LET'S SEE THE SEA IN THE EAST
Wir fahren los aus St. Gabriel Rimouski. Dankbar für eine schöne Zeit mit wundervollen Menschen und Tieren, die wir dort kennenlernen durften. Menschen von denen wir wieder neue Eindrücke für unser eigenes Leben mitnehmen dürfen. Wieder einmal merken wir, was so unfassbar toll, aber auch so unfassbar traurig am Reisen ist. Man trifft unglaublich tolle Menschen, inspirierende Menschen, herzensgute Menschen, Menschen die einen stärken und neue Sichtweisen auf das Leben geben können, Menschen die einem zeigen, wie unterschiedlich und doch gleich man ist. Aber der Sinn des Reisens ist es weiterzuziehen und somit auch diese wundervollen Menschen und neue Freunde zurückzulassen. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass sich die Wege irgendwann noch einmal kreuzen und es ein Wiedersehen gibt. Was man mitnimmt, sind viele Lehren für das eigene Leben. Diese Eindrücke sind die größten Gepäckstücke, die sich auf so einer Reise ansammeln. Dies sollten aber auch nicht die letzten schönen „zufälligen Begegnungen“ sein, wie wir im weiteren Verlauf unserer Reise noch feststellen werden. Den Begriff der „zufälligen Begegnung“ haben wir übrigens von unserem französischen Freund Yvan aus Montreal übernommen. Dieser sagte zu uns nämlich, dass wir sein „best random encounter ever“ seien. Wir finden diesen Begriff sehr passend und schön, denn dass ist genau das, was die meisten Treffen auf so einer Reise sind. Zufällige Begegnungen.

La Gaspésie
Unser Weg führt uns weiter um die Halbinsel Gaspésie. Eine wunderschöne Straße schlängelt sich außen an der Halbinsel entlang. Auf der rechten Seite grün bewachsene Berge und hohe steile Felswände auf der linken Seite das tiefblaue Wasser des Sankt-Lorenz-Stroms, das gegen die felsige Küste knallt. Der Strom, also quasi der sehr breite Fluss, ist hier bereits so breit, dass man das Ufer der anderen Seite nicht mal mehr erahnen kann. Es fühlt sich bereits an, wie am Meer zu sein. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Teilweise ist die Straße eine Herausforderung für uns und vor Allem Mausi. Es geht steil bergab und wieder steil bergauf. Eine scharfe Kurve hier und Serpentinen dort. Die größte Steigung, die wir meistern müssen, liegt bei 17%, aber sowohl wir, als auch Mausi meistern diese Straßen ganz hervorragend. Je weiter wir der Straße um die Halbinsel folgen und umso kleiner die Städte und Dörfer werden, die wir durchqueren, desto öfter stellen wir wieder fest, dass die englische Sprache in diesem vermeintlichen zweisprachigen Kanada nicht immer gegeben ist. Da aber selbst das Französisch hier, teils nur wenig mit dem in der Schule gelernten Französisch zu tun hat, müssen oft unsere Hände herhalten, um uns zu verständigen. Aber irgendwie klappt es am Ende dann doch immer. Nach einer Übernachtung auf einem kleinen Parkplatz direkt am Wasser, ist der Forillon Nationalpark unser nächster Zwischenstopp auf der knapp 700km langen Strecke um die Gaspésie Halbinsel. Wir kommen im Visitor Center an und stärken uns mit einem kleinen Snack und einem Kaffee. Währenddessen überlegen wir, ob wir heute noch eine Wanderung machen sollen, um dann abends noch weiterzufahren. Von den steilen und kurvigen Straßen sind wir beide aber ziemlich kaputt und entscheiden uns eine Nacht im Nationalpark zu übernachten um am nächsten Tag, ausgeschlafen und erholt wandern zu gehen. Da wir uns noch mitten in der Ferienzeit befinden, sind viele Plätze, vor allem die beliebten Campingplätze in den Nationalparks, oft schon stark ausgebucht. Leider ist dies auch etwas, was uns bei unserer spontanen Art zu Reisen manchmal vor einer Herausforderung stellt, da wir nicht lange im Voraus planen und so eher sehr kurzfristig nach freien Stellplätzen suchen. Doch wir haben Glück, denn es sind noch wenige freie Plätze auf dem Campingplatz frei. Einer davon für uns. So machen wir es uns dort gemütlich. Ich hänge die Hängematte für Lara auf und fange an das Feuerholz für unser Lagerfeuer vorzubereiten. Um den Tag nicht ganz ohne Bewegung zu beenden, gehen wir abends noch zum Strand und holen uns auf dem Weg im Visitor Center noch Bier aus einer lokalen „Mikrobrauerei“. So lassen wir den Abend mit einem Bierchen am Strand beim Sonnenuntergang ausklingen und springen auch nochmal ins Wasser. Ohne zu wissen warum genau, merken wir, dass hier das erste Mal ein richtiges Freiheitsgefühl in uns aufkommt. Wir können so richtig loslassen und einfach nur im Moment sein. Zurück am Van stellen wir fest, dass unsere Gasflasche leer ist und somit der Herd wohl kalt bleiben muss. Also kochen wir ganz „Outdoor-like“ auf dem Lagerfeuer ein paar Nudeln mit Tomatensauce. Das Lagerfeuer spielt beim Campen in Kanada eine große Rolle. Auf fast allen Campingplätzen, befindet sich auf jedem Platz eine Feuerschale und das Feuerholz gibt es meistens direkt am Campingplatz Kiosk. Auch für uns ist es mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Kanada Abenteuers geworden. Wenn wir nach einem Tag voller neuer Eindrücke und Erlebnisse, abends dann am Lagerfeuer sitzen, gute Gespräche führen, schöne Musik hören und vielleicht auch ein kleines Gläschen Wein trinken, ist unsere Welt für einen Moment lang perfekt. Und natürlich darf ein guter, über dem Feuer gegrillter, Marshmallow dabei nicht fehlen. Am nächsten Morgen machen wir uns auf, um den 8km langen „Les Graves Trail“ zum Land´s End zu wandern. Es geht über einen Steinstrand, vorbei an einer Klippe, unter einem Baum durch der sich dort verzweifelt mit seinen Wurzeln festkrallt, hoch durch einen Wald mit schmalen steilen Wegen, über Wiesen mit Büschen und Blumen und wieder durch einen Wald. Immer wieder mit atemberaubender Aussicht über das Wasser. Angekommen am Leuchtturm des Land´s End, machen wir eine kurze Pause, lesen etwas über die Geschichte der Leuchtturmwärter, beobachten die Schiffe auf ihrem Weg durch den Sankt-Lorenz-Golf und laufen wieder zurück zum Startpunkt unserer Wanderung. Anschließend fahren wir weiter in Richtung Percé. Wir machen einen kurzen Zwischenstopp in Gaspé um dort in einer versteckten Bucht direkt an der Stadt kurz ins Wasser zu springen um uns zu erfrischen. Kurz vor Percé stoßen wir am Abend, auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz, auf eine kleine süße Herberge, die Stellplätze für Camper auf einer Wiese anbietet. Wir beschließen, den Tag schön ausklingen zu lassen und gehen in das Restaurant der Herberge. Nagut, vielleicht haben wir auch einfach keine Lust zu kochen. Aber auch diese Entscheidung sollte uns wieder zu einer neuen wundervollen „zufälligen Begegnung“ führen. Denn dort lernen wir die Kellnerin Francoise kennen, die uns im Laufe des Gespräches erzählt, dass sie zum First Nation Volk der Wendake in der Nähe von Quebec City gehört. Sie sagt uns auch, dass viele Menschen im ersten Moment gar nicht denken, dass sie eine First Nation Angehörige ist, da sie ja überhaupt nicht so aussieht. Und Ja, wir müssen zugeben, diesen Gedanken hatten auch wir leider. In diesem Moment sind wir von uns selbst erschrocken und lernen aber auch gleichzeitig wieder, dass auch wir nicht frei von Rassismus sind und noch einiges lernen können.
