ROTE STEINE UND NOCH MEER
Goodbye Canada and good morning USA
Morgens 04:30 in Vancouver. Es geht los, heute verlassen wir Kanada. Ein seltsamer Mix aus Vorfreude, aber auch Abschiedsschmerz macht sich breit. In den vergangenen 15 Monaten in Kanada, haben wir unglaublich viel gesehen und erlebt. So viele Momente, in denen wir unser Glück kaum fassen konnten. Aber auch Momente, in denen wir unser Pech genauso wenig fassen konnten und dennoch daran gewachsen sind. Viele einzigartige Menschen und wunderbare Tiere, die wir hier kennenlernen durften. Einige Orte werden für uns jetzt wohl auch immer mit einem gewissen Heimatsgefühl verbunden sein und einige Menschen werden wir, wie Familienmitglieder, in unserem Herzen auf unsere weitere Reise mitnehmen. Danke Kanada für alles, was du uns gegeben hast!
Wir verlassen das Haus von Susanne in Vancouver, dass sich mittlerweile für uns wie ein Familienheim anfühlt. Selten wurden wir so selbstverständlich, herzlich und bedingungslos von einem fremden Menschen aufgenommen wie hier. Als wir in das Uber steigen, nehmen wir uns fest vor, hierher eines Tages zurückzukehren. Vielleicht nicht in genau dieses Haus, da Susanne plant es zu verkaufen, aber nach Vancouver und zu den Menschen, die sich hier nun wie eine Familie anfühlen.
Um Kanada zu verlassen und zu unserem nächsten Ziel zu gelangen, haben wir uns für die lange, etwas abenteuerlichere Methode entschieden. Zuerst geht es mit dem Bus vom Busbahnhof in Vancouver über die Grenze zum Bahnhof von Seattle. Wir verabschieden uns nun offiziell von Kanada und begrüßen die USA. Naja zu mindestens, nachdem wir wieder ein paar Minuten irgendwelche dämlichen Fragen beantwortet haben, wie „Ach wenn ihr Wandern gehen wollt, wo lasst ihr dann euer Gepäck? Oder habt ihr euer Gepäck bei Wanderungen immer mit dabei?“ Ne klar, unseren 23 kg Rucksack auf dem Rücken und den 10 kg Rucksack am Bauch plus noch Taschen mit Snacks setzen wir nie ab und haben wir immer bei uns…. Aber gut, die Grenzbeamtin will uns wahrscheinlich nur ein bisschen aus der Reserve locken und hofft darauf, einen Grund zu finden, uns nicht einreisen zu lassen. Den sucht sie allerdings bei uns vergeblich. Auch wenn sie kurz stutzig wird, als wir ihr erzählen, dass wir zwei Monate nur in Kalifornien verbringen wollen. Spoiler Alarm: Wir haben gelogen. Am Ende wird es nur ein Monat sein und wir werden auch Arizona, Utah und Nevada besuchen. Wie auch immer, sie lässt uns ins Land und weiter geht es mit dem Bus nach Seattle. Dort steigen wir um in den Zug, der dann für die nächsten fast 24 Stunden unser zu Hause sein soll. Der Zug bietet eine Menge Komfort mit einem Panorama Wagon und großen Sitzen mit einer Menge Beinfreiheit. Die Zugreise verläuft ohne jegliche Schwierigkeiten und so kommen wir am nächsten Morgen, fast pünktlich auf die Minute, um 09:00 Uhr in San Francisco bzw. Oakland an, was direkt bei San Francisco auf der anderen Seite der Bucht liegt. Dort befindet sich auch unsere Unterkunft für die nächsten fünf Tage, die als Basis für unsere Erkundung von San Francisco dienen soll. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Appartement kommen wir durch Gegenden, die uns etwas sprachlos werden lassen. Auf dem Bürgersteig, teilweise hunderte Meter entlang an den Straßen, sehen wir provisorisch aufgebaute Zelte, Hütten oder alte, heruntergekommene Wohnwagen und Wohnmobile in denen Menschen leben, die anscheinend anderweitig kein Obdach finden. Das ist einer unserer ersten Eindrücke der USA. Auch wenn wir von der „East Hastings St“ in Vancouver schon einiges gewohnt waren, was menschliches Leid angeht und Lebensumstände die alles andere als schön sind, ist das hier nochmal eine andere Nummer. Wir haben bis kurz vor unserer Ankunft am Appartement das Gefühl, nicht in der besten Gegend von Oakland zu sein. Aber tatsächlich ändert sich das Bild dann abrupt und es sieht von jetzt auf gleich nach einer angenehmen Wohngegend aus. Uns wird bewusst, dass wir das durchaus sichere Kanada verlassen haben und uns nun in einem Land befinden, wo es einfach Gegenden gibt, in die man sich besser nicht verirren sollte.
