen ausfüllenden Ofrendas reichen. Einige findet man direkt von der Straße aus und zu manchen gehen wir einen kunstvoll dekorierten, engen Gang in einen Hinterhof in dem, nur von Kerzenlicht beleuchtet, eine wunderschöne Ofrenda aufgebaut ist. Die Menschen sind so wundervoll herzlich hier und willkommen uns mit offenen Armen in einer ihrer wichtigsten Traditionen, dass es uns teilweise die Sprache verschlägt und wir hier und dort vielleicht auch ein bisschen Pipi in die Augen bekommen. Aber nicht vor Trauer, sondern Freude und Dankbarkeit, etwas so wundervolles miterleben zu dürfen.
Mit Jakob, einem der anderen Teilnehmer, erkunden wir am Nachmittag, nach dem Aufbau der Ofrenda, ein weiteres bedeutendes Stadtteil hier in Oaxaca. Das älteste Viertel der Stadt, Xochimilco, ist bekannt für seine ruhige und charmante Atmosphäre, die farbigen Häuser entlang der engen Kopfsteinpflasterstraßen und die kulturelle Authentizität. Wir haben das Gefühl, dass wir hier ein wenig abseits der touristischen Pfade laufen und diese Gegend eher von den Einheimischen besucht wird. Immer wieder, wenn wir hier durch die Straßen laufen, haben wir das Gefühl, wir befinden uns in einem riesigen Freiluftmuseum. An jeder Hauswand, in jedem Fenster und überall auf der Straße, lassen sich die unterschiedlichsten Kunstinstallationen zum Thema Día de los Muertos bestaunen. Bunte Papiergirlanden wehen über der Straße, kunstvolle Sandteppiche auf dem Boden, überall duftet es nach Cempasúchil und alle paar Meter wird man von Skeletten begrüßt. Da die Feierlichkeiten heute erst starten und es noch mitten am Tag ist, sehen wir hier und dort auch noch Menschen, die ihre Dekoration vollenden oder perfektionieren. Durch Zufall stolpern wir auch noch in eine uralte Weberei. Die Region um Oaxaca ist nicht nur bekannt für den Mezcal und den Oaxaca-Käse, sondern auch für die Webkunst. An riesigen, sehr alten Webstühlen stehen Männer, die mittels der ausgefeilten Technik, Teppiche oder andere bunte Stoffe weben. Als wir durch die offene Tür hineingucken, deuten sie uns mit einem großen Lächeln an, dass wir hereinkommen und uns das mal ansehen können. In diesem kleinen Raum, wo vier dieser Webstühle stehen, ist es, durch das Klackern der Maschinen, sehr laut. Aber irgendwie auch, durch den rhythmischen Ton, beruhigend. Ein Mann führt uns in den Hinterhof, wo er uns einige der Textilien präsentiert, die sie hier herstellen. Großartig, mal in dieses traditionelle Gewerbe einen Blick zu bekommen.
Eine weitere, sehr wichtige, Tradition, ist der Besuch auf dem Friedhof. Die Vorbereitungen beginnen bereits Tage im Voraus, wo die Gräber der Verstorbenen, gereinigt und geschmückt werden. Ein abendlicher Ausflug zu dem „Panteón de Atzompa“, der Friedhof der kleinen Gemeinde Santa María Atzompa, ist eine weitere Hauptattraktion der Tour mit Magaly. Nach einer kurzen Pause am Nachmittag treffen wir uns abends an einem Park in der Stadt, wo bereits ein kleiner Minivan für uns bereitsteht. Hier treffen wir nun auch alle weiteren Teilnehmer*innen, die am Ofrenda Aufbau nicht teilnehmen konnten. Mit dabei sind Menschen aus Norwegen, Kanada, USA und sogar auch Mexiko. Gemeinsam geht es ca. eine halbe Stunde raus aus der Stadt in die kleine Gemeinde. Auf der Fahrt dorthin haben wir gemischte Gefühle. Auf der einen Seite wollen wir das volle Erlebnis dieser Tradition haben, aber auf der anderen Seite haben wir auch großen Respekt davor, als Tourist*innen auf einen Friedhof zu gehen, auf dem genau heute viele Menschen ihren Angehörigen gedenken. Wir sind froh, dass wir Magaly als Einheimische an unserer Seite haben, die uns auf die richtige Verhaltensweise hinweisen kann. Und so ein Friedhof, vor allem jetzt im Dunkeln, ist doch auch immer wieder etwas Gruseliges. Wir verbinden ihn mit tiefer Trauer, Tod, Düsterkeit und jedem zweitklassigen Horrorfilm dient er als perfekte Kulisse. Mit diesem Respekt, gepaart mit Vorfreude werden wir kurz vor dem Eingang abgesetzt. Schnell stellen wir fest, dass die Stimmung hier eine ganz andere ist, als wir sie gewohnt sind. Vor den Eingangstoren stehen, hell beleuchtet, einige Verkaufsstände, an denen alles von Blumen über Kerzen bis hin zu kitschigem Merchandise verkauft wird. Uns fällt auf, dass hier ein geschäftiges Treiben herrscht und die Menschen sich gar nicht so still und andächtig verhalten, wie man es erwarten würde. Magaly gibt jedem von uns eine Kerze in die Hand und erzählt uns, dass es ein Brauch ist, wenn man Friedhöfe zu dieser Zeit besucht, dass man eine Kerze mitnimmt, die man auf ein Grab seiner Wahl platziert, um so seine Anteilnahme und den Respekt vor dem Fest auszudrücken. Sie sagt, es sei unsere Wahl, auf welches Grab wir unsere Kerze stellen wollen, aber am schönsten sei es, sie auf einem ungeschmückten Grab zu platzieren, um so diesem oder dieser Verstorbenen ein wenig Licht und Andacht zu schenken, der oder die von ihren Liebsten vergessen zu sein scheint. Zum Teil wohnen die Angehörigen allerdings auch nicht in der Nähe und haben nicht die Möglichkeit das Grab zu