Kurzer Einschub zum Thema First Nations bzw. der Indigenen Völker in Kanada:
Von Anfang an unserer Reise in Kanada, versuchen wir uns mit dem Thema „First Nations in Kanada“ auseinanderzusetzen und viel darüber zu lernen. Es gibt auf der einen Seite so viel Schreckliches, was damals hier im Umgang der eingewanderten Europäer mit den Ureinwohnern passiert ist, wie z.B. das Thema der „Residential Schools“. Wir waren geschockt zu erfahren, wie lange es diese Institutionen der Residential Schools noch gab (1996 wurde die letzte geschlossen) und wie viele und vor Allem wie sehr Indigene Menschen darunter gelitten haben (bewusstes Fernhalten von indigenem kulturellem Einfluss und der Muttersprache der Indigenen, physische und psychische Gewalt, sexueller Missbrauch bis hin zu massenhaften Tötungen). Die Folgen dieser Zeit sind bis in die heutigen Generationen zu spüren.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch so vieles, was wir aus der traditionellen Lebensweise der Indigenen Menschen lernen können, wie z.B. das Leben im Einklang mit der Natur, die Rolle der Frau und der Kinder, der Respekt zu den Älteren und Vorfahren oder die Handwerkskunst. Vieles, was wir auf unserer Reise durch das Land lernen, öffnet uns die Augen und sind teilweise richtige „AHA-Momente“. Es sei an dieser Stelle auch kurz erwähnt, dass unter den Begriff der „First Nations“ nicht alle Ureinwohner Kanadas zählen. Hiervon ausgenommen sind die Métis (Nachkommen der Cree und Europäern) und die im Norden lebenden Inuit. Möchte man alle Ureinwohner einschließen, werden in öffentlichen Schriften die Begriffe First Peoples oder Aboriginal Peoples verwendet. Wir verwenden auch gerne den Begriff „Indigenous People“ welcher auch alle Ureinwohner miteinschließt und mittlerweile als gebräuchlich im Sprachgebrauch gilt. Bei über 600 verschiedenen indigenen Völker mit über 50 verschiedenen Sprachen ist es Alles in Allem ein viel zu umfangreiches Thema, um es hier in einem kurzen Beitrag zu beschreiben. Glücklicherweise gibt uns auch unsere weitere Reise viele weitere Chancen mit dem Thema in Berührung zu kommen und viel zu lernen und mit sehr interessanten Menschen in Kontakt zu kommen. Auch wir haben bis heute noch lange nicht alles gesehen oder gelernt, was es darüber zu lernen gibt. Nur so viel, es macht uns teilweise echt sehr traurig zu sehen, was unsere europäischen Vorfahren vor hunderten Jahren hier angerichtet haben. Aber es ist auch schön zu sehen, dass es hier in ganz Kanada immer mehr thematisiert wird und die Rolle der Indigenen Völker immer ernster genommen wird, bzw. immer sichtbarer wird. Aber auch Kanada hat unserer Meinung nach noch einen langen Weg zu gehen um die Fehler aus der Geschichte wieder aufzuarbeiten. Wenn das überhaupt möglich ist…
Auf der Gaspésie Halbinsel befinden wir uns übrigens auf dem Gebiet der Mi´gmaq.
Zurück zu Francoise. Sie erzählt uns von ihrer Familie und vor Allem ihrem Großvater, der 2 Stunden von Quebec City entfernt, mitten in der Natur wohnt. Man kommt nur mit dem Kanu oder im Winter mit den Skiern zu seinem Haus. Sie schwärmt von der besonderen Verbindung zu ihm, da er sagt, Francoise hätte die Seele der Großmutter in sich. Sie spricht aber auch von ihren negativen Erfahrungen und es ist schlimm zu hören, dass sie erst noch vor einer Woche zu hören bekommen hat „Dann geh doch zurück in dein Tipi“. Francoise ist, aus ihrer heute lebenden Familie, auch die erste Generation, die keine sexuelle Gewalt erfahren hat. Denn sowohl ihre Eltern als auch Großeltern sind alle Opfer bzw. Überlebende der Residential Schools. Dieses Trauma ist aber dennoch auch in Francoises Generation stark zu spüren. Es ist eine inspirierende Erfahrung mal mit jemandem so locker darüber zu sprechen und wir sind sehr dankbar, dass Francoise so offen mit uns darüber geredet hat. Aber auch sie ist immer sehr glücklich, wenn sie Menschen trifft, die ein ernsthaftes Interesse daran zeigen.
Am nächsten Tag kommen wir in Percé, einem kleinen maritimen Städtchen and der Ostküste, an. Von hier aus soll man einen phänomenalen Blick auf eins der Wahrzeichen Kanadas haben (auch wenn wir bis dahin nicht wussten, dass das ein Wahrzeichen Kanadas ist). Doch heute…. Nichts außer dichtem Nebel der über der Stadt liegt. Wir informieren uns über mögliche Aktivitäten, wie z.B. die Insel „Ile Bonaventure“, die man von hier aus besuchen kann oder Wanderungen im Géoparc. Da es nachmittags aber auch noch anfängt zu regnen, bleibt es doch nur bei einem Kaffee und Tee in einem Café. Betrübt von dem Wetter überlegen wir, ob wir weiterfahren sollen. Aber irgendwie sagt uns unser Gefühl dann doch, dass wir eine Nacht in Percé bleiben sollten, um dann zu gucken wie das Wetter nächsten Tag wird. Wir verbringen den Abend im strömenden Regen in Mausi und versuchen den Regen einfach auszusitzen. Es regnet mittlerweile sehr stark und unsere Stimmung ist dementsprechend gedrückt. Nächsten Morgen sieht aber alles schon wieder ganz anders aus. Der Regen hat aufgehört und die Sonne kommt ab und zu auch zwischen den Wolken hervor. Wir verlassen den Camper und wundern uns erst über die Insel, die auf einmal zu sehen ist. Wir realisieren, dass das die „Ile Bonaventure“ ist, die gestern einfach komplett vom Nebel verschluckt wurde. Auch das vermeintliche Wahrzeichen, der Kalksteinfelsen „Rocher Percé“, ist heute sehr gut zu sehen. Wir entscheiden uns zum Géoparc zu fahren, um ein bisschen Wandern zu gehen. Das stellt sich als sehr gute Entscheidung heraus. Wir wandern durch die Wälder eines kleinen Berges des Appalachen Gebirges. Gespickt mit so unterschiedlicher Vegetation, dass es uns teilweise den Atem raubt und den gestrigen Regentag schnell vergessen lässt. Wir wandern vorbei an vertrockneten aschgrauen Bäumen und Büschen, biegen um eine Ecke und laufen durch eine Allee aus Birken. Etwas weiter kommt man durch den „Magic Forest“ mit seinen verdrehten, sich windenden Bäumen und Sträuchern. Ein Bild wie in einem Fantasy Film. Ein kleiner Weg hoch und es geht durch einen natürlich gewachsenen Baumbogen vorbei an einer kleinen Grotte und weiter zu einem Wasserfall. Ab und zu genießen wir einen phänomenalen Blick auf das Wasser und den „Rocher Percé“. Zurück in Percé, bekommen wir noch ein kleines Konzert direkt am Wasser, essen ein Eis und genießen noch ein paar Sonnenstrahlen. Ein Tag der zeigt, wie viel es wert ist, wenn man sich die Zeit nehmen kann an einem Ort einfach mal auf besseres Wetter zu warten. Am Abend geht es noch weiter für uns nach New Brunswick, der nächsten Provinz Kanadas.

New Brunswick
Spät abends kommen wir bei Walmart in Campbellton an, um dort die Nacht zu verbringen (die meisten Walmarts hier in Kanada dulden eine Übernachtung in einem Camper auf ihrem Parkplatz. Teilweise standen wir zusammen mit bis zu 15 anderen Campern über Nacht auf dem Parkplatz). Wir freuen uns, denn die Menschen sprechen endlich wieder Englisch. Es ist zwar auch bisschen dämlich, aber zu wissen, dass man wieder vollumfänglich mit allen Menschen kommunizieren kann, ist schon ein schönes Gefühl. Am nächsten Tag, nach einem kurzen Geburtstagsanruf nach Hause, geht es weiter Richtung Osten. New Brunswick ist… naja… langweilig, denken wir. Was aber auch an den wundervollen Eindrücken der Gaspésie liegen könnte. Nach einer so eindrucksvollen Natur wie dort, ist New Brunswick leider doch echt ein bisschen langweilig. Aber unser Eindruck sollte sich im späteren Reiseverlauf auch nochmal ändern. Südlich von Bathurst finden wir einen Übernachtungsplatz an den wunderschönen Pabineau Falls (Aha New Brunswick kann also doch auch schön). Wir parken mit Mausi auf den Felsen direkt an den Stromschnellen und gehen mal wieder Baden in der Wildnis. Ein Gefühl, dass unbeschreiblich ist. Eine Dusche? Nicht nötig, wenn man alle paar Tage mal in einen See, Fluss oder das Meer springen kann. Wir bleiben die Nacht hier und planen am nächsten Tag zu einem Cultural Center der Mi´gmaq First Nation zu fahren, um der Geschichte und Tradition noch ein Stück näher zu kommen. Lara hat bei Google Maps eine Route gefunden, die uns über kleine Straßen durch das Landesinnere dorthin führen sollte. Und was soll man sagen… manchmal ist Google Maps wohl auch nicht die beste Option. Wir fahren los auf einer asphaltierten Straße, bis es irgendwann rechts abgeht auf eine Schotterstraße, was aber auch nichts Ungewöhnliches ist hier in Kanada. Die Schotterstraße ist relativ gut ausgebaut (keine gefühlten 5 Meter tiefen Krater), relativ breit und ab und zu kommt auch nochmal Gegenverkehr. Langsam wird die Schotterstraße immer kleiner und ist immer schlechter ausgebaut. Irgendwann gibt uns Google Maps wieder vor, links abzubiegen in einen schmalen Waldweg. Der Weg erreicht schnell die Breite, dass wir mit dem Van gerade noch genau durchpassen. Es geht durch große tiefe Pfützen (zum Glück hat so ein T3 eine große Bodenfreiheit) vorbei an teilweise umgestürzten Bäumen. Auch wenn es schon kaum mehr möglich ist, wird der Weg immer schmaler und es ist nur noch ein Weg, der aus zwei Spurrillen besteht mitten im Wald. Wir machen uns langsam Sorgen, ob das hier das Richtige ist, für ein 40 Jahre altes Auto, aber fahren erstmal noch weiter. Achja Handyempfang haben wir natürlich auch schon längst nicht mehr und die letzten Menschen, die wir gesehen haben, sind auch schon eine ganze Weile her. Und seit wir das erste Mal auf die Schotterstraße abgebogen sind, sind mittlerweile so 1,5-2 Stunden vergangen. Wir schauen uns die Strecke auf Google Maps nochmal an und stellen fest, dass die „Straßen“ im weiten Verlauf sogar noch enger und schwieriger werden. Kurz darauf ist dann unsere Abenteuerreise auf diesem Waldweg auch vorbei. Ein großer umgestürzter Baum versperrt uns den Weg. Vorbeikommen oder den Baum aus dem Weg zu räumen (und ja, wir haben es versucht) ist keine Option. Naja und mit dem Auto wenden natürlich auch nicht. Also geht es im Rückwärtsgang viele Meter zurück, wo endlich eine kleine Stelle kommt, wo wir in mehreren Zügen wenden können. Es reicht uns, wir fahren zurück. Es wird nicht besser und die Gefahr hier liegen zu bleiben wird uns zu hoch. Also fahren wir die 1,5-2 Stunden wieder ganz zurück bis zur asphaltierten Straße und entscheiden uns das Cultural Center auszulassen und uns auf den Weg zum nächsten Nationalpark and der Küste New Brunswicks zu machen. Im Nachhinein wird uns bewusst, was für ein dummes Risiko wir da eingegangen sind. Mitten im Nichts, ohne Handyempfang und wenn das Auto liegen geblieben wäre, hätte man uns da nicht so einfach rausbekommen. Aber es war ein Abenteuer, von dem wir wohl noch lange berichten werden.