Unser Appartement ist sehr schön und wir nutzen die Zeit, bis meine Eltern kommen, um uns noch ein wenig auszuruhen und nachmittags schon mal das Nötigste einkaufen zu gehen. Ach, guck mal, denken wir noch im ersten Moment beim Einkaufen, die Preise sind ja kaum höher als in Kanada. Tja, aber leider ist der Umrechnungskurs zum Euro ein ganz anderer. Zum Vergleich: In Kanada war ein 100$ Einkauf umgerechnet zwischen 65 und 70 Euro. Hier sind es über 90 Euro. Heilige Scheiße ist das teuer hier. Aber gut, wir haben ja in etwa schon geahnt worauf wir uns hier preislich einlassen in den USA. Auch wenn wir in den nächsten Wochen noch sehr oft überrascht werden von den doch teilweisen hohen Kosten.
Am Abend ist es dann so weit. Unser Besuch, meine Eltern aus Deutschland, treffen beim Appartement ein. Nach fast 15 Monaten sehen wir uns nun das erste Mal wieder. Und das hier in den USA. Was vor wenigen Wochen mit einer spontanen Idee angefangen hat, wird nun Wirklichkeit. Und es fühlt sich überhaupt nicht so an, als wären 15 Monate vergangen. Als wir uns in den Arm nehmen und begrüßen, fühlt es sich so an, als hätten wir uns vor wenigen Tagen erst, am Hamburger Flughafen verabschiedet. Es ist schön zu merken, dass man sich trotz der großen Distanz und der langen Zeit, nicht von seinen Liebsten entfremden zu scheint. Da wir alle eine lange und anstrengende Anreise hinter uns haben, gehen wir nach dem Abendessen und den ersten Gesprächen, früh schlafen, um morgen fit genug, für unseren ersten Erkundungstag von San Francisco, zu sein.
San Francisco (ohne Blumen im Haar...welche Haare auch?)
Leider stellt sich gleich am ersten Tag heraus, dass die Fahrt von unserem Appartement nach San Francisco doch insgesamt länger dauert als gedacht und ziemlich teuer ist. Durch dieses komplizierte ÖPNV-System in der Gegend, müssen wir zwei unterschiedliche Tickets von unterschiedlichen Anbietern kaufen, um überhaupt erst in die Stadt zu kommen. Aber gut, nun ist es so und wir müssen da durch. Immerhin für den Innenstadtbereich von San Francisco gibt es ein günstiges Tagesticket, was sogar die historischen Cable Cars beinhaltet. Auf Grund des Ticketsystems, entsteht hier auch bereits einer unserer liebsten Anekdoten und Zitate der Zeit hier in den USA: „I need him to listen to me“. Es ist so, dass man, für die Nutzung des „BART“ Bahnsystems, was die Gegend rund um die San Francisco Bucht vernetzt, das Ticket nur digital kaufen kann. Es gibt wohl auch andere Wege, doch die sind für Touristen, die nur wenige Tage in der Stadt sind, sehr kompliziert. Man muss sich also, in sein digitales Wallet auf dem Smartphone, eine „BART-Karte“ herunterladen und lädt diese dann über die Kreditkarte auf. Um die Drehkreuze an den Bahnhöfen zu passieren, hält man dann sein Handy mit der geöffneten BART-Karte an den Scanner, der entsprechende Betrag wird abgebucht und das Drehkreuz freigeschaltet. So die Theorie. Aber wie es eben so ist, mit der digitalen Technologie, funktioniert es nicht immer, und schon gar nicht bei jedem, einwandfrei. Und bei wem machen solche Dinge dann die meisten Probleme? Klar, immer bei der Person, die sich sowieso schon am dollsten über das ganze aufregt. In diesem Fall mein Vater. Er ist kein großer Fan von dieser ganzen digitalen Geschichte und dass man nur noch diese eine Möglichkeit hat, anstatt sich einfach ein physisches Ticket zu kaufen. Und ich stimme ihm da vollkommen zu. Mich nervt es auch, dass man gewisse Angelegenheiten heutzutage nur noch digital machen kann und noch nicht mal mehr die Möglichkeit