besuchen. Nach ein paar Instruktionen zu den richtigen Verhaltensweisen auf dem Friedhof, betreten wir ihn. Magaly gibt uns deutlich zu verstehen, dass wir mit viel Respekt an die Gräber herangehen sollen und immer daran denken sollen, dass es ein Fest der Familien ist und wir nur ein Gast sind. Ich bekomme dieses ungute Gefühl, nun als Tourist die Menschen hier wie in einem Zoo zu begaffen, aber das Gefühl sollte mir schnell genommen werden. Zum Thema Fotos und Videos, erklärt sie uns, dass es grundsätzlich kein Problem sei, jedoch sollen wir, wenn dort Angehörige am Grab stehen oder sitzen, aus Höflichkeit um Erlaubnis fragen. Mit der Erwartung, nun diese düstere, stille Stimmung wie auf einem deutschen Friedhof zu erleben, gehen wir hinein. Und schnell wird die Erwartung über den Haufen geworfen und was wir dort sehen, verschlägt uns den Atem. Ein Blumenmeer aus orangenen Cempasúchils oder anderen Blumen, tausende leuchtende Kerzen und einer Stimmung, die einem Freudenfest nahekommt, schlägt uns entgegen. Magaly macht mit uns einen Zeitpunkt ab, an dem wir uns am Eingang widertreffen und somit kann sich jeder nun frei hier auf dem Friedhof bewegen, was sich teilweise als ganz schöne Herausforderung herausstellt. Denn im Gegensatz zu einem gut geordneten Friedhof in Deutschland, wo zwischen den Gräbern immer Platz ist (was bestimmt in irgendeinem Gesetz geregelt ist) um umherzulaufen, wirken die Gräber hier eher angeordnet nach dem Prinzip „Ach guck mal, dazwischen ist noch Platz, da kommt das Grab jetzt hin“. Teilweise ist zwischen den Gräbern gerade mal Platz für einen Fuß und wenn einem dann noch jemand entgegenkommt, wird es interessant. Ich, als äußerst tollpatschige Person, schwitze Blut und Wasser, weil ich so Angst habe, gleich zu stolpern und bäuchlings auf einem dieser toll dekorierten Gräber zu landen. Die Gräber könnten unterschiedlicher kaum sein. Hier steht ein kleines Mausoleum direkt neben einem Erdhügel mit lediglich einem Holzkreuz. Ein Großteil der Grabstätten ist unfassbar schön dekoriert. Aufwändig platzierte Blumenteppiche, beleuchtet von vielen Kerzen, überdecken teilweise die ganze Fläche. Ich entscheide mich schnell für ein undekoriertes Grab, um meine Kerze dort abzustellen und so die Hände zum Fotografieren frei zu haben. Das ganze Erlebnis hier ist wieder so typisch mexikanisch surreal, neben dem eigentlich traurigen Thema Tod liegt hier eine Fröhlichkeit und Lebenslust in der Luft, die man so kaum im normalen Alltag in Deutschland erleben kann. Außer dem „Panteón de Atzompa“ besuchen wir in den Tagen hier auch noch den „Panteón General“ in der Innenstadt und den „Panteón de Xoxocotlán“ der sich am Rande der Stadt befindet, aber als einer der emotionalsten Orte dieser Tage gilt. Die beiden weiteren Friedhöfe besuchen wir allerdings nicht in Begleitung von Magaly, aber zusammen mit Jakob und Jelka, die wir bei der Veranstaltung kennengelernt haben. Nichtsdestotrotz beherzigen wir die Regeln und Umgangsformen, die Magaly uns erklärt hat. Wir machen auf allen drein eine ähnliche Erfahrung der Surrealität. Noch nie haben wir uns so glücklich, fröhlich und willkommend auf einem Friedhof gefühlt. Manchmal sehen wir Menschen, die still um ein Grab herumsitzen, manchmal erzählen sie sich Geschichten und lachen und manchmal wird gesungen, getrunken und getanzt. Es wird fröhliche Musik gespielt, mal aus Lautsprechern und mal steht dort eine kleine Band am Grab. Menschen bieten den Vorbeikommenden Getränke, vor allem Mezcal, an und feiern das Gedenken an ihre Liebsten. Wir sehen teilweise ganze musikalische Paraden, die über den Friedhof ziehen oder aufwendig verkleidete Menschen, die Kunststücke vorführen. Ein Friedhof als Ort zum Feiern und fröhlich sein? Zuvor, für uns undenkbar. Und wir haben wohl auch noch nie mit einer so positiven Stimmung einen Friedhof verlassen, wie hier. Die Idee des düsteren Horrorszenarios hat es hier sehr schwer auf diesen Friedhöfen dieser Tage.
Wie man es sich vielleicht jetzt bereits denken kann, gibt es noch weitere ganz wichtige Elemente des Día de los Muertos. Eines davon, findet nicht nur auf dem Altar für die Verstorbenen statt, sondern ist auch ein sehr wichtiges Element für die lebenden Familien: Das Essen und Trinken. Auch das ist ein Teil der Veranstaltung mit Magaly. Am Abend, nach dem Besuch auf dem Friedhof, kommen wir bei der Familie von Magaly zusammen. Als wir ankommen, ist bereits eine lange Tafel vorbereitet und die Mama hat Tamales Moles für uns vorbereitet. Begleitet mit einer, auch für diese Region typischen, heißen Schokolade, die anstatt mit Milch mit Wasser gemacht wird und einem Mezcal bekommen wir so ein typisch traditionelles Abendessen einer mexikanischen Familie am Día de los Muertos. Für den Mezcal bekommen wir jeder ein rundes, hohes, hölzernes Trinkgefäß, hergestellt aus dem Stamm der Maispflanze, geschenkt. Mit einer Schnur können wir uns diese um den Hals hängen und haben so für die nächsten Tage immer unser eigenes Trinkgefäß dabei, wenn uns irgendjemand in der Stadt einen Schnaps anbietet.