Kuttschiebuquack oder so ähnlich spricht man unser nächstes Ziel aus. Der Kouchibouguac Nationalpark an der Nordküste von New Brunswick. Es ist keiner dieser spektakulären atemberaubenden Nationalparks. Die Natur hier erinnert teilweise an die Küste der deutschen Nordsee und die Moore des Schleswig-Holsteinischen Inlandes. Auch ist es weniger ein Ziel für Wanderer (als welche wir uns mittlerweile natürlich definieren 😉) sondern ein Paradies für Radfahrer. Dennoch entscheiden wir uns wieder mal eine kurze Pause einzulegen und buchen uns zwei Nächte auf dem Campingplatz des Nationalparks ein. Wir nutzen die Zeit weniger, um neue Eindrücke zu bekommen sondern die bisherigen Eindrücke zu verarbeiten. Die Hängematten werden wieder aufgehängt und natürlich das Feuerholz für das abendliche Lagerfeuer vorbereitet. So verbringen wir die zwei Tage hauptsächlich an unserem Camper in der Hängematte. Um uns herum können wir 3 Squirrel (von uns liebevoll Alfreds genannt) beobachten wie sie sich jagen und miteinander spielen. Es ist einfach richtig schön zwischendurch mal so runterzukommen. Ein kurzer Spaziergang zum Strand endet schnell wieder, nachdem wir von tausenden Mücken attackiert werden. Da hilft selbst die gute kanadische Antimückencreme nichts mehr. Also schnell zurück und das Lagerfeuer anmachen. Wir sind Mücken ja hier in Kanada mittlerweile gewohnt und mal sind mehr, mal weniger da, aber das war wirklich rekordverdächtig. Kouchibouguac soll dann auch unser letzter Halt hier in New Brunswick (übrigens engl. für Neu Braunschweig) sein.

Es geht weiter in die nächste Provinz:
P.E.I. (Prince Edward Island)
Oder ”Abegweit” (in manchen Überlieferungen auch „Epekwitk“), wie es die Mi´kmaq First Nation ursprünglich genannt haben. Es bedeutet so viel wie „Das Land, das von den Wellen gewiegt wird“. Wir überqueren die Confederation Bridge und fahren gleich in den Nord-Westen der Insel. Mit einem kleinen Zwischenstopp zum Eisessen erreichen wir das North Cape. Eine Spitze der Insel mit einer steilen roten Felsenküste. In der Nähe eines Leuchtturms stellen wir den Van nahe der Klippe mit Blick aufs Wasser ab und beschließen, die Nacht hier zu verbringen. Wir genießen den Sonnenuntergang zusammen mit Robert, der unten im Wasser ist und ab und zu rausguckt und sich auch den Sonnenuntergang ansieht. Achja, Robert ist einer der vielen Robben, die um das North Cape herum ihren Lebensraum haben. Nebel und ein diesiges Wetter erwarten uns am nächsten Morgen. Wir wollen die Insel noch weiter erkunden und fahren zur „Lennox Island“. Einer kleinen Insel nördlich von PEI. Lennox Island ist heute wieder offizielles Territorium der „Lennox Island First Nation“ der Mi´kmaq. Dort können wir erneut der Tradition und Geschichte der Mi´kmaq, die seit über 12.000 Jahren auf PEI (Abegweit) leben, näherkommen und bekommen eine private Tour durch das kleine Museum auf der Insel. Ein weiteres Ziel vieler Touristen erwartet uns anschließend. Der „Green Gables Heritage Place“. Der Ort, wo Lucy Maud Montgomery gelebt und die berühmte Buchreihe „Anne of Green Gables“ verfasst hat, ist heute hergerichtet um einen Eindruck von dem Leben, der im Buch beschriebenen Anne zu bekommen. Leider ist das Ganze ein wenig enttäuschend und so fahren wir weiter nach Charlottetown, der Hauptstadt von PEI. Wir finden einen Stellplatz mitten in der Stadt und gönnen uns mal wieder einen Restaurantbesuch in einem Irish Pub. Den Rest von PEI kann man an dieser Stelle dann auch abkürzen. Viel Landwirtschaft, ein Nationalpark mit Landschaften wie auf Sylt und dem laut Reiseführer „schönstem Dorf auf der Insel“ der buchstäblich nur zwei Straßen mit paar Häusern und zwei Cafés war. Also alles in Allem war PEI nett aber mehr auch nicht. Versteht uns nicht falsch, es ist alles immer noch auf seine eigene Art und Weise wunderschön hier. Aber es ist ein bisschen so, wie nach einer richtig guten Pizza einen Salat zu essen. Schon irgendwie cool, aber die Pizza war schon geiler. Und wovon erzählt man nächsten Tag? Genau, von der Pizza! Wir beschließen noch spontan am Abend die letzte Fähre zurück ans Festland zu nehmen und landen in der nächsten Provinz:

Nova Scotia
Auf der Fähre nach Nova Scotia (übrigens ist diese Fähre, also genau dieses Schiff, ein paar Jahre vorher zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven über die Elbe gefahren und war dort im Einsatz) buchen wir gleich die nächste Fähre zwei Tage später nach Neufundland. Wir wollen es also wahr machen. Der Wunsch, der in Montreal mal als „das wäre schon irgendwie cool, so weit noch zu kommen“ began, geht jetzt in Erfüllung. Auch wenn die Fähre nicht gerade günstig ist (ca. 500 EUR hin und zurück) sehen wir es als einmalige Chance und wollen nicht am falschen Ende sparen. Gleichzeit steigt aber auch ein bisschen die Sorge ums Auto. Die Panne in Rimouski hat uns gezeigt, wie schwer es sein kann überhaupt eine Werkstatt zu finden. Auch hat das anfänglich leichte Klopfen der Antriebswelle weiter zugenommen, wenn wir bergauf fahren. Und allgemein ist es einfach ein 40 Jahre altes deutsches Auto in Kanada. Wir versuchen uns nicht von den Sorgen zu sehr einnehmen zu lassen, aber ignorieren kann man nicht, dass man auf Neufundland hunderte teils anspruchsvolle Kilometer vor sich hat. Um genau zu sein sind es allein schon 850 km von Port aux Basques wo wir ankommen mit der Fähre bis nach Argentia, wo unsere Fähre zurück abfährt. Dazu kommen noch etliche Abstecher, so dass wir am Ende auf ca. 2.000 km kommen werden.
Der Walmart in New Glasgow soll uns wieder mal als Übernachtungsspot dienen, bevor wir nächsten Tag nach North Sydney fahren (ja, mit Ortsnamen waren die Kanadier oft nicht so kreativ). Der Weg führt uns durch den Norden von Nova Scotia und wir freuen uns, dass die Landschaft hier wieder spektakulärer wird, als die von PEI oder New Brunswick. Ja, wir sind anscheinend jetzt schon sehr verwöhnt von Kanada, so dass wir eigentlich schöne Natur wie sie es in New Brunswick oder PEI war, gar nicht mehr so wertschätzen. Je weiter wir nach Norden kommen, umso mehr werden hier irische Einflüsse merkbar. In North Sydney suchen wir uns wieder ein Platz für die Nacht, um am nächsten Morgen auf die Fähre zu fahren und kommen dann in einer weiteren Provinz an:
Newfoundland
Müssten wir Neufundland mit einem Wort beschreiben, wäre es wahrscheinlich „WOW“. Denn das ist genau unser erstes Gefühl, als wir die Fähre nach der 6-stündigen Überfahrt wieder verlassen. Wir kommen in einer ganz neuen, ganz anderen Landschaft an, als wir es bisher von Kanada gewohnt sind. Raue, kahle Felsen mit wenig Vegetation heißen uns willkommen. Nebelbehangene Berge und kleine Fischerdörfer mit bunten Holzhäusern prägen die Umgebung. Wir könnten nun an dieser Stelle anfangen die zwei Wochen Neufundland Tag für Tag zu beschreiben und jeden kleinen Schritt zu erzählen, aber dann würde aus diesem kleinen Beitrag ein halbes Buch werden. Daher möchten wir versuchen euch hier unsere Gefühle näher zu bringen und uns auf ein paar der schönsten Momente zu beschränken. Sowieso ist für uns oft der Weg das Ziel. Wir fahren tagtäglich mit dem Auto durch spektakuläre, teils unbeschreibliche Natur. Neufundland ist bis jetzt (Stand Januar 2024) das schönste und atemberaubendste, was wir in Kanada bisher erleben durften. Dies hat mit Sicherheit nicht nur was mit der Landschaft zu tun, sondern auch mit den Menschen, die wir hier treffen, einzelnen Erlebnissen und den Gefühlen, die diese Insel in uns auslöst. Diese wilden Küstengebiete mit den kargen Landschaften, wunderschönen Wäldern in Verbindung mit den kleinen Holzhütten, die dort mitten im Nichts stehen und der Wind der von Zeit zu Zeit gegen die Küste peitscht machen Neufundland sehr magisch. Teils menschenleere Regionen und trotz der ganzen Schroffheit der Insel so liebenswerte Menschen, die man dort antreffen kann, sind eine ganz besondere Mischung dieser Region Kanadas. Und trotz dessen, dass wir Neufundland zu einer Zeit besuchen, in der es zwei der Hauptattraktionen nicht gibt, die Wale und die Eisberge, hat es einen festen Platz in unserem Herzen. Die beige grüne Sandsteinküste der Port au Port Halbinsel, wo wir Basstölpel beobachten können oder die dunkle felsige Küste mit ihren einzigartigen Felsformationen in der Bottle Cove sind nur zwei von unseren einzigartigen ersten Stopps. Schon allein die Fahrt über die Straßen Neufundlands bietet einen atemberaubenden Moment nach dem Anderen. Man fährt um eine Kurve und es macht sich ein faszinierendes Bergpanorama auf, man fährt über eine Bergkuppe und blickt über einen tiefblauen Fjord auf moosbewachsene Klippen. Man fährt durch wunderschöne Nadelwälder und wieder offene moorartige Landschaften. Etwas ganz Besonderes erwartet uns in dem, im Westen der Insel gelegenen, Gros Morne Nationalpark. Eine steile Straße über einen hohen Berg (die Antriebswelle hat sich klopfend bedankt) führt durch einen wunderschönen Nadelwald, vorbei an einer großartigen Seenlandschaft zum südlichen Teil des Gros Morne Nationalparks. Wir fahren durch sattgrünen Hügel auf die Tablelands zu. Die Pflanzen hören auf einmal auf zu wachsen und der Untergrund verwandelt sich in eine Mischung aus Geröll und einer ockergelb-grünlichen Gesteinsschicht. Wir parken das Auto und wandern hoch zu den Tablelands. Hier, wo es sich anfühlt wie auf einem fremden Planeten, stehen wir auf einer 460 Millionen Jahre alten Erdkruste, die sich durch eine Plattenverschiebung aus zehn Kilometern Tiefe nach oben geschoben hat. Die Aussicht von hier oben auf den Gros Morne Nationalpark ist atemberaubend. Wir stehen in dieser unwirklichen Landschaft, in der es Pflanzen nicht möglich ist zu wachsen und gucken auf die grünen felsigen Berge. Im Norden vom Gros Morne Nationalpark besuchen wir den Western Brook Pond. Eine Sumpflandschaft, die sich von der Meeresküste ins Landesinnere zieht, bis sie auf einen Binnenfjord und die 650 m hohen Klippen treffen. Inmitten der steilen Berge macht sich ein Canyon auf, den man aus der Ferne begutachten kann. Der Hauptwanderweg ist leider sehr voll. So entscheiden wir uns noch einen kleinen Loop zu gehen. Ein kleiner Rundweg, der im Prinzip nur ein matschiger Trampelpfad ist. Die großen Matschpfützen schrecken viele Wanderer ab diesen Loop zu gehen, aber wir gehen weiter und kommen an einen See. Ganz allein ist es hier so still und friedlich, wie wir es bisher kaum erlebt haben. Wir genießen diesen Moment sehr, bevor es für uns weiter geht in den Norden der Insel.
Im Norden Neufundlands besuchen wir die Twilingate Islands. Auch hier erwartet uns wieder eine felsige Küstenlandschaft, aber doch so anders als im Westen der Insel. Die Nacht verbringen wir auf einem alten verlassenen Campingplatz direkt am Wasser zwischen zwei Bergen. Vor ein paar Jahren scheint es hier noch einen richtig tollen Campingplatz gegeben zu haben. Heute sind nur noch ein paar kleine Holzhütten und die kleinen ebenen Flächen für die Camper übrig. Dafür kann man hier nun kostenlos übernachten. Eine Toilette oder geschweige denn eine Dusche gibt es hier nicht. Im Prinzip gibt es hier Garnichts, außer einem Platz, wo man stehen kann. Aber egal, mit dieser Aussicht, direkt aufs Wasser über kleine bis große Felsen, die aus dem Wasser ragen, braucht man das alles gar nicht. Am Abend werden wir belohnt mit einem der schönsten Sonnenuntergänge, die wir bisher erlebt haben. Wir klettern auf einen der Felsen und blicken auf das ruhige, fast spiegelglatte Wasser. Wir sind dort ganz allein und die Sonne lässt den Himmel in einer Farbenpracht erleuchten, die wir bis dahin noch nie so gesehen haben. Gelb über orange bis knall rot. Ein dunkles tiefes blau über türkis bis lila. Die kontrastreichen, tiefschwarzen Silhouetten der Felsen setzen sich klar vom Himmel ab und alles spiegelt sich in der ruhigen See. Ein Vogelschwarm zieht vorbei und die Möwen kreischen. Unbeschreiblich schön. Es ist einer der wenigen Momente, wo einem die Tränen kommen könnten, weil alles hier und jetzt gerade so perfekt ist.
Am darauffolgenden Tag wartet auch schon das nächste, ganz besondere Erlebnis auf uns. Wir wollen gerne die Gegend noch ein bisschen zu Fuß erkunden und informieren uns über mögliche Wanderwege. Wir entscheiden uns für den „Lower Little Harbour Trail“, oder wie wir ihn später nennen werden, der „Hundi-Trail“. Ohne große Erwartung machen wir uns auf zum Parkplatz des Wanderweges. Kurz bevor wir unseren Van auf dem Parkplatz parken, kommt uns ein großer schwarzer Hund entgegengelaufen. Er will gar nicht von uns ablassen und wir müssen aufpassen, dass wir ihn nicht überfahren. Wir parken das Auto und steigen aus dem Auto. Freudig mit wedelndem Schwanz begrüßt uns der Hund, den wir auf „Little Rock“ taufen. Eine ältere Frau erzählt uns, dass der Hund hier in der Nachbarschaft lebt und es liebt mit Wanderern mitzulaufen. Wir schaffen es auch nicht ihn davon abzuhalten uns zu begleiten und so starten wir gemeinsam mit Little Rock auf die Wanderung. Er rennt immer ein Stück voraus, dreht sich dann aber um und stellt sicher, dass wir auch hinterherkommen. An einer Abzweigung geht er erst ein paar Meter nach rechts den Weg entlang. Wir entscheiden uns aber nach Links zu gehen. Nach kurzem Zögern ändert auch Little Rock seine Meinung und kommt uns wieder hinterhergelaufen. Ein bisschen später kommen wir an eine kleine Bucht mit einigen Holzhäusern. Viele der kleinen Häuser scheinen unbewohnt zu sein und zerfallen langsam. Ein größeres Haus ist allerdings bewohnt und der Wanderweg führt nur wenige Meter neben dem Haus entlang. Vor dem Haus können wir zwei kleinere Hunde sehen. Little Rock rennt zu ihnen und spielt mit den beiden. Da er eine ganze Weile dortbleibt, denken wir uns, dass das vielleicht seine Freunde sind und er nun bei ihnen bleibt. Wir führen unseren Weg also fort ohne Hund. Bis auf einmal, zehn Minuten später, während wir eine steile Treppe die Felsen hoch gehen, Little Rock wieder von hinten angerannt kommt. Und im Schlepptau hat der die beiden Hunde von dem Haus in der Bucht. Wir versuchen die beiden davon zu überzeugen, dass sie doch wieder nach Hause gehen sollten, aber der Versuch scheitert. Also denken wir uns, dass vielleicht noch mehr Hunde hier so sind wie Little Rock und wandern nun also in Begleitung von 3 süßen Hunden weiter. Wir klettern Felsen rauf und runter, überwinden umgestürzte Bäume, kriechen Berge hoch, überqueren einen Strand mit kleinen und großen rutschigen Felsen und schlagen uns durch dicke Büsche. Für uns teilweise ein sehr anspruchsvoller weg, aber für die Hunde scheint das alles kein Problem zu sein, auch wenn wir uns hier und da ein bisschen Sorgen machen. Vor Allem um den kleinen, von uns Hechelfred getauften (weil er ein kleiner süßer Fred ist und die ganze Zeit durchgehend hechelt), Hund. Kurz vor Ende unserer Wanderung auf einmal ein Schock für uns. Die zwei Hunde von dem Haus in der Bucht sind weg. Die ganze Zeit sind sie immer mal wieder vorgerannt, aber immer wieder zurückgekommen. Aber jetzt sind sie weg. Wir machen uns riesige Sorgen, denn schließlich haben wir sie ja mitgenommen. Und jetzt sind sie einfach weg. Little Rock ist weiterhin bei uns, scheint sich aber um den Verbleib der anderen beiden nicht wirklich zu scheren. Wir entscheiden uns, den Weg erstmal weiterzugehen und dann am Ende des Rundweges nochmal wieder zurück zu dem Haus in der Bucht zu gehen. Bei der nächsten Abzweigung, wo es zurück Richtung Parkplatz geht, scheint Little Rock keine Lust mehr zu haben und läuft zurück Richtung Parkplatz. Er bleibt nochmal kurz stehen, dreht sich um und schaut, was wir machen. Als er sieht, dass wir den Weg nochmal zur Bucht gehen, verabschiedet er sich kurz und läuft wieder in Richtung seines zu Hauses. Wir hoffen weiterhin, dass die anderen beiden einfach vorgelaufen sind nach Hause. Kurz vor dem Haus, auf einem Holzsteg, macht ein älteres Pärchen gerade Pause und wir fragen sie, ob hier eventuell zwei kleine Hunde vorbeigekommen sind. Sie sagen uns, dass sie die Hunde nicht gesehen haben, aber das der alte Mann und seine Frau, die in dem Haus wohnen, auch schon auf der Suche nach den beiden sind. Uns rutscht das Herz in die Hose. Auch wenn wir nichts dafürkonnten, dass die Hunde uns gefolgt sind, fühlen wir uns jetzt verantwortlich und überlegen, was wir jetzt machen sollen. Noch bevor wir eine Entscheidung treffen können, kommt ein alter Mann in einem kleinen ATV (den hier in Kanada beliebten All Terrain Vehicles) den Weg runtergefahren. Hinten auf der kleinen Ladefläche die beiden Hunde. Wir sind heilfroh sie zu sehen und uns fällt ein Stein vom Herzen. Der Mann hält bei uns an und wir berichten ihm von unserer Wanderung mit den Dreien. Er erzählt uns, dass die beiden eigentlich nur zu Besuch sind und erst seit zwei Tagen bei denen wohnen. Und dass sie sowas vorher noch nie gemacht haben. Wir sind nun noch glücklicher, dass sie wieder sicher zu Hause sind und unterhalten uns weiter mit dem Mann. Er und seine Frau leben im Winter auf Ihrer Ranch in Colorado USA und kommen seit über 15 Jahren jedes Jahr nach Neufundland, um hier in ihrem Haus in der Bucht den Sommer zu verbringen. Er erzählt von Ausflügen mit seinem kleinen Boot, raus aus der Bucht, wo er die vorbeiziehenden Wale oder die einzigartige Schönheit der Eisberge bestaunen kann. Dann wird er auf einmal sehr ruhig. Sehr sentimental erzählt davon, dass viele Menschen den kleinen Ort hier mittlerweile verlassen haben, um in eine größere Ortschaft zu ziehen. Sein bester Freund ist erst kürzlich verstorben. Er war Mitte 90 und noch fit wie ein Turnschuh. Regelmäßig sei er wandern gegangen und über die Felsen gehüpft und dann kürzlich, von einem auf den anderen Tag, ist er verstorben. Wir sehen, dass sich seine Augen mit Tränen füllen, als er von den alten Zeiten erzählt und spüren wir groß der Verlust für ihn ist. Er erzählt von der Einsamkeit und der neuen Zeit, die so schnelllebig geworden ist, von Besuchern, die sie empfangen haben, die die kleinen Schönheiten dieser Landschaft nicht wertschätzen konnten und seine Kinder, die er nur noch selten sieht. Das Gespräch mit ihm dauert nur so etwa 10 Minuten, aber es ist trotzdem ein ganz besonderer Moment, der uns auch wieder bewusst macht, worauf es im Leben doch ankommt. Du kannst zwar eine Ranch in den USA und ein Sommerhaus auf Neufundland haben, aber am wichtigsten sind die Menschen, die einen umgeben. Und für uns ist das ganze wieder ein Moment, der in unserer Erinnerung fest verankert sein wird.
Unser Weg führt uns weiter die Ostküste Neufundlands hinunter. Durch den Terra Nova Nationalpark, der nochmal ganz andere Natur zu bieten hat, als der Gros Morne Nationalpark im Westen und weiter zu einer der landschaftlich schönsten Wanderungen auf Neufundland. In der Nähe von Trinity, einem kleinen verschlafenen Fischerdörfchen inmitten der zerklüfteten Fjords der Ostküste, in dem nur etwa 50 Menschen das ganze Jahr über leben, machen wir uns auf eine der landschaftlich schönsten Wanderungen hier auf Neufundland. Auf dem Skerwink Trail treffen wir Scott und Julie aus Maryland und Mathilde aus Belgien. Wir wandern gemeinsam in unserer neu gefunden Wandergruppe den Trail, quatschen, lachen und genießen die Ausblicke auf diese spektakuläre Küste. Es ist schön Menschen zu treffen, mit denen man für eine kurze Zeit hier eine schöne Zeit haben kann.
Hier auf Neufundland macht sich nun etwas immer mehr bemerkbar, was sich die letzten Wochen schon das ein oder andere mal angebahnt hat. Es wird kalt und nass. Der Herbst steht vor der Tür. Trotz dessen, dass es auf Neufundland nun viel regnet, haben wir doch immer irgendwie Glück mit dem Wetter. Denn meistens regnet es, wenn wir im Auto sitzen und sobald wir irgendwo ankommen und eine Wanderung machen klart es auf und wir können auch die Sonne genießen. Dennoch ist der Regen mittlerweile fast zu einem täglichen Begleiter geworden und somit wird uns auch immer mehr bewusst, dass wir uns langsam beeilen müssen, denn es steht uns noch die Durchquerung von Kanada vor dem Winter bevor. Gerade beim Vanlife kann der Regen natürlich ein großer Faktor im Wohlbefinden sein. Nach ein paar Tagen lässt der Regen und der Wind sich nicht mehr so gut wegignorieren. Wir überlegen kurz in St. John´s, der Hauptstadt Neufundlands, in ein Air BnB oder andere Unterkunft zu gehen. Nachdem wir jedoch die Preise gecheckt haben, entschließen wir uns dagegen und sagen, ein Campingplatz in der Stadt muss es auch tun. Und ja, es regnet natürlich auch hier wieder ab und an. Aber auf dem Campingplatz können wir eine kurze Regenpause nutzen, um unsere ganze Wäsche zu waschen und den Van mal ordentlich sauber zu machen. Das hat uns schon sehr weit nach vorne gebracht in unserer Motivation. Wir beschließen auch hier wieder zwei Nächte zu verbringen, um die Stadt ein wenig zu erkunden. Mittlerweile sind diese Tage, in denen wir mal zwei Nächte am gleichen Ort verbringen eine Art kleiner Miniurlaub vom Reisen. Am zweiten Tag in St. John´s ist das Wetter unerwartet gut. Blauer Himmel, die Sonne scheint und es ist sogar richtig warm (als ständig beschwerender Deutscher müsste man fast sagen „zu warm“). Die Stadt hat irgendwie seinen ganz eigenen Charme. Gebaut an einem Hang mit steilen Straßen und vielen bunten Holzhäusern. Die George St., berühmt berüchtigt für eskalierende Feiern und rustikale Kneipen, wirkt etwas wie eine kleine Version der Reeperbahn in Hamburg. Und von dem Signal Hill aus, hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt und das bergige Land. Die Tage darauf erkunden wir noch das Umland von St. John´s inkl. des östlichsten Punktes des Nordamerikanischen Kontinents. Verrückt, hier sind wir näher an zu Hause als an Vancouver. Wieder einmal wird uns bewusst, was wir da eigentlich noch vor uns haben in den nächsten Wochen. Es sind nun knapp zwei Wochen vergangen, wir sind fast 2.000 km auf dieser Insel gefahren und unsere Zeit auf Neufundland neigt sich langsam dem Ende zu. Unsere letzten Nächte werden auch nochmal richtig kalt und wir stellen uns immer öfter die Frage, wie lange wir noch im unbeheizten Van schlafen können. Naja das werden wir wohl noch herausfinden. Auf dem Weg zu unserem allerletzten Übernachtungsspot, kurz vor der Fähre, verabschiedet sich Neufundland noch mit einem magischen Moment. Wir fahren den Highway Richtung Agentia und reden gerade darüber, wie glücklich wir uns schätzen können so etwas machen zu können und dass wir gerade voller Dankbarkeit sind, als kurz vor uns in der untergehenden Sonne eine Elchkuh die Straße überquert. Der erste Elch, den wir hier in Kanada sehen dürfen. Es wirkt so anmutig wie dieses riesige Tier über die Straße stolziert. Wir fahren ganz langsam und beobachten, wie sie auf der anderen Straßenseite im Gebüsch verschwindet. Kurz vorher dreht sie sich noch einmal um und guckt uns an, so als würde sie uns verabschieden. Wir verlassen Neufundland mit einem Gefühl, dass wir bisher in Kanada noch nicht hatten. Denn wir sagen uns, dass wir eines Tages, wenn die Wale und Eisberge hier sind, definitiv zurückkommen werden. „Neufii we`ll keep you in our hearts“.

Nova Scotia... again
Wir müssen an dieser Stelle einen kurzen Sprung zurück in die Vergangenheit machen. Während unserer Zeit auf Neufundland, hatten wir ein Jobinterview für einen Job auf dem Weihnachtsmarkt in Vancouver. Während des Telefonates haben wir bereits unsere Zusage bekommen und haben für November/Dezember also einen Job in Vancouver sicher. Dadurch sind wir auch in einer entsprechenden WhatsApp Gruppe gelandet, in der alle anderen, ausschließlich deutschen, Kollegen waren. Hierüber haben wir Jonas und Linus kennengelernt. Die beiden (übrigens aus Tangstedt und Itzstedt, also quasi direkt aus der Heimat) waren zu der Zeit gerade noch in Halifax, Nova Scotia. Leider ist deren Auto, welches sie sich gekauft haben, dort kaputt gegangen und sie wussten nun noch nicht so wirklich, wie sie nach Vancouver kommen sollten. Da wir noch zwei Sitzplätze im Van hatten, haben wir ihnen angeboten, dass wir sie ja sonst eventuell auch mitnehmen könnten. Sie müssten sich nur um eine Schlafmöglichkeit kümmern. Die beiden waren sofort begeistert und kauften sich gleich ein Zelt und zwei Schlafsäcke. Wir einigten uns darauf, dass wir erstmal ein paar Tage zusammen eine Tour am Cape Breton in Nova Scotia machen, um zu gucken ob wir alle uns das vorstellen können, die große Tour nach Vancouver gemeinsam zu machen.
Also machten wir aus, dass wir sie bei unserer Rückkehr mit der Fähre nach North Sydney dort einsammeln um dann gleich zum Cape Breton zu starten.
Die Fähre zurück von Argentia nach North Sydney dauert deutlich länger als die Hinfahrt. Wir legen abends um 17 Uhr ab und kommen morgens um 09 Uhr in North Sydney an. Leider gab es bereits bei der Buchung keine Kabinen mehr, also schlafen wir notgedrungen auf dem Boden zwischen einigen Sitzreihen. Zu mindestens ein bisschen Schlaf haben wir bekommen können. Angekommen in North Sydney, fahren wir direkt zu dem Air BnB von Jonas und Linus und lernen sie das erste mal richtig kennen. Irgendwie sehr seltsam, zu wissen, dass man jetzt mit quasi Unbekannten die nächsten Tage auf engstem Raum miteinander verbringt, aber die beiden sind direkt sehr aufgeschlossen und sehr unkompliziert. Wir verstehen uns auf Anhieb gut und sind optimistisch die nächsten Tage gut zu verbringen. Es geht zum Cape Breton und dem dazugehörigen Cape Breton Higlands National Park. Cape Breton gehört zu den landschaftlichen Highlights Nova Scotias. Der Cabot Trail, wie die Straße hier heißt, führt durch immer wieder verändernde Landschaften. Mal geht es durch gebirgige Abschnitte mit wieder steilen und sehr lang gezogenen Steigungen, mal durch Nadel- oder Mischwälder soweit das Auge reicht und immer wieder and der felsigen Küste direkt am Wasser entlang. Die Küste im Osten beeindruck mit den Buchten und seinen rötlichen Felsen. Im Westen schlängelt sich die Straße entlang der bergigen Hangregion. Hier, auf einem Campingplatz, lernen wir abends Heiner kennen. Ein Deutscher, der in Montreal lebt und gerade seinen Urlaub im Osten Kanadas verbringt. Wir kommen zufällig mit ihm ins Gespräch und verbringen letztendlich den ganzen Abend mit ihm. Wir spielen Karten und feiern in Linus Geburtstag rein, der nun 19 geworden ist. Wir wollen am nächsten Tag den bekannten Skyline Trail wandern, an dem wir heute bereits vorbei gefahren sind. Da die Fahrt von dem Campingplatz direkt stätig und lange steil bergauf geht, machen wir uns Sorgen, ob wir Mausi das antun sollten (Ja, die Antriebswelle klopft mittlerweile noch öfter und doller). Da Heiner den gleichen Plan hat, bietet er uns netterweise an uns mit hochzunehmen und anschließend wieder runter zu Mausi zu fahren. Und so machen wir es. Wir wandern den Skyline Trail von dem aus man eine atemberaubende Sicht über das Wasser und die Küste hat. Wir verbringen noch eine schöne Zeit mit Heiner, tauschen Nummern aus und verabschieden uns wieder, da er in die andere Richtung weiterfährt. Nach einer weiteren Nacht und einer wunderschönen Fahrt an der Ostküste Nova Scotias entlang kommen wir in Halifax an. Jonas und Linus setzen wir an deren Air BnB ab und wir buchen uns wieder ein paar Nächte auf einem Campingplatz, um von dort aus Halifax erkunden zu können. Wir verabreden mit den Jungs, dass wir uns die Tage nochmal treffen um über die Tour nach Vancouver zu quatschen. Die Tage in Halifax sollten uns noch mal richtiges sommerliches Wetter bescheren und wir genießen die Vorzüge einer Großstadt (z.B. lecker Essen gehen). In unserem Gespräch mit den Jungs, erzählen wir ihnen, dass wir uns das gut vorstellen können mit ihnen rüberzufahren. Wir machen noch mal deutlich, was genau unser Plan ist und was auch passieren könnte. Doch die beiden zögern keine Sekunde und freuen sich, dass sie mit uns mitkommen können. Da wir noch einen Werkstatttermin etwas südlich von Halifax haben, verabreden wir mit den Jungs, dass wir, sobald das Auto dort fertig ist, uns melden und losfahren.

Ja, der Werkstatttermin, ein Kapitel für sich. Vor einigen Wochen hatten wir uns schon überlegt, dass wir gerne das Auto nochmal inspizieren lassen würden bevor wir die lange Strecke in den Westen fahren. Auch das Klopfen der Antriebswelle bereitete uns ja schon länger Sorgen und wir benötigen sowieso noch Winterreifen um die Rocky Mountains überqueren zu dürfen. Also hatten wir in der Umgebung von Halifax nach einer Werkstatt gesucht, die sich mit dem Auto auskennt und sind auch fündig geworden. „Jeffs old Volkshome“ wie es früher hieß. Halifax war für uns schon seit einigen Wochen eine Art Endziel unserer Reise durch den Osten. Wir wussten, dass wir noch bis Halifax fahren wollen, um dann von hier aus nach Vancouver aufzubrechen. Nach der ersten Panne mit Mausi und der stätig schlimmer werdenden Antriebswelle, war Halifax in unseren Gedanken auch immer so etwas wie ein „sicherer Ort“ für Mausi. Denn wir wussten, dass unweit von Halifax entfernt eine gute Werkstatt ist. „Okay, nur noch bis Halifax, dann sind wir erstmal auf der sicheren Seite“ war durchaus ein Gedanke, der ab und zu hochkam. Rational gesehen, macht es natürlich keinen Sinn, sich große Sorgen zu machen um Dinge, die noch gar nicht eingetreten sind. Wir wissen auch nicht genau, wo die Sorgen hergekommen sind. Vermutlich durch unsere Erfahrung mit der Werkstattsuche in Rimouski. Die letzten Wochen begleitet uns auch immer öfter der Gedanke „Oh Gott, hoffentlich schafft Mausi das“. Wir haben uns zwar nie davon einschränken lassen und haben all das gemacht, was wir auch machen wollten, trotzdem nervt es, sich ständig Sorgen zu machen. Gerade bei mir machte sich auch immer öfter ein Gefühl des „erledigen“ breit. Ich wollte PEI hinter mich bringen, dann wollte ich Neufundland hinter mich bringen, dann wollte ich Cape Breton und die Fahrt nach Halifax hinter mich bringen. Nur weil ich Angst hatte, es könnte irgendwo etwas passieren, wo es keine Werkstatt gibt, die uns helfen kann. Ich konnte unsere Reise natürlich trotzdem genießen und habe die schönen Momente auch so schön wahrgenommen, wie sie waren, aber der Gedanke schwingt immer ein bisschen mit und es gab Tage in denen ich eine gewisse Art Stress verspürt habe. Bei einer Wanderung auf Neufundland, hatte ich das Bedürfnis, diese Wanderung so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, damit wir weiterfahren können und wieder ein Stück näher an Halifax sind. Schon ein bisschen dämlich. Es hat aber in diesen Momenten immer sehr geholfen miteinander darüber zu sprechen und meistens war die andere Person dann genau in diesem Moment viel optimistischer und so haben wir uns da sehr gut ausgleichen können. So sehr wir unseren kleinen grünen Bulli auch lieben, mit dem auch für uns ein Traum in Erfüllung gegangen ist, aber mittlerweile kommt schon manchmal auch die Frage auf, ob es die richtige Kaufentscheidung war. Aber gut, nun ist es so. Wir haben uns dafür entschieden und können am Ende auch viel daraus lernen. Und mal ehrlich, bis jetzt hat Mausi uns auch noch nie in einer aussichtslosen Lage im Stich gelassen. Und sowieso ist Mausi das perfekte Auto für uns und genau das was wir wollten.
Den Termin in der Werkstatt haben wir schon seit ein paar Wochen und so fahren wir also Richtung Süden nach Chester zu der Werkstatt. Sowieso ist die Küste südlich von Halifax definitiv einen Besuch wert und landschaftlich wieder sehr schön und so überraschend anders als alles zuvor. Nach ein paar Tagen dort in der Gegend rückt der Termin näher und wir geben Mausi letztendlich in der Werkstatt ab, in der Hoffnung sie fertig am Abend wieder mitzunehmen. Netterweise fährt uns die Empfangsdame der Werkstatt nach Chester zu einem Café, wo wir warten können, bis das Auto fertig ist. Kurze Zeit später dann schon der Anruf. Zu früh, als das das Auto fertig sein könnte. Der Chef der Werkstatt gibt uns telefonisch eine lange Liste an Mängeln durch, die bei der Inspektion gefunden wurden und nennt uns einen Preis für die Reparatur. Es zieht uns den Boden unter den Füßen weg. Wir haben ja mit einigem Gerechnet und uns drauf eingestellt, dass die Antriebswelle ausgetauscht werden muss, aber nicht damit. Wir werden wieder abgeholt und zurück zur Werkstatt gefahren, wo wir persönlich mit dem Chef nochmal die Liste durchgehen und der Mechaniker uns alles am Auto zeigt. Es waren leider nicht nur so Kleinigkeiten oder Schönheitsreparaturen sondern viel auch am Bremssystem usw.. Die bevorstehende Tour vor Augen beschließen wir dann, alle Reparaturen machen zu lassen, auch wenn es uns nun viel Geld kostet. Dann kommt jedoch auch schon der nächste Rückschlag. Auf Grund des bevorstehenden langen Wochenendes (Thanksgiving) hat die Werkstatt erst in ca. einer Woche Zeit sich der Sache anzunehmen. Das bedeutet für uns, dass wir mindestens eine Woche verlieren für unsere Tour nach Vancouver. Und das mit dem Gefühl im Nacken, dass es von Tag zu Tag kälter wird und der Winter immer näher rückt. Vor allem macht uns die Passage durch die Rocky Mountains Sorgen. Aber wir haben keine Alternative. Wir überlegen also, was wir die nächsten Tage noch machen sollen. Glücklicherweise bekommen wir Mausi wieder und können so mit dem Van noch irgendwo hinfahren. Es wird uns hier allerdings nochmal bewusst, wie abhängig wir von diesem Auto sind. Denn für uns ist es hier nicht bloß ein Fortbewegungsmittel oder ein Freizeitvergnügen, sondern es ist unser Schlafplatz, unsere Unterkunft, unsere Küche, unser Wohnzimmer, unser zu Hause. Das Auto in der Werkstatt bedeutet also für uns, unser zu Hause in der Werkstatt.
Nun gilt es aber erstmal die nächsten Tage irgendwie rumzubekommen. 1,5 Stunden Fahrt Richtung Süden liegt der Kejimkujik Nationalpark (auch Keji genannt). Wir beschließen, dort ein paar Tage zu verbringen. Durch das Thanksgiving Wochenende und damit auch das letzte Wochenende in dem die Nationalparks geöffnet haben, ist der Campingplatz fast voll ausgebucht. Doch wir haben, wieder einmal, Glück. Es gibt noch einen freien Platz für uns. Auf dem Weg dorthin genießen wir den Indian Summer hier in Nova Scotia. Wunderschöne bewaldete Berge mit Laubbäumen in unendlich vielen verschiedenen Rottönen begeistern uns und helfen so, ein bisschen von dem Rückschlag abzulenken. Auch im Keji können wir wundervolle Wanderungen entlang der Seen und Flüsse machen, in denen sich die knallroten bis gelben und teils noch grünen Bäume spiegeln. In einem Moment, in dem wir einfach am Strand sitzen und über den See blicken denken wir uns, dass das vielleicht dieses Glück im Unglück ist. Denn wenn Mausi am gleichen Tag noch wieder fertig geworden wäre, hätten wir diese schönen Momente verpasst. Ansonsten gehen wir unseren neuen Leidenschaften nach, in der Hängematte liegen und abends am Lagerfeuer sitzen. Einen Abend kommt tatsächlich Heiner auch noch vorbei. Wir verbringen einen richtig tollen Abend am Lagerfeuer miteinander. Wir quatschen, lachen und trinken Bier- und Rumspezialitäten, die Heiner von seiner Urlaubstour mitgebracht hat. Für Heiner ist es sein letzter Abend vom Urlaub, bevor er sich wieder auf den Weg nach Hause, nach Montreal macht. Am nächsten Abend fällt uns auf, dass viele der anderen Camper ganz viel Halloween Deko aufstellen, ihre Plätze und Camper dekorieren, Tische mit Süßigkeiten aufstellen und sich teilweise sogar verkleiden. Wir kommen mit einer Frau ins Gespräch und fragen sie, was es damit auf sich hat, da Halloween ja eigentlich noch lange hin ist. Sie erzählt uns, dass das eine Tradition in dem Nationalpark ist. Sie feiern jedes Jahr am Thanksgiving Wochenende das „Kejiween“. Wir drehen abends im Dunkeln nochmal eine Runde über den Platz und genießen die teilweise aufwendig dekorierten Plätze und die kunstvollen geschnitzten Kürbisse. Wenn auch nicht komplett, aber teilweise können uns die Tage hier im Keji sehr gut ablenken. Wir stellen auch fest, dass seit wir losgefahren sind, noch nie so lange an ein und demselben Ort waren. Wieder mal ein kleiner Miniurlaub.

Wir nutzen die Zeit, um unsere bisherige Reise Revue passieren zu lassen. Es fällt uns noch schwer, aber langsam können wir uns selber eingestehen, dass wir auch erschöpft sind. Wir merken mittlerweile, dass Reisen in dieser Art und Weise auch anstrengend ist. Wir sind nun bereits seit fast 4 Monaten in Kanada und 2 davon mit dem Van unterwegs. Wir fühlen uns immer noch komisch bei dem Gedanken, dass wir eine Erholung vom Reisen gebrauchen könnten, aber es ist so. Wir freuen uns jetzt schon auf die Zeit in Vancouver, wo wir mal wieder ein bisschen runterkommen können. Uns niederlassen und nicht jeden Tag aufs Neue schauen müssen: Wo übernachten wir? Wo bekommen wir Trinkwasser her? Wo können wir duschen? Wo können wir Zähne putzen? Wo bekommen wir Strom her? Wo gibt es mal WLan usw usw… Klar ist es auch schön, seine Sorgen auf diese Basics zu beschränken, aber wir merken auch, was es für ein Luxus ist, wenn man sich darüber keine Gedanken machen muss. Ein Satz der das ganze vielleicht gut zusammenfasst: „Es ist schön ins Badezimmer zu gehen und deine Zahnbürste ist schon da“. Auf Dauer ist es auch anstrengend, jeden Tag neue Eindrücke zu bekommen. Jeden Tag fährt man ein Stück weiter, sieht neue Landschaften, erlebt etwas Neues oder trifft neue Menschen. Irgendwann braucht man einfach die Zeit um das alles einmal zu verarbeiten und Platz zu schaffen für die nächsten Erlebnisse. Und bitte versteht uns hier nicht falsch. Wir wollen uns gar nicht über unsere Reise beschweren und sind uns immer noch über unser riesiges Privileg bewusst. Aber es ist uns auch wichtig, nachdem wir die Erkenntnis uns selber endlich eingestanden haben, es einmal deutlich zu machen, dass so eine Reise eben nicht nur ausschließlich Sonnenschein und Freudensprünge sind, sondern auch mit vielen Herausforderungen und dem ein oder anderen negativen Aspekt einher geht. Aber hey, was gibt es schöneres, als morgens aufzustehen, sich einen Kaffee zu machen, die Schiebetür aufzumachen und den ersten Schluck Kaffee jeden morgen aufs Neue in einer komplett neuen atemberaubenden Umgebung zu trinken. Oder sich nach einem ereignisreichen Tag ans Lagerfeuer zu setzen und anschließend einfach glücklich ins Bett zu fallen. Es sind natürlich die positiven Aspekte, die den Großteil der Reise ausmachen.
Wir haben in den letzten fast vier Monaten schon so viel erlebt. So viele Menschen kennengelernt, die für immer einen Platz in unserem Herzen haben werden. Auch wenn jetzt gerade alles sehr negativ wirkt und als hätten wir gerade viel Pech, so stellen wir auch fest, dass wir im Verlauf unserer Reise mit so vielen Dingen ein unglaubliches Glück gehabt haben. Sei es Yvan aus Montreal, den wir durch Zufall in Toronto im Hostel kennengelernt haben. Durch den wir den Tipp mit den WG´s in Montreal bekommen haben und so eine tolle, günstige WG gefunden haben wo wir einen Monat lang in einer fantastischen, aufregenden Stadt leben konnten. Marshal und Manou, die wir über Facebook kennengelernt und dann einen gemeinsam Ausflug zu den Niagara Fällen gemacht haben. Bis heute stehen wir immer noch im regelmäßigen Kontakt. Oder so kurze Momente wir der Buckelwal, der auf einmal zum Anfassen nah an unserem Boot auftaucht. Unser erster Weißkopf Seeadler in freier Wildbahn. Das Wetter, was größtenteils wirklich sehr gut war. Die Panne bei Rimouski, was uns diese wundervolle Zeit bei Steff, Maud und Tom beschert hat. Das wir Heiner auf dem Campingplatz am Cape Breton getroffen haben. Die Elchbegegnung. Die Jobzusage in Vancouver und dadurch die Chance Jonas und Linus kennenzulernen. Dass wir ungeplant und zufällig die letzte Fähre des Jahres von Argentia, Neufundland aus zurück gebucht haben (wie wir auf der Fähre selber erst erfahren haben). Wie oft wir gerade noch so spontan einen Platz auf einem Campingplatz in Nationalparks bekommen haben. Und nicht zu vergessen sind natürlich all diese wunderschönen kleinen Minimomente die wir fast täglich auf unserer Reise erleben durften. Genau das versuchen wir uns in diesem Moment bewusst zu machen und es tut gut. Es tut gut sowohl negative Gefühle auch mal zuzulassen, als sich die schönen Momente einmal in Erinnerung zu rufen.
Der Tag ist gekommen. Morgens früh, gleich um 8 stehen wir bei der Werkstatt, um Mausi abzugeben. Wir wissen um die lange Liste der Reparaturen aber sind vorsichtig optimistisch, dass wir Mausi abends noch abholen können. Zum Glück bekommen wir von der Werkstatt dieses mal einen Leihwagen, so dass wir mobil sind und die Gegend noch ein bisschen erkunden können. Aber was sollen wir eigentlich noch erkunden? Gefühlt haben wir schon alles hier gesehen. Auch die Sorge um die weitere Tour können wir nun nicht mehr wegschieben und somit den Tag auch nicht wirklich genießen, zumal wir ja auch hoffen abends wieder bei der Werkstatt sein zu müssen. Also fahren wir nur sinnlos umher und besuchen Orte teils nun schon zum zweiten oder dritten mal. So langsam haben wir keinen Bock mehr auf hier. Wir wollen weg von hier. Hier ist scheiße. Das ist leider das Gefühl, was sich breit macht. Wir reden darüber, dass die eigentlich schöne Zeit und diese wunderschönen kleinen Ortschaften in den kleinen Buchten und diese wunderschöne felsig flache Küste und der Indian Summer nun so einen negativen Beigeschmack haben, ohne dass sie dafür was können. Es ist so schade, aber wir fühlen uns gestresst. Am Nachmittag fahren wir zur Werkstatt, um nachzufragen, wie es denn aussieht. Man erzählt uns dann, dass es heute wohl nichts mehr wird. Und der nächste Tiefschlag. Denn das, was da auf der Hebebühne weit oben steht und heute nicht mehr fertig wird, ist, wie bereits erwähnt, auch unser zu Hause. Was also nun? Wir brauchten eine Unterkunft für die Nacht. Und natürlich ist alles, was wir finden können, nicht gerade billig. Aber gut. Mit einer gewissen „ach fuck it“ Einstellung buchen wir ein Zimmer im schönen UNESCO Welterbe Ort Lunenburg (Ja namentlich inspiriert von Lüneburg). Auch diese Stadt besuchen wir bereits ein zweites mal. Aber hier lohnt es sich tatsächlich. Lunenburg ist ein historisch wichtiger Schiffbaustandort. Dementsprechend sind die maritimen Einflüsse groß und die Stadt ist voll mit alten maritimen Häusern, tollen Läden, Cafés und Restaurants. Achja, da unsere Küche ja auch auf der Hebebühne steht müssen wir wohl leider auch noch was Essen gehen. Wir versuchen das Beste aus unserer Situation zu machen und genießen den Abend.
Neuer Tag, neues Warten. Morgens lassen wir uns Zeit, checken spät aus, gehen gemütlich Frühstücken und warten auf den erlösenden Anruf aus der Werkstatt. Nachmittags werden wir dann doch irgendwann nervös und fahren zur Werkstatt. Gute Nachrichten, das Auto wird heute wohl gerade so zu Feierabend fertig und wir können Mausi wiederbekommen. Wir können ja einfach dort im Warteraum warten. Allerdings werden sie die Spureinstellung heute nicht mehr schaffen, daher müssen wir morgen früh nochmal wiederkommen. Wir warten dort in der Werkstatt und können durch ein Fenster zusehen, wie der Mechaniker seine letzten Arbeiten am Auto erledigt. Das wir morgen nochmal wiederkommen müssen, ist uns in diesem Moment egal, Hauptsache wir bekommen Mausi wieder und haben einen Schlafplatz für die Nacht. Und wenn es dann nur noch die Spureinstellung ist, dann können wir morgen Mittag los… Yeeiiiiii…… Moment. Wieso guckt der Mechaniker auf einmal so besorgt in den Motorraum? Warum holt er seinen Chef dazu? Warum gucken jetzt beide besorgt? Warum kommt der Chef jetzt zu uns? Wie großes Problem? Wie Ersatzteil könnte ein paar Wochen dauern? Was wie? Und wieder ein Schlag ins Gesicht. Weiter geht die Achterbahnfahrt. Noch ne Runde noch ne Fahrt, das macht Laune, das macht Spaß… naja geht so. Aber was ist das Problem? Wir gehen zum Auto und der Mechaniker zeigt mir, dass der Vergaser ein Benzinleck hat. Es tritt Benzin aus und tropft auf den heißen Motor. Der Chef guckt uns an und sagt, dass es ein Wunder sei, dass das Auto noch nicht abgebrannt ist und die Wahrscheinlichkeit, dass es auf dem Weg nach Vancouver abbrennt, ist so hoch, wie dass es im Winter in Vancouver regnet (nämlich 1000%). Teil zwei der Hiobsbotschaften: das Ersatzteil ist hier in Kanada bzw. in ganz Nordamerika nicht zu bekommen (weil T3s hier so gut wie nie mit Vergaser gebaut wurden. Das hier sollte auch nicht unsere letzte Herausforderung wegen dem Vergaser sein). Das müsse man aus England ordern und das kann Tage bis Wochen dauern. Puuh erstmal verdauen. Das bedeutet, dass unser Plan nun eigentlich über den Haufen geworfen wird. Doch Moment. Der Vergaser wurde doch erst vor ein paar Monaten ausgetauscht und die Verkäuferin von Mausi hat uns den alten doch noch mitgegeben. Und wir haben den behalten, für was auch immer. Naja evtl. genau für diesen Moment! Ich erzähle es dem Mechaniker und dem Chef und beide gucken mich nur ungläubig an. Ruckzuck hole ich den alten Vergaser raus und der Mechaniker prüft, ob das erforderliche Teil am alten Vergaser noch gut aussieht und er es tauschen kann. Und tatsächlich, er kann es tauschen und der Vergaser leckt nicht mehr. Unglaublich. Der Chef guckt mich an und meinte, dass er sowas auch noch nicht erlebt hat und dass wir da ja mal unglaubliches Glück gehabt haben. Wir nehmen Mausi wieder in Empfang und stellen uns unweit der Werkstatt auf einen kleinen Platz für die Nacht. Wir müssen den Gedanken nun erstmal verarbeiten, dass unser Auto jederzeit hätte abbrennen können. Kein schöner Gedanke. Aber gut, es ist alles gut gegangen. Nächsten Morgen fahren wir zurück zur Werkstatt. Es dauert ca. eine Stunde, bis die Spureinstellung erledigt ist und wir bekommen Mausi wieder. Es geht los. Nur noch die Jungs abholen und auf Richtung Westen. Wir fahren vom Hof runter und dann…. Das Auto nimmt kein Gas mehr an…. Das Auto geht aus…. Das Auto springt nicht wieder an. Bitte was? Wirklich? Da wir nur ein paar hundert Meter weit gekommen sind, laufe ich zurück zur Werkstatt. Alle gucken mich ungläubig an. Ich erzähle kurz das Problem und der Mechaniker fährt gleich mit mir zurück zum Van um sich die Sache anzugucken. Nachdem er vor Ort nichts machen kann, schleppt uns der Chef mit seinem Pick Up zurück zur Werkstatt. Lara bleibt mit dem Mechaniker in Mausi und ich fahre beim Chef mit. Um das positive zu sehen, endlich bekomme ich mal die Gelegenheit in einem dieser übertrieben großen Ami-Pick-Ups mitzufahren. Der Motor bekommt aus irgendeinem Grund keinen Sprit mehr. Der Mechaniker prüft alle Leitungen etc. Nach einer halben Stunde kommt er zu uns und sagt, das Auto läuft wieder und zieht auch wieder Benzin, aber er kann uns leider nicht sagen, was das Problem war. Naja egal, denken wir uns und fahren los nach Halifax um die Jungs nun endlich mal einzusammeln. Es schließt sich somit in einer gewissen Art ein Kapitel unserer Reise und es fängt ein neues Kapitel bzw. ein Blogbeitrag an.