bekommt auch eine andere Methode zu wählen. Es entsteht eine komplette Abhängigkeit von Smartphones und anderen digitalen Medien. Aber nun gut, ich akzeptiere das einfach für die paar Tage und nehme die Situation hin. Mein Vater allerdings, regt sich immer wieder an den Schranken auf, wenn es mal nicht gleich funktioniert und er nicht durch das Drehkreuz kommt. Und es passiert nicht nur ein Mal, dass wir alle durch das Drehkreuz gehen, uns umdrehen und sehen, wie mein Vater noch dahintersteht, sich aufregt und mit grimmig verzogener Mine versucht durchzukommen. Meistens klappt es dann aber nach ein paar Versuchen und alles ist gut. Aber dann, nach dem es eben schon häufig vorgekommen ist, klappt es schon wieder nicht und diesmal scheint es auch gar nicht zu funktionieren. Egal was er versucht, das Drehkreuz will nicht aufgehen. Wir, die bereits auf der anderen Seite stehen, gehen zu einem Informationsschalter und bitten die Frau dort, meinem Vater zu helfen, durch das Drehkreuz zu kommen. Sie nimmt sich ein mobiles Lesegerät und geht zu meinem Vater, der bereits schlechtgelaunt auf der anderen Seite wartet. Die nette Dame versucht ihm dann gewisse Anweisungen zu geben, was er auf seinem Handy bzw. dem Wallet denn nun öffnen oder drücken soll, damit sie überprüfen kann, ob eventuell ein Problem mit der digitalen Karte vorliegt. Es ist aber so, dass mein Vater zu diesem Zeitpunkt nicht aufhört zu erzählen, dass er alles genauso wie gestern gemacht hätte und es da noch funktioniert hat usw.. Irgendwann, als die Angestellte merkt, dass mein Vater ihr nicht zuhört, dreht sie sich mit einem genervten und leicht verzweifeltem Gesichtsausdruck zu uns um und sagt, fast schon verzweifelt „Please, I need him to listen to me“. Ich kann gar nicht genau beschreiben, wieso es ausgerechnet diese Situation so sehr geschafft hat, sich bei uns ins Gedächtnis einzubrennen. Es ist vielleicht der Umstand, dass es ausgerechnet immer meinem Vater passiert, dass es nicht funktioniert, die Verzweiflung im Gesicht der Frau, die es nicht schafft, sich bei meinem fluchenden Vater Gehör zu verschaffen oder einfach die Symbolik, für die Schwierigkeiten einer voll digitalisierten Welt. Auf jeden Fall führt dieser Moment zu einer großen Belustigung unsererseits und bleibt uns (vielleicht mein Vater ausgenommen) als lustige Anekdote für unsere Zeit in San Francisco in Erinnerung. Achja, nachdem die Frau kurz das Handy meines Vaters in die Hand genommen hat und ein zwei Klicks vorgenommen hat, funktioniert alles wieder und wir können endlich in die Bahn nach San Francisco steigen.
In den vier Tagen, die wir für San Francisco eingeplant haben, machen wir all das, was ein typischer Tourist halt so macht in der Stadt. Wir besuchen die Fisherman´s Wharf und Pier 39 mit den unzähligen Gift-Shops, Restaurants und Cafés und den hunderten Seelöwen, die dort in der Marina einige Pontons für sich beansprucht haben. Wir fahren mit den historischen Cable Cars und „surfen“ auf dem schmalen Trittbrett der Wagons die steilen Straßen hoch und runter. Wir gucken dabei zu, wie sich die Autos die berühmte kurvig-steile Lombard St. hinunter quälen. Schlendern durch die absurde Parallelwelt von Chinatown und dem bekannten Hippie Viertel Haight Ashbury, wo Stars wie Janis Joplin oder Jimi Hendrix ihren Anfang nahmen. Wir gucken uns die Painted Ladies, eine Häuserreihe die spätestens mit der TV Serie „Full House“ große Berühmtheit erlangte, an. Und natürlich dürfen auch die Highlights der Stadt, die Golden Gate Bridge und Alcatraz, nicht fehlen.