Außer dieser geführten Tour, bzw. dem organisierten Event, um der mexikanischen Kultur rund um den Día de los Muertos näher zu kommen, wollen wir selbstverständlich auch das erleben, was in der Stadt selbst so los ist. Tausende Menschen, manche aufwendig verkleidet, manche nur geschminkt und manche ganz in Zivil, tummeln sich in den Straßen der historischen Innenstadt. Überall sitzen Menschen am Straßenrand, bei denen man sich für etwas Geld eine Totenkopfmaske mit bunten Verzierungen schminken lassen kann. Auch wir entscheiden uns dazu, diesem Brauch nachzukommen und suchen uns eines von den hunderten Motiven aus. Jelka und Jakob, mit denen wir die ganzen Tage hier letztendlich verbringen, lassen sich gleichzeitig ebenfalls schminken und so gehen wir zu viert völlig auf in diesem traditionellen Fest. Überall verteilt gibt es verschiedenste Veranstaltungen, Paraden, Showacts oder Musiker*innen. Die Stadt quilt förmlich über vor Feierlichkeiten. Manchmal ziehen an uns ewig lange, nicht endend wollende Paraden vorbei, mit vielen großartig kostümierten Menschen und manchmal laufen wir an Bars vorbei in denen eine eher moderne Feierstimmung herrscht. Mexiko typisch darf ein Feuerwerkt natürlich nicht fehlen. Wir freuen uns auch sehr, diese Feierlichkeiten nicht nur mit Jelka und Jakob zu teilen, sondern auch mal wieder mit Pip, unserer neuseeländischen Freundin, die zufällig zu diesen Tagen auch hier in Oaxaca ist. Neben einer Kathedrale hoch hoben auf einem der Hügel von Oaxaca gönnen wir uns von dem stressigen Treiben in der Stadt eine kleine Pause. Hier ist eine Bühne aufgebaut, auf der am Abend ein Konzert stattfindet, wo begleitet von einem Orchester, Sängerinnen in wunderschönen Kostümen eine Geschichte erzählen bzw. singen. Auch wenn wir nicht viel von der Geschichte verstehen, ist es doch der Moment, in dem wir dort neben der beeindruckenden Kathedrale auf der Tribüne sitzen, einen traditionellen Kakao trinken, dazu ein Pan de Muerto essen, der Musik lauschen und über einen Teil der Stadt blicken, wo wir realisieren, dass wieder einmal ein Traum in Erfüllung geht. Und wie es manchmal so ist, mit diesen Träumen, malt man sich die im Vorhinein oftmals viel schöner aus, als sie letztendlich dann tatsächlich in Erfüllung gehen. Aber dieser Traum ist anders. Wir konnten es uns nicht mal ansatzweise so schön, atemberaubend und faszinierend vorstellen, wie es nun wirklich ist. Eine so wundervolle Tradition, in der so viel Lebensfreude steckt, obwohl man den Toten gedenkt. Es ist auch schön zu sehen, wie sehr das mexikanische Volk in ihrer Kultur aufgeht und wie wichtig dieses Fest für alle Generationen ob jung oder alt ist. Und ist es nicht ein großartiger Gedanke, dass man weiß, dass eines Tages, wenn man mal nicht mehr ist, trotzdem noch Jahre später deine Liebsten zusammenkommen, um für dich und mit dir zu feiern? Wir nehmen uns ganz fest vor, diese Tradition und den positiven Umgang mit dem Tod auch in unseren späteren Alltag in Deutschland mit einfließen zu lassen und wollen zukünftig auch mindestens einmal im Jahr unsere liebsten verstorbenen Menschen feiern und sie zu uns einladen. Wir werden dieses Erlebnis, was so bunt, laut, glücklich, stressig, freudig, anstrengend und orange zu gleich war wohl nie wieder vergessen. Und falls ich es mit meinen Worten nicht geschafft habe, das Gefühl des Día de los Muertos, gut genug rüberzubringen, dann empfehle ich den Disney Film „Coco – Lebendiger als das Leben“. Nicht nur der Titel bringt es sehr gut auf den Punkt, sondern der ganze Film ist eine so unglaublich gute Präsentation dieser Tradition, der, so wurde es uns auch von vielen Mexikaner*innen bestätigt, die Idee und das Gefühl dieses Festes zu 100% vermitteln kann. Auch wir haben den Film einige Tage zuvor, zu Vorbereitung, angesehen und können bestätigen, dass es so viele kleine Details in dem Film gibt, die auch heute noch so im echten Leben hier stattfinden. Und noch dazu ist die Stadt in dem Film, an Oaxaca angelehnt. Danke Leben, dass du uns hierhergebracht hast. Und danke an all unsere Liebsten aus dem Jenseits, die in diesen Tagen mit uns die Zeit hier verbracht haben und mit denen wir gemeinsam feiern konnten! Der Tod ist bunt und lebendig!
Vom Fest zum Fall
Während die Abbauarbeiten in der Stadt noch in vollem Gange sind, wollen wir uns noch ein kleines Naturhighlight der Umgebung anschauen. Hierve el Agua, das Naturwunder des versteinerten Wasserfalls, das es in der Form nur zwei Mal auf dieser Welt gibt. Auch wenn der Name „Hierve el Agua“ auf Deutsch so viel bedeutet wie „das Wasser kocht“, findet man hier kein kochendes Wasser. Was man aber hier oben in den Bergen, etwa 70 km östlich der Stadt Oaxaca findet, sind Wasserquellen, aus denen das Wasser heraussprudelt und den Eindruck erweckt, dass es kochen würde. Neben dieser namensgebenden Attraktion gibt es noch zwei weitere Highlights, weswegen sich der Besuch hier lohnt. Die einzigartigen versteinerten Wasserfälle, die über Jahrtausende durch kalkhaltiges Quellwasser entstanden sind. Sie sehen aus wie eingefrorene Wasserfälle aus Stein, vergleichbar mit Tropfsteinen, aber riesig und offen an einer Felswand. Am oberen Rand dieser Wasserfälle gibt es natürliche Pools mit einem sehr stark mineralhaltigen grünlich-blauem Wasser. In diesen kann man tatsächlich auch baden und dabei die spektakuläre Aussicht auf das umliegende, dicht bewachsene Gebirge genießen. Für uns ist es der erste Ausflug hier in Mexiko, der uns zu einem reinen Naturhighlight führt und wir wissen gar nicht, was wir von der mexikanischen Natur erwartet haben, aber definitiv nicht das, was wir hier sehen. Satte, grüne und dicht bewachsene Hügel, so weit das Auge reicht. Wir haben uns vielleicht zu sehr von dem Klischeegedanken „Wüste & Kaktus“ beeinflussen lassen, weswegen wir hier so positiv überrascht sind.
Das, was uns aber wohl am meisten in Erinnerung bleiben wird an diesem Ausflug, ist bereits die Anfahrt. Hier kommen wir das erste Mal so richtig in Berührung mit den typisch zentralamerikanischen „Do-it-Yourself“ Lösungen und unser Staunen, über das wie man hier gewisse Probleme löst, dass sich im weiteren Verlauf unserer Reise in eine gewisse Normalität wandeln wird. Wir recherchieren im Internet ein wenig über die verschiedenen Wege, wie man aus der Stadt zum Hierve el Agua kommen kann. Es gibt mehrere Möglichkeiten, man mietet sich ein Auto und fährt selbst hin, man bucht sich eine Tour, bei der man mit kleinen Shuttles dorthin gefahren wird, oder man entscheidet sich, wie wir, für die kostengünstigste aber gleichzeitig auch abenteuerlichsten Methode, mit den öffentlichen Transportmitteln. Dank etlichen Reiseblogs, anderen Websites und der Hilfe von Pip, finden wir letztendlich heraus, dass man am besten mit dem öffentlichen Nahverkehrsbus von Oaxaca Stadt in das Dorf San Pablo Villa de Mitla fährt, um von dort aus mit einem Colectivo zum Hierve el Agua zu fahren. Die Colectivos sind eine Art Sammeltaxis, die von einem Ort zum anderen fahren und auf dem Weg immer wieder Leute einsammeln. Manchmal sind es normale PKWs, auf denen auch schon mal gerne fünf Menschen auf der Rückbank und zwei auf dem Beifahrersitz sitzen, mal sind es kleine Minivans und manchmal sind es auch Pick-Ups, bei denen man auf teilweise abenteuerlichen Konstruktionen auf der Ladefläche Platz nimmt. Wie wir es bereits aus San Lorenzo kennen, ist es auch hier wieder sehr schwer, genaue Infos zu finden, wo und wann genau der richtige Bus abfährt, um nach San Pablo Villa de Mitla zu kommen, das etwa 20 km vor unserem eigentlichen Ziel liegt. Wir holen uns noch bei einer Touristeninfo und unserem Vermieter weitere Informationen ein und hoffen nun den richtigen Bus, die richtige Zeit und den richtigen Abfahrtsort zu kennen. Da Jelka und Jakob diesen Ausflug auch noch geplant hatten, entscheiden wir uns gemeinsam zu viert dorthin zu fahren und treffen uns so am frühen Morgen am großen Busterminal, in der Hoffnung, dass der Bus auch tatsächlich von hier abfährt. Und es klappt. Irgendwie geht es dann doch immer. Auf uns wartet nun eine etwas längere Busfahrt in einem dieser alten kleinen Busse, die wir bereits von unseren zwei Ausflügen aus San Lorenzo gewohnt sind. Mit uns im Bus sitzen auch noch ein paar weitere Menschen, die offensichtlich touristisch unterwegs sind und so fühlen wir uns alle weniger allein und es bestätigt uns, dass wir wohl auf dem richtigen Weg sind. Angekommen im besagten Dorf, ruft der Fahrer des Busses irgendwann „Hierve el Agua“ und hält an. Das scheint wohl unser Halt zu sein. Denn es war auch nicht ganz eindeutig ersichtlich, wo genau wir hier nun aussteigen müssen, um eines der Colectivos zu bekommen. Dazu haben wir auch mehrere Informationen bekommen und uns dann aber gedacht, es wird schon irgendwie ersichtlich sein, wenn wir ankommen. Und wo Geld mit Touris zu machen ist, steckt hier auch meistens eine, auch wenn nicht immer ganz offizielle, aber gut gemachte Organisation dahinter. Die Menschen, die ihr Geld damit verdienen, dich als Tourist*in zu einer Attraktion zu fahren, wissen schon ganz genau, wo man ankommt und entsprechend wo sie dich abfangen müssen. So auch hier. Wir sind noch nicht mal ganz ausgestiegen, da ruft uns eine weitere Person „Hierve el Agua“ entgegen und erklärt uns, dass wir um die nächste Ecke gehen sollen. Dort wartet ein kleiner Junge auf uns, der uns in eine Art Garage führt, in der wir nun warten sollen. Wir hatten bereits gelesen, dass man manchmal hier etwas warten muss, bis das Colectivo voll ist, weil sie natürlich gerne jeden Platz besetzt haben wollen, damit sich die Fahrt auch lohnt. Aber bis jetzt sehen wir hier noch nicht mal ein Colectivo. Irgendwann kommt ein weißer Pick-Up mit einem Aufbau aus Planen auf der Ladefläche, vorgefahren. Eine mexikanische Familie steigt schnell vorne in das Fahrzeug ein und für uns bleibt nur noch die Ladefläche übrig. Eng eingepfercht, sitzen wir auf improvisierten Bänken links und rechts. Zwei Personen liegen auf dem Aufbau, der sich über dem Dach des Pick-Ups befindet und für zwei weitere werden Hocker in die Mitte der Ladefläche zwischen die Bänke gestellt, damit sie sich dorthin setzen können. Am Ende finden so sage und schreibe 14 Personen auf engstem Raum Platz. Nun könnte man meinen, die Fahrt dauert ja aber bei 20 km auch nicht so lang. Nun ja, Google Maps zeigt fast eine ganze Stunde über eine sich windende Straße durch die Berge an. Yippie. Der Fahrer des Colectivos kommt zu uns an die Ladefläche und gibt uns eine ausführliche Sicherheitseinweisung. Er deutet uns an, dass es sehr wichtig sei, dass wir uns anschnallen und an den dafür vorgesehen Haltegriffen festhalten, denn die Straße, die wir fahren ist unbefestigt, steil, mit sehr engen Kurven und am Rande der Straße geht es steil bergab. Er verschließt die Ladefläche, so dass niemand herausfallen könnte und los geht’s. Und so in etwa ist es überhaupt nicht abgelaufen. Dies ist in etwa die Vorstellung, wie es in Europa nun ablaufen würde. Hier etwa so: Anschnallgurte: Nope! Haltegriffe: Haha großes nope! Sicherheitseinweisung: Äh wofür? Aber immerhin kann man doch nicht herausfallen, oder? Haha und wie man es kann. Also zu mindestens, die Personen die auf der Bank ganz am Ende sitzen. Denn diese sitzen mit ihrem Hintern quasi über der Klappe der Ladefläche und es währe ein Einfaches, einfach rauszurutschen. Was allerdings stimmt, ist das der Fahrer noch mal zu uns kommt, aber lediglich, um das Geld für die Fahrt abzukassieren. Und die Beschreibung der Strecke stimmt auch, jedoch erfahren wir dies nicht vorab vom Fahrer, sondern sehen es mit eigenen Augen, als wir in die Berge fahren. Kurz nach der Abfahrt halten wir schon wieder an und eine weitere Person kommt an die Ladefläche. Wir müssen nun nochmal eine Gebühr bezahlen dafür, dass wir das Gebiet nun durchfahren. Auch dies wird wieder pro Person abgerechnet. Erstmal geht es nun durch ein kleines Dorf, in dem die Straße von Schlaglöchern gesäumt ist, als wäre hier ein Meteoritenschauer eingeschlagen. Aber durch die hervorragende Federung des Autos und diese ausgezeichnet gepolsterten Sitze gar kein Problem…… (Ich hoffe, dass die Ironie an dieser Stelle ausreichend klar wurde). Auf seltsame Art und Weise geben wir uns dieser ganzen Situation einfach hin und denken uns, wird schon irgendwie gut gehen. Tatsächlich sind wir schließlich nicht die ersten und tagtäglich werden hier Tourist*innen auf diese Weise hin und her gefahren. In Deutschland hätte man wahrscheinlich schon längst abgewunken und gesagt, dass man sich darauf nicht einlässt, aber hier geht es in der Normalität der Sache einfach unter. Ein kurzer Blick in die Zukunft: Jetzt wo ich den Text hier ein paar Monate später schreibe, kommt es mir auch albern vor, dass es damals ein so großes Ding gewesen ist. Denn wir werden im weiteren Verlauf unserer Reise noch so viele Dinge erleben und sehen, von denen wir niemals gedacht hätten, dass wir uns so einfach darauf einlassen. Aber oftmals ist es eben auch alternativlos. Entweder du nimmst es an oder kommst halt nicht dahin, wo du hinwillst. Und die USA, dass sich selbst gerne den Titel „Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ gibt, sollte diesen mal abgeben an viele andere Länder in Zentral- und Südamerika in denen es tatsächlich unbegrenzte Möglichkeiten gibt, Probleme und Herausforderungen zu meistern. Zurück ins jetzt. Wir kommen also nach einer guten Stunde holpriger Achterbahnfahrt, eingequetscht auf einer harten Holzbank (und gegenüber anderen bei uns, hatten wir noch First Class Sitze), an. Wieder einmal muss irgendeine Gebühr bezahlt werden, um irgendwo reinzukommen oder durchzukommen. Auch dies ein stätiger Begleiter, vor allem hier in Mexiko. Wenn man etwas unternimmt, wird man immer wieder zur Kasse gebeten. Hier noch eine Gebühr, da noch einen Parkplatz, dann noch Eintritt, die Fahrt usw.. Aber wir waren durch unsere vorige Recherche auch schon etwas vorbereitet darauf. Und jetzt, endlich, können wir auch das genießen, weswegen wir eigentlich hierhergekommen sind. Wir wandern zu viert ein wenig durch die Gegend, bestaunen die versteinerten Wasserfälle und die Aussicht, gehen in einem der Naturpools baden und gönnen uns zum Abschluss noch typisch mexikanische Imbisskost an einem der vielen Stände, die es hier gibt. Auch dies ist etwas, was wir in den nächsten Wochen immer wieder erleben. Wo es Tourist*innen gibt, gibt es auch immer Essen und Trinken. Seien es viele kleine Stände so wie hier, oder Menschen, die von einem kleinen Wagen oder Bauchladen etwas verkaufen, bis hin zu Verkäufer*innen, die mit ihren Waren durch die Busse laufen und diese versuchen an den Mann oder die Frau zu bringen. Die Rückfahrt ist nicht weniger spektakulär und abenteuerlich, aber jetzt für uns auch schon keine Überraschung mehr. Wir akzeptieren schnell, dass man hier mit allem rechnen muss. Und am Ende haben wir doch das bekommen, wofür wir bezahlt haben, wir sind heil dort angekommen, wo wir hinwollten. Können wir diesen Ausflug empfehlen? Definitiv! Und wer ein echtes Abenteuer erleben will und auf etwas Komfort verzichten kann, sollte sich diese Möglichkeit nicht entgehen lassen, denn am Ende fühlen wir uns, auf der Ladefläche dieses Pick-Ups, auch sehr frei und losgelöst von Regeln und Konventionen, die unser sonstiges Leben umgeben. Auf der Rückfahrt sitze ich diesmal direkt außen an der Kante der Ladefläche, halte mich fest, schaue den steilen Abhang hinab, über diese spektakuläre Landschaft und denke, dass es doch genau diese Momente, diese Abenteuer und auch diese Risiken sind, weswegen wir losgereist sind. Wir wollen erfahren, wie ein Leben außerhalb unserer so hoch regulierten und geschützten Welt in Deutschland aussehen kann. Ich schiebe die Sorgen, über die Fähigkeiten des Fahrers und den technischen Zustand des Fahrzeuges, beiseite, akzeptiere die Situation und genieße einfach nur das Freiheitsgefühl, während wir über die engen Serpentinen den Berg hinunterfahren und der Wind, die untergehende Sonne und der Geruch des Lebens mein Gesicht treffen. Und genau diese Akzeptanz ist etwas, was wir bereits gelernt und noch so viel intensiver lernen werden in den nächsten Monaten, die einem das Leben so viel einfacher und schöner machen kann. Die Akzeptanz schiebt viele Sorgen, schlechte Gedanken und negative Fragen bei Seite und lässt sie förmlich in Luft aufgehen. Was übrig bleibt ist ein reines Gefühl der Präsenz in der Gegenwart und sich an dem zu erfreuen, was außerhalb dieser ganzen Negativität liegt.
So müssen wir nun auch akzeptieren, dass unsere Zeit hier in Oaxaca zu Ende geht. Gleich am nächsten Tag verlassen wir die Stadt und steigen abends in einen Bus, der uns in etwa 12 Stunden durch die Nacht nach San Cristóbal de las Casas in der Provinz Chiapas bringen soll. Über diese Fahrt haben wir auch schon ein paar Dinge im Vorfeld gehört, die unsere Vorfreude jetzt nicht ins unermessliche steigern lässt. Es wurde berichtet von sehr anstrengenden, kurvigen Straßen, aber auch von Gangs die die Gegenden teilweise kontrollieren und man deswegen nur mit namentlich bekannten und guten Busunternehmen fahren soll. So entscheiden wir uns auch diesmal für eines der bekanntesten und besten Busunternehmen Mexiko´s: ADO. Als wir aus der Stadt hinausfahren, lassen wir die Eindrücke der letzten Tage noch mal ein wenig Revue passieren. Wir haben hier die wohl kulturell spannendsten, aufregendsten und schönsten Tage unserer Reise erleben dürfen.
Die Stadt die bleibt
Vor allem bleibt sie in Erinnerung. San Cristóbal de las Casas, oder wie die Einheimischen sie nennen „San Cris“, wird für uns zu einem Ort der Ruhe, Gelassenheit und noch lange unser Lieblingsort in Mexiko sein.
Die Busfahrt dorthin ist lang und anstrengend. Auch wenn die Sitze bequem sind und sogar für mich ausreichend Platz bieten, können wir lange Zeit nicht schlafen, weil sich die Straßen so extrem durch die Landschaft winden, dass man immer wieder von links nach rechts geschmissen wird. Selbst ich muss irgendwann bei diesen Straßenverhältnissen auf Reisetabletten zurückgreifen, um mir das Abendessen nicht nochmal durch den Kopf gehen zu lassen. Mitten in der Nacht halten wir dann auch noch in irgendeinem kleinen Dorf an und das Licht im Bus geht an. Ich muss sofort an die Geschichten der Gangs denken, die hier teilweise die Busse zum Anhalten zwingen, um die Passagiere auszurauben. Als dann aber ein Mann im weißen Hemd mit Klemmbrett hineinkommt, wird mir die Sorge genommen. Er geht einmal durch den ganzen Bus, schaut immer auf die Nummerierung der Sitzplätze und am Ende geht er auch nochmal durch beide Toiletten des Busses. Wie wir im Nachhinein erfahren, ist dies eine Standardprozedur, von dem Busunternehmen, die auf ihren langen Strecken regelmäßig kontrollieren, ob der Bus noch in einem guten Zustand ist. Was wir von anderen Reisenden, die die gleiche Strecke gefahren sind, gehört haben, lässt uns schon wieder aufhorchen. Sie erzählen, dass irgendwann uniformierte Polizei durch den Bus gekommen ist, und mit einer Kamera jedes Gesicht der Passagiere gefilmt hat. Der Grund dafür ist schon etwas unheimlich. Die mexikanische Regierung bekommt immer mehr Druck von anderen Ländern deren Menschen hier in Mexiko verschwinden. Und für den Fall, dass wieder jemand vermisst wird, filmen sie jedes Gesicht, um so im Nachhinein eingrenzen zu können, wann und wo sich die Person das letzte Mal befunden hat.
Es ist morgens früh, als wir an unserem Ziel ankommen. Sofort fällt uns diese auffällig kühle Morgenluft auf. Eine willkommene Erfrischung nach den letzten doch eher warmen und heißen Tagen. Unser Hostel hier ist wunderschön. Es besteht aus mehreren ebenerdigen, alten Gebäuden, die jeweils in Vierecke angeordnet sind. In der Mitte gibt es immer einen kleinen Hof, mit Brunnen, Hängematten oder sonstigen richtig gemütlichen Ecken, die zum Verweilen einladen. Unser Zimmer können wir noch nicht beziehen, aber dürfen netterweise das Frühstück genießen, dass hier zur Übernachtung dazu gehört. Eine kleine mexikanische Frau steht in der kleinen Küche und begrüßt uns mit einem herzlichen Lächeln. Sie fragt uns, wie wir gerne unser Ei hätten, das sie uns dann gleich darauf frisch zubereitet. Da wir uns erstmal von der Busfahrt erholen müssen, verbringen wir den Vormittag im Hostel und entscheiden, am Nachmittag die ersten Gegenden der Stadt zu erkunden.
San Cristobal ist eine wundervolle Stadt, durchzogen von engen Kopfsteinpflasterstraßen, die dominiert werden von farbenfrohen in warmen Gelb- Rot- und Blautönen gehaltenen, kolonialen Häusern mit roten Ziegeldächern, schmiedeeisernen Balkonen und blühende Innenhöfen. Die Straßen in der ganzen Stadt sind alle so eng, dass es ausschließlich Einbahnstraßen sind. Durch die klare kühle Luft und die umliegende Bergkulisse mit dichten Pinienwäldern, fühlt es sich so an, als wäre man in einem kleinen Bergdorf. Immerhin befinden wir uns hier auch auf einem 2.200 Meter hohem Hochplateau. Im Gegensatz zu Oaxaca, wirkt diese Stadt viel ruhiger, gesitteter und irgendwie entschleunigend. Es liegt eine alternative Stimmung in der Luft, die sich oft in der ansässigen Künstlerszene widerspiegelt. Obwohl auch hier viel Verkehr herrscht, so nimmt die Einbahnstraßenstruktur ein wenig den Verkehrsstress. Die Menschen wirken auch nicht so hektisch und man findet oft schon hinter der nächsten Ecke einen ruhigen Ort zum Entspannen. Wie wir auf einer Free Walking Tour, die wir leider erst in unseren letzten Tagen hier machen, erfahren, ist San Cristobal auch noch gar nicht lange, im Vergleich zu vielen anderen mexikanischen Orten, touristisch erschlossen. Und das merkt man in der Stadt. Auch wenn es bereits viele Restaurants, Cafés und touristische Angebote gibt, so herrscht ihr auch noch ein ganz eigener, teils indigener, Vibe. So verirren wir uns auch auf Märkte, auf denen wir offensichtlich die einzigen Touristen sind. Wie wir es schon kennen, sind auch diese Märkte eng und chaotisch, aber hier laufen viele Menschen in traditionellen Trachten rum, statt Spanisch hört man indigene Sprachen und der Markt quilt förmlich über vor Farben, Stoffen, Obst, handgemachten Textilien, Lederwaren und Speisen, die wir so vorher noch nie gesehen haben. Wir sehen Menschen, die lebendige Hühner an uns vorbeitragen und Kinder, die auf der Straße Waren anbieten. San Cristóbal ist ein Ort, der koloniale Schönheit mit indigenem Erbe, alternativer Kultur und spirituellem Tiefgang verbindet. Ein gleichzeitig ruhiger, aber auch energiegeladener Vibe liegt in der Luft, der auch uns länger hier halten wird, als wir es eigentlich geplant hatten.
San Cristóbal ist nicht nur eine wunderschöne Stadt, sondern auch das Zentrum indigener Kulturen, vor allem der Tzotzil und Tzeltal. Man kann von hier aus viele Ausflüge in kleine umliegende Dörfer machen, in denen man die Präsenz der indigenen Kultur noch deutlich mehr spüren soll, als hier schon. Ein sehr bekannter Ausflug ist der zum Templo de San Juan Bautista (die Kirche von Chamula) in einem kleinen Dorf in der Nähe. Hier werden regelmäßig Rituale praktiziert, die aus einer Mischung aus katholischen Symbolen und indigenem Glauben bestehen. Es werden Tiere, meist Hühner, geopfert und Schamane halten Heilrituale ab. Auch trotz dessen, dass uns viele Reisende begeistert aber auch etwas verstört davon berichteten, entscheiden wir uns dagegen diese Erfahrung zu machen. Irgendetwas daran fühlt sich für uns falsch an, diese Menschen wie in einem Zoo zu beobachten. Dazu kommt, dass wir momentan auch mal wieder ein bisschen Pause von Eindrücken brauchen und uns so die Tage mehr damit vertreiben, einfach ein bisschen durch die Stadt zu laufen und die Stimmung hier voll und ganz zu genießen.
Einen Ausflug möchten wir aber dann doch noch gerne machen. Auch eines der Highlights der Region, der Besuch des Cañón del Sumidero. Wir fahren etwa eine Stunde von San Cristóbal, bis wir die ersten Aussichtspunkte erreichen. Von hier oben haben wir bereits einen fantastischen Blick tief hinunter in den Cañón und die umliegende Landschaft. Es ist ein wenig stressig, da unser Fahrer uns immer nur eine kurze Zeit hier gibt, weil wir noch rechtzeitig ankommen müssen, an unserem Highlight dieser Tour. Alles ist mal wieder gut durchstrukturiert und wir werden von einer Person zur nächsten gereicht, bis wir irgendwann in unseren klobigen Rettungswesten in einem kleinen Boot Platz nehmen dürfen. Wir legen ab und fahren hinaus auf einen großen See, der von bewaldeten Bergen umgeben ist. Ein kurzer Stopp an einem Boot, das dort vor Anker liegt, wo zwei Frauen kalte Getränke und einige Snacks anbieten. Wie bereits erwähnt, dort wo Touristen sind, sind Snacks verkaufende Menschen meist auch nicht weit. Einige gönnen sich eine kleine Erfrischung und weiter geht es in Richtung des Cañóns. Am Anfang hält sich unsere Euphorie noch in Grenzen und wir lassen einfach mal alles auf uns zukommen. Wir erwarten kein spektakuläres Naturwunder, sondern eher eine nette Fahrt durch schöne Landschaften. Kurz darauf werden wir auch schon eines Besseren belehrt. Die Felswände werden immer höher und wir befinden uns zwischen teilweise 1000 Meter hohen Kalksteinwenden mit einer üppigen Vegetation. Tropische Regenwälder entlang des Ufers, in dem sich Krokodile, Affen und hunderte exotische Vögel tummeln. Der Cañón erstreckt sich über 25 km und so dauert die gesamte Bootsfahrt ganze zwei Stunden. Etwas, das uns sprachlos hat werden lassen, ist ein ganz besonderer Wasserfall. Er wird „Árbol de Navidad“, also Weihnachtsbaum, genannt und ist sowohl geologisch als auch visuell ein eindrucksvolles Naturwunder. Das Wasser fließt hier über eine massive Kalksteinterrasse, deren Ablagerungen über Jahrtausende eine stufenartige bis fächerartige Struktur gebildet haben, mit „Ästen“ und „Girlanden“ aus Kalk. Die grünlich-gelbe Farbe der Ablagerung, zusammen mit den heruntertropfenden Wasserfäden wirkt wie der namensgebende Weihnachtsbaum. Unser Bootsführer manövriert dabei das Boot nicht nur ganz in die Nähe des Wasserfalls, sondern genau darunter. Wir blicken hoch und was wir dort sehen, ist eine Mischung aus Avatar und Herr der Ringe. Ein unfassbarer Anblick bietet sich uns und im Boot wird es durch die Erhabenheit des Momentes totenstill. Niemand sagt ein Wort, weil es uns allen die Sprache verschlagen hat. Über uns ragt diese grüne Kalksteinwand mit den herausragenden grünbewachsenden Fächern hunderte Meter in die Luft. Der Himmel strahlt im Kontrast hellblau und die Sonne, die hoch oben überm Cañón steht, bringt die Wassertropfen auf ihrem Weg hinunter zum Glitzern. Das Wasser fängt weit oben schmal an runterzulaufen und verteilt sich auf dem Weg nach unten in der immer breiter werdenden Struktur des Weihnachtsbaumes. Dadurch verwandelt sich das Wasser immer weiter in leichtere und sanftere Wasserfäden, die über die Fächer fließen und auf den darunterliegenden Stufen landen. Auf den Stufen entsteht ein feiner Wassernebel, der durch das Sonnenlicht zum Leuchten gebracht wird und der ganzen Atmosphäre eine Magie verleiht dessen Beschreibung Traumwelt wohl nicht ganz gerecht wird. Auch wir im Boot bekommen ein bisschen was von diesem leichten Wassernebel ab und es fühlt sich so herrlich erfrischend und lebendig an. Auch die restliche Tour durch den Cañón erinnert uns oft an Kulissen aus epischen Fantasyfilmen. Irgendwann ändert sich die Vegetation von den tropischen Regenwäldern zu einer eher Kaktus dominierten Landschaft und kurz darauf verlassen wir den Cañón auch schon wieder. Dies war eine Erfahrung, die wir sicherlich auch nie wieder vergessen werden. Das Beste daran war, dass sie so unerwartet kam. Wir haben vorher nie von diesem Cañón gehört und international ist er auch nicht wirklich bekannt, aber er bietet ein Naturwunder, das seines Gleichen sucht. Auf der Rückfahrt, gemeinsam mit den anderen Reisenden, lernen wir auch noch etwas über eine Allergie, was uns wirklich schockiert. Kurz vor der Abfahrt, sitzen die meisten von uns schon im Bus und wir warten nur noch auf zwei weitere Teilnehmerinnen. Eine aus unserer Gruppe, sitzt ganz vorne und hat sich auf dem örtlichen Marktplatz ein süßes Getränk in einem Pappbecher gekauft, auf dem einige Erdnüsse, als Deko liegen. Sie redet mit ihrer Freundin gerade über die Erdnüsse, auf Spanisch, als eine Britin, die in der hintersten Reihe sitzt, plötzlich ruft: „Wenn ihr da Erdnüsse habt, könnt ihr sie bitte nicht aufmachen und bitte nicht essen!“ Etwas verwundert drehen sich die Beiden von der vordersten Bank um und sagen, dass die Erdnüsse einzeln obendrauf liegen. Daraufhin bittet die Britin uns, die Schiebetür aufzumachen, um frische Luft hereinzulassen. Auch Lara und ich sind verwundert über diese Reaktion, denn schließlich liegen zwischen den beiden bestimmt zwei Meter, und deswegen kommen wir nicht drum herum, sie zu fragen, was es mit ihrer Allergie auf sich hat und wie schlimm ihre sie ist. Sie erklärt uns dann, dass ihre Erdnussallergie so schlimm sei, dass wenn jemand in einem geschlossenen Raum Erdnüsse öffnet oder isst, sie die Auswirkung davon spüren kann und das teilweise extrem. Wir sind schockiert, denn uns war bewusst, dass es Erdnussallergien gibt, dass Menschen ernsthafte Probleme bekommen können, wenn sie zum Beispiel jemanden küssen, der Erdnüsse gegessen hat, aber dass sich das so über die Luft übertragen kann, ist uns neu. Weiterhin erzählt sie uns, dass wenn sie fliegt, sie jedes Mal das Flugpersonal darum bitten muss, eine Durchsage zu machen, dass bitte niemand während des Fluges Erdnüsse öffnet. Wirklich erstaunlich, wie extrem diese Allergie sich auswirken kann und wie sensibel einige Menschen darauf reagieren können. Wir haben höchsten Respekt davor, dass sie sich davon aber nicht kleinkriegen lässt und trotzdem so viel um die Welt reist, immer begleitet von einem so genannten Epi-Pen, einem Adrenalin-Injektor, der bei einer starken allergischen Reaktion leben retten kann. Mit einer so interessanten Information und unglaublichen Eindrücken des Tages, fahren wir zurück nach San Cristóbal.
Aus unseren ursprünglich geplanten drei Tagen hier, wird nun eine ganze Woche und unsere letzte Station in Mexiko, bevor es nach Guatemala weiter geht. Wir genießen die Tage in der Stadt und im Hostel sehr und lernen durch die Walking Tour auch noch ein paar Leute kennen, mit denen wir auch noch ein bisschen das Nachtleben hier erkunden können. Auf der Walking Tour probieren wir auch noch eine weitere alkoholische Spezialität der Region Chiapas, den Pox (gesprochen: Posch). Pox ist ein aus Mais hergestellter Schnaps, der in der Maya Kultur, dieser Region, fest verankert ist. Das Wort Pox kommt auch aus der Maya Sprache und bedeutet so viel wie „Medizin“ oder „Heilung“. Übrigens, ein Wort, das uns hier im Alltag auch häufig begegnet, ist das Wort „Kolaval“, auf Deutsch „Danke“. Dieses Wort aus dem Maya-Tzotzil (der Sprache der hier ansässigen Mayas), hat das „Gracias“ fast verdrängt aus dem alltäglichen Sprachgebrauch. Eine Sache, die wir hier auch noch lernen, schockiert uns allerdings. Wir erfahren, dass Coca-Cola sich so eingebrannt hat in die mexikanische Kultur, das es teilweise schon in traditionellen Ritualen seinen Platz gefunden hat. Es gab hier in Chiapas, was die ärmste Region des Landes ist, eine Zeit, da hat eine, sich hier ansässige, riesige Coca-Cola Fabrik so viel Frischwasser verbraucht, dass die Preise für Trinkwasser stark angestiegen sind. Bis zu einem Punkt, an dem Cola günstiger als Wasser war. Dadurch haben viele Mexikaner*innen, statt sich das teure Wasser zu kaufen, literweise Cola gekauft. Und auch heute noch ist es bei vielen Gang und gebe mindestens einen Liter Cola am Tag zu trinken. Coca-Cola ist nach wie vor ein Statussymbol.
MEXIKO FAZIT
Haben sich die Klischees über Mexiko erfüllt?
Nein, definitiv nicht alle, aber überraschend viele. Wir haben Mariachi Bands höchstens am Día de los Muertos gesehen, Sombreros hat hier auch niemand getragen und Ponchos sind heutzutage wohl eher ein schickes Modeaccessoires. Aber Mexiko ist wirklich so bunt, laut, fröhlich und surreal, wie es oft beschrieben wird. Tatsächlich gibt es an fast jeder Ecke Tacos und den berühmten Tequila findet man hier auch häufig an. Wir haben aber auch Mexikaner*innen getroffen, die Tacos oder Tequila gar nicht mögen.
Ist das Essen wirklich so gut, wie es immer alle sagen?
Ja, definitiv. Auch wenn es sehr Maisprodukt lastig ist, ist es so unfassbar vielfältig und unglaublich lecker. Manchmal war es schwer für Lara eine vegetarische Alternative zu finden, aber irgendwas konnten sie dann doch immer aus Bohnen, Avocado und Käse zaubern. Mexiko hat auch regional große Unterschiede in der Kulinarik, dass es jedes Mal aufregend ist, an einen neuen Ort zu kommen. Mein Lieblingsessen ist definitiv der Taco, herrlich einfach gehalten und man kann für kleines Geld sich mal eben einen oder zwei Tacos holen und ein kleines Hüngerchen stillen.
Ist Mexiko gefährlich?
Es gibt sicherlich Gegenden hier in Mexiko, die es als Tourist zu vermeiden gilt. Bandenkriminalität und die Drogen Kartelle sind nach wie vor vorherrschend in manchen Regionen, so dass die Polizei kaum Chancen hat, gegenanzukämpfen. Immer wieder kommt es in Mexiko zu schrecklichen Anschlägen auf Menschen, die sich den Kartellen in den Weg stellen. Erst kurz vor unserer Ankunft in San Cristóbal wurde hier auf offener Straße ein Priester, der sich stark gegen Kartelle engagiert hat, geköpft. Bleibt man aber außerhalb bestimmter Gebiete und hört auf die Ratschläge der Einheimischen, hat man hier ein sehr sicheres Reisegefühl. Es gab für uns in den vier Wochen nicht eine einzige Situation, in der wir uns unwohl oder unsicher gefühlt haben (auch wenn uns Geld im Hotel geklaut wurde, aber da waren wir schließlich nicht in Gefahr).
Konnte Mexiko uns das geben, was wir erhofft haben?
Definitiv zu 100%! Wir haben uns lange eine richtige Kultur, spannende Geschichte, tolle regionale Küche und einen Vibe gewünscht, der mal ganz anders ist, als das was wir aus Europa kennen. Kanada und USA sind halt stark europäisch beeinflusst und somit weicht das Leben in den Ländern nur geringfügig von dem in Europa ab. Mexiko hingegen hat uns in vielerlei Hinsicht neue Lebensweisen und Dinge gezeigt, die wir so vorher nicht für möglich gehalten haben. Des Weiteren wurde uns hier ein Lebenstraum nicht nur erfüllt, sondern die Erwartung daran völlig übertroffen.
Wie sind die Mexikaner*innen so?
Herzlich, willkommend, lebensfroh und fröhlich beschreibt es wohl am besten. Ständig wurden wir mit offenen Armen empfangen, die Menschen lächelten uns mit einem breiten Grinsen an und zeigten uns, dass sie glücklich darüber sind, ihre Kultur mit uns zu teilen. Wir lieben die lebensfröhliche Art und dass immer irgendetwas gefeiert wird. Überall läuft fröhliche, laute Musik und die bunten Häuser machen selbst das ärmste und kleinste Dorf zu einem fröhlichen Ort.
Womit hat uns Mexiko überrascht?
Mit der Vielfältigkeit seiner verschiedenen Regionen. Wir hätten vorher nie gedacht, dass sowohl die Kulinarik als auch die Landschaft so divers sein wird. Jede Stadt und jeder Ort haben ihren ganz eigenen Reiz und es gibt immer wieder neue kulturelle Dinge zu lernen und erleben. Auch die vielfältige indigene Kultur, von denen wir vorher maximal Mayas und vielleicht noch Azteken kannten, mit all seinen kleinen Nuancen und unterschiedlichen Ritualen oder Traditionen ist sehr bemerkenswert. Und auch, wenn die Surrealität von Mexiko bekannt ist, hat es uns überrascht, wie extrem sich diese zeigt. Unglaubliche Gegensätze existieren hier direkt nebeneinander.
Würden wir nochmal nach Mexiko kommen?
Abgesehen von einem weiteren Besuch in Mexiko in ein paar Wochen, der schon fest geplant ist, möchten wir irgendwann auf jeden Fall noch mal wieder hierherkommen. Das Land ist riesig und es gibt noch so viel mehr zu entdecken als das bisschen, was wir in den vergangenen vier Wochen gesehen haben. Und außerdem müssen wir mit einem leeren Koffer wiederkommen, um durch ganz Mexiko zu fahren und überall die schönsten Kunststücke einzupacken.