Tatsächlich sind es vor Allem diese beiden Attraktionen, die bei uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Bei der Golden Gate Bridge kann ich noch nicht einmal genau sagen, woran das liegt. Eigentlich nur eine Brücke die vor vielen Jahren hier über diese Bucht gebaut wurde. Und vorher habe ich immer gesagt, wahrscheinlich wird man dann vor dieser Brücke stehen und sich, wie bei so vielen anderen berühmten Sehenswürdigkeiten, denken: „Och Joa…….“. Aber dem ist nicht so. Das aller erste Mal sehen wir die Brücke an unserem ersten Tag in San Francisco. Aber nur aus der Ferne von der Pier 39 aus. Als wir dann aber zwei Tage später endlich die Brücke mal aus der Nähe betrachten, verschlägt es uns fast den Atem. Wieso? Keine Ahnung. Wirklich. Vielleicht ist es das Farbspiel von der roten Brücke, des blauen Wassers und der gelben Landschaft auf der anderen Seite. Vielleicht ist es auch dieses mystische Gefühl, dass durch den immer wieder aufziehenden Nebel verursacht wird. Apropos Nebel, ein Fakt den ich wirklich unterschätzt habe. Man hört ja viel über den berühmten Nebel, der über der Bucht von San Francisco liegt. Und ich habe gedacht, das sei ein typisch amerikanischer Mythos und einfach ein bisschen spektakulärer erzählt als es ist. Aber nein. Dieser Nebel ist wirklich faszinierend und etwas, was wir bisher so nicht erlebt haben. Es kann ein wunderschön sonniger Tag mit strahlend blauem Himmel sein und auf einmal schiebt sich vom Pazifik aus eine Nebelbank über dem Wasser in die Bucht hinein und verschlingt alles in sich. Die eben noch so schöne Aussicht auf die Golden Gate Bridge ist auf einmal Weg. Alcatraz sieht man auch nicht mehr und es wird deutlich kühler und ungemütlicher. Meistens passiert das gegen Abend, aber es kommt auch vor, dass tagsüber solche Nebelfelder in die Bucht ziehen. Besonders am nächsten Tag bekommen wir den Nebel noch deutlich zu spüren. Wir beschließen die Gegend rund um San Francisco ein wenig mit dem Mietauto zu erkunden und wollen uns die Brücke auch nochmal von der anderen Seite, mit dem Blick auf San Francisco, ansehen. Strahlend blauer Himmel und die Sonne begleiten uns auf unserer gesamten Tour. Bis wir zum Aussichtspunkt kommen. Enttäuscht stellen wir fest, dass von der Brücke nur maximal das oberste der zwei Türme zu sehen ist. Sonst nichts. Und wir stehen da in der knallen Sonne unter strahlend blauem Himmel. Als wir noch ein bisschen dort abwarten, reißt irgendwann diese Nebelbank auf und siehe da, die ganze Brücke kommt zum Vorschein und wir können doch noch den Ausblick genießen. Zu mindesten für ein paar Minuten, denn dann zieht es wieder zu und die Brücke verschwindet erneut in einen dicken grau-weißen Schleier.
Die andere Attraktion, die uns einen bleibenden Eindruck beschert, ist eines der bekanntesten Gefängnisse dieser Welt. Die Tour, um Alcatraz zu besichtigen, haben wir bereits ein paar Wochen im Voraus gebucht. Entschieden haben wir uns für die „Night Tour“ bei der man erst am Abend, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, mit einem Boot auf die Insel schippert. Dort angekommen, hat man dann Zeit die Insel und die Hauptattraktion, den Gefängnistrakt, zu erkunden. Für den Gefängnistrakt gibt es einen Audioguide, der mittels Geschichten und Zeitzeugenberichten den Alltag in Alcatraz erstaunlich real rüberbringt. Als es irgendwann dann dunkel draußen ist, ändert sich auch die Stimmung im Gebäude. Das einzige Licht kommt jetzt von den alten Lampen, die an der Decke hängen und alles in so einem retro-gelblichen Licht erscheinen lassen. Es ist fast schon beängstigend jetzt, hier durch dieses verlassene Gefängnis zu laufen. Ein weiterer Vorteil des späten Besuches, ist es, dass weniger Besucher/innen auf der Insel sind als tagsüber. So kann man entspannt durch die Gänge gehen und alles auf sich wirken lassen. Wir hören die Geschichten der berühmtesten Insassen von Alcatraz und die legendären Fluchtversuche aus diesem nahezu ausbruchsicheren Gefängnis. Ich kann gar nicht genau beschreiben, was es hier ist. Irgendwas liegt hier in der Luft, was die Stimmung so mystisch sein lässt. Sind es all diese Geschichten, die wir gehört haben? Ist es der Geruch nach Eisen, Beton und der kühlen Meeresbrise, die durch die Fenster hineinweht? Sind es diese winzigen Zellen, die ein so beengendes Gefühl auslösen? Die Geräusche, die in dieser Halle von den Betonwänden reflektiert werden und sich mit den leisen Geräuschen der Bucht, den Möwen und der Stadt in der Ferne mischen? Besonders bedrückend ist es, in eine der Isolationszellen hineinzugehen. Dies sind Zellen, die kein bisschen Tageslicht durchlassen und keinerlei Einrichtung besitzen. Nur ein kahler Raum mit einem kalten Betonboden. Während wir in einer dieser Zellen stehen, können wir der Erzählung eines Gefangenen lauschen, der über seine Zeit in einer solchen Isolationszelle berichtet. Ein Gänsehautmoment. Er berichtet über ein Spiel, dass er sich selbst ausgedacht hat, um hier drin nicht den Verstand zu verlieren. Er reißt sich einen Knopf seiner Kleidung ab, wirft diesen in die Luft und versucht ihn dann am Boden zu finden. Und das immer und immer wieder, nur um den Verstand nicht völlig zu verlieren. Zwei weitere Orte, die eine besondere Stimmung versprühen, sind der Speisesaal und das Hospital. Der Speisesaal ist ein großer Raum, an dessen Ende sich die Essensausgabe befindet. Da es damals als einer der gefährlichsten Orte hier galt, weil viele Gefangene gleichzeitig zusammengekommen sind und Besteck als Waffe zur Verfügung hatten, gab es an der Decke Kanister mit Tränengas, die im Falle eines Aufstandes ausgelöst werden konnten, um die Gefahr schnellstmöglich zu bannen. Gespräche waren hier verboten und am Ende einer jeden Mahlzeit wurde das Besteck und alle sonstigen Utensilien akribisch gezählt. Genau über dem Speisesaal liegt das Hospital. Im Gegensatz zum restlichen Gefängnistrakt, wo ein warmweißes, fast schon gelbliches Licht vorherrscht, ist es hier ein kaltes weißes, nahezu grünliches Licht. Wir gehen einen engen Flur entlang, von dem man aus in die einzelnen Behandlungsräume oder Unterbringungen blicken kann. Die grau-grüne Wandfarbe blättert an vielen Stellen ab und mit den Gegenständen wie eine alte Badewanne, ein Behandlungstisch oder einem alten Rollstuhl gibt es uns ein Gefühl in die Kulisse eines Horrorfilms getreten zu sein. Ganz am Ende unseres Aufenthaltes auf Alacatraz, kurz vor der Abfahrt wieder zurück aufs Festland, gibt es noch eine ganz besondere Vorführung. Begleitet von weiteren Geschichten und Fakten über Alcatraz, demonstriert uns eine Angestellte das Öffnen und Schließen der Zellentüren. Sie erklärt den ausgeklügelten Mechanismus mit dem man nur mittels einer Mechanik entweder eine bestimmte, oder mehrere oder eine ganze Reihe an Zellentüren öffnen und schließen kann. Und dieses Geräusch, als eine ganze Reihe der Zellentüren sich schließt und durch die Gänge hallt, geht durch Mark und Bein. Es klingt gewaltig und angsteinflößend. Die Vorstellung, hier drin gefangen zu sein und ein solches Geräusch mehrmals am Tag zu hören, lässt uns sprachlos zurück. Und auch heute sitzen noch tausende Menschen in den Gefängnissen der USA, die kaum bessere Standards bieten als Alcatraz, und hören tagtäglich mehrmals das Geräusch der sich schließenden Zellentüren. Auf der Bootsfahrt zurück bekommen wir noch einen schönen Ausblick auf die nächtliche Skyline von San Francisco, die sich zum Teil aber schon wieder im Nebel versteckt.
Die Stadt gefällt uns insgesamt sehr gut. Es ist endlich mal wieder eine Großstadt mit schöner Architektur, einem ganz speziellen Flair und irgendwie ist sie auch entspannt. Die Straßenzüge sind gesäumt von schönen, bunten viktorianischen Häusern und mit der Verbindung zum Wasser ergibt das eine Art „Laid-Back Feeling“ in der Stadt. Wir können uns vorstellen, dass es nicht unser letzter Besuch in San Francisco war. Denn auch, wenn wir vieles gesehen haben in den wenigen Tagen, so gibt es noch weitaus mehr zu erleben.
Auf ins Nomadenleben (endlich wieder)
Da meine Eltern nicht den ganzen Weg gekommen sind, um sich nur diese eine Stadt anzugucken, haben sie sich für die nächsten drei Wochen ein Wohnmobil gemietet, in dem sogar auch Lara und ich Platz haben und somit mitfahren können. Typisch amerikanisch, ist es natürlich nicht so ein kleines Miniwohnmobil, sondern eine 29 ft (fast 9 Meter) lange Riesenschleuder. Zu der Übernahme fahren wir mit dem Mietauto, um so unser ganzes Gepäck einfach direkt ins Wohnmobil laden zu können. Das bedeutet aber auch, dass meine Eltern das Mietauto noch abgeben müssen und wir die beiden bei der Mietstation mit dem Wohnmobil abholen. Ich bin in meinem Leben noch nie ein Fahrzeug dieser Größe gefahren. In Deutschland ist das sowieso fernab von dem, was mit meiner Führerscheinklasse B überhaupt erlaubt wäre. Naja, dann fahren wir jetzt mal mit einem übertrieben langen, breiten und hohen Wohnmobil durch eine US-amerikanische Großstadt. Aber irgendwie geht es doch erstaunlich gut. Man darf sich halt einfach nicht von der Größe einschüchtern lassen.
Es fühlt sich schön an, mal wieder auf der Straße unterwegs zu sein und das Gefühl der Freiheit zu spüren. Auch wenn unser jetziges Gefährt deutlich anders ist als Mausi, so kommt doch teilweise wieder ein ähnliches Gefühl in uns hoch. Herrlich! So geht es für uns die nächsten Tage erstmal die kalifornische Küste hinunter. Der Highway 1 bietet dabei teils spektakuläre bis etwas angsteinflößende Aussichten, während wir auf der kurvenreichen Straße, direkt an der Küste entlangfahren. Direkt neben der Straße geht es teilweise viele Meter steil bergab. Leider gab es vor wenigen Monaten hier auf dem Highway 1 zwei Erdrutsche bei denen ganze Teile der Straße mit runtergerissen wurden. Deswegen können wir das spektakulärste Stück des Highway 1 nur etwa 50 km befahren. Kurz vor der Straßensperrung liegt der Pfeiffer Big Sur State Park, in dem wir eine Nacht bleiben, um dann am nächsten Tag wieder umzukehren und die 50 km zurück gen Norden zu fahren. Von hier aus geht es dann über den Highway 101, der weiter im Innenland verläuft, gen Süden nach Morro Bay. Hier wollen wir das Wochenende verbringen und freuen uns auf zwei schöne Tage direkt am Strand mit Sonne und Meer. Aber nö! Wieder einmal hat uns der kalifornische Nebel fest im Griff und so bietet uns Morro Bay eher trübe Aussichten aufs Meer. Aber immerhin bekommen wir wieder ein paar Seelöwen und einige Seeotter zu sehen.
Auf Grund des doch eher ungemütlichen Wetters und dem vorherrschenden Nebel an der Küste entscheiden wir uns dazu, früher als gedacht, den Weg ins Landesinnere einzuschlagen. Wir wollen so auch Los Angeles umgehen, da wir momentan keine Lust mehr auf Städte haben und schon gar nicht auf eine Großstadt wie LA.
Es wird heiß und rot.
Immer wieder begleitet uns ein großes Problem auf unserer Reise. Wohin wollen wir? Wo übernachten wir? Was wollen wir da machen, wo wir hinwollen? Ob das First-World-Problems sind? Definitiv! Aber es beschäftigt uns eben immer wieder. Wir alle reisen lieber spontan und würden am liebsten gucken wo uns der Weg hinführt und dort bleiben, wo es uns gefällt. Aber wenn man mit einer Art LKW durch die Gegend fährt, muss man selbst hier in den USA, wo alles eine Nummer größer ist, doch besser vorausplanen. Wir wollen auch nicht unbedingt immer in irgendwelchen überteuerten RV-Parks übernachten, die oft den gleichen Charme haben, wie ein Walmart Parkplatz und wo die Nacht teilweise über 100$ kostet. Wir wollen gerne in der Natur sein, auf Campingplätzen die schön sind und dazu noch bezahlbar. Das ist aber mit einem Wohnmobil dieser Größe eine gewisse Herausforderung, da die Stellplätze auf solchen Campingplätzen nun mal begrenzt sind. Also setzen wir uns alle paar Tage zusammen und versuchen die nächsten Tage zu planen und ein paar schöne Plätze zu buchen. Wie sich herausstellt, auch nicht immer ganz einfach. Mal ist der Empfang schlecht, oder gar nicht vorhanden. Mal funktioniert das online Buchungssystem nicht oder die ein oder andere Kreditkarte wird nicht akzeptiert. Aber am Ende, nach etwas Fluchen und Ärgern, geht es dann doch immer irgendwie.
Unser nächstes großes Ziel im Landesinneren ist der Grand Canyon. Da es noch ein ziemlich weiter Weg ist dahin, suchen wir auf dem Weg nach zwei Übernachtungsmöglichkeiten und machen uns auf den Weg. Erster Halt: ALDI! Richtig, die Deutschen müssen erstmal zu ALDI. Aber mal im Ernst. Nach, bereits einigen Einkäufen in den gängigen amerikanischen Supermärkten, wo man am besten vorher noch ein Termin beim Kardiologen macht, weil spätestens beim Bezahlen das Herz ziemlich beansprucht wird, sehnen wir uns nach einigermaßen bezahlbaren Lebensmitteln. Es ist erstaunlich, wie schnell man hier bei normalen Einkäufen die 200$ oder 300$ Marke überschreitet. Immerhin bekommen wir bei Aldi einen gut gefüllten Einkaufswagen für 100-150$. Laut unserer Recherche gehören tatsächlich Aldi und Lidl auch hier in den USA zu den günstigsten Supermärkten und verbreiten sich immer mehr im Land. Nach unserem Erfolgsshopping geht es dann weiter zu unserem ersten Tagesziel: Calico Ghosttown. Eine alte Western-Stadt die vor etwa 100 Jahren dort, auf Grund der Silberminen, entstanden ist. Wir übernachten auf dem dazugehörigen Campingplatz und besuchen am nächsten Morgen die Geisterstadt. Naja, so viele Geister sind da jetzt nicht. Eher viel Lebendiges. Die alte Stadt wirkt im Gesamten mehr wie eine Westernstadt im Disneyland. Viele kleine Geschäfte, die alle Souvenirs verkaufen oder Cafés und Restaurants die überteuerte Snacks und Getränke anbieten. Es ist allerdings auch alles sehr nett gemacht und das ein oder andere Gebäude ist noch im Originalzustand oder wurde mit viel Liebe restauriert. Aber wie gesagt, mit einer Geisterstadt, hat es meiner Meinung nicht viel zu tun. Wir bekommen dennoch die Chance einen Einblick in das Leben von damals zu bekommen, was sehr interessant ist und ja auch irgendwie dazu gehört, wenn man in dieser Gegend der USA unterwegs ist. Eine Sache die uns hier bereits zu schaffen macht, ist die Hitze. Jaa, gestern haben wir uns noch Sonne und Wärme gewünscht und heute befinden wir uns hier in dieser brütenden Hitze der Wüste. Oder wie auch immer man diese Landschaft hier nennen möchte. Von den gelben, leicht bewachsenen Hügeln an der Küste sind wir schnell in diese Landschaft gekommen, die man nur schwer beschreiben kann. Felsig, rot, gelb, orange, weit und so ganz anders als alles, was wir bisher so gesehen haben. Und das ist erst der Anfang.
Für uns geht es jetzt weiter in Richtung Grand Canyon. Aber bevor wir dort ankommen, müssen wir noch einen weiteren Übernachtungsstopp einlegen. Und der soll diesmal direkt an einer der bekanntesten Straßen der Welt sein.
Die Route 66
Ursprünglich verlief der Freeway 66, wie er offiziell heißt, von Chicago nach Los Angeles. Heutzutage hat die Straße in offiziellen Straßenkarten sogar teils die Bezeichnung „66“ verloren und wird zum Beispiel, auf dem Teil, den wir befahren, als Highway 10 ausgeschrieben. Daher lohnt es sich ein bisschen in Reiseführern zu stöbern, um die schönsten Abschnitte der Route 66 zu fahren. Lange Strecken verlaufen nämlich auch nur parallel zum heutigen Highway und bieten daher keine spektakulären anderen Aussichten. Auch wir fahren eine Zeit lang parallel zur Historic Route 66 und wollen von dem kleinen Ort Topock aus dann auf die Route 66 abbiegen. Von hier aus verläuft die Strecke über einen Gebirgskamm und durchquert später auf der anderen Seite die Stadt Kingman. Am Ortsausgang von Topock warnt ein Schild davor, dass die Straße nur für Fahrzeuge bis maximal 30 ft befahrbar ist. Was soll also schon passieren mit einem 29 ft Gefährt? Also ab dafür. Wie heißt es im kölschen Grundgesetz so schön: Et hätt noch immer jot jejange! Und so auch diesmal. Die erste halbe Stunde ist es auch noch recht harmlos. Es geht mal auf und ab, links und rechts und fühlt sich ein bisschen an wie in einer Achterbahn, aber noch nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Wir kommen durch den kleinen Ort Oatman. Eine ehemalige Goldgräberstadt die noch heute gesäumt ist von diesen typischen Wild-West Gebäuden. Saloons, Cafés und Souvenirshops dominieren hier das Ortsbild. Eine weitere Attraktion hier sind die „Burros“. Heute wilde und freilaufende Esel, die sich in und um den Ort tummeln. Man muss beim Fahren sehr aufpassen, weil sie teilweise hinter einer Kurve einfach mitten auf der Straße stehen und auch keine wirklichen Anstalten machen aus dem Weg zu gehen. Kurz nach Oatman beginnt dann auch der Teil der Strecke, weswegen es hier eine Längenbegrenzung gibt. Nochmals weisen Schilder auf eine steile, sich windende Strecke mit engen Kurven hin. Aber hey, wir sind doch ganze 30cm unter der maximal erlaubten Länge. Zugegeben, die Straßen sind hier und da schon ganz schön eng und bei einigen Kurven bin ich sehr dankbar, dass uns niemand entgegenkommt. Wir kämpfen uns eine ganze Weile den Berg rauf. Immerhin ist dieses Wohnmobil ausreichend motorisiert und hat mit den teils steilen Steigungen kein Problem. Bei der ein oder anderen Haarnadelkurve hätte uns aber auch wirklich niemand entgegenkommen dürfen, denn wir passen da gerade so durch. Außer der Länge, ist auch die Breite hier eine Herausforderung. Die Straße führt teils direkt entlang der Felswand, zu der wir dann nur noch wenige Zentimeter Abstand haben. Ich glaube mein Vater, der hinten sitzt, während ich fahre, schwitzt teilweise mehr als ich hier vorne. Fast oben angekommen, machen wir einen kurzen Halt an einem Aussichtspunkt, um uns und dem Auto mal eine kleine Pause zu gönnen. Und wieder macht sich vor uns eine ganz andere Landschaft auf, die wir von hier oben aus zu sehen bekommen. Die Rottöne sind dunkler geworden und wir blicken auf eine sehr karge und zackige Landschaft. Nach kurzem Durchatmen geht es weiter. Wir müssen schließlich den Berg, den wir gerade hochgefahren sind, auch wieder runter. Und naja. Auch wenn ich mir das nicht vorstellen konnte, wurde die Fahrt runter nochmal, spannender als die Fahrt hoch. Um es in wenigen Worten zu beschreiben: Eng, knapp, tief und uiuiui. Aber dann ist es auch irgendwann geschafft. Ich will gar nicht wissen, wie viele Tode mein Vater auf der Rückbank gestorben ist, aber es werden einige gewesen sein. Und von einer so aufregenden Strecke geht es dann auch direkt über in das krasse Gegenteil. Kilometerlang geht es nur gerade aus. Und gerade aus. Und gerade aus. Bis wir irgendwann endlich durch Kingman kommen. Zum Grand Canyon können wir nun von hier aus den direkten Weg über den neuen Highway 40 fahren oder wir fahren noch einen kleinen Schlenker weiter auf der Route 66. Da es im weiteren Verlauf der Route 66 noch ein paar Attraktionen zu sehen geben soll, die aussehen wie aus einem Film, entscheiden wir uns für den kleinen Umweg. Wenige Kilometer hinter Kingman finden wir direkt neben der Route 66 den „Outpost Saloon“. Eine Kneipe, die aber auch Essen und Stellplätze für Wohnmobile anbietet. Essen, Bier und ein Platz für die Nacht, klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Als wir allerdings zwischen 18 und 19 Uhr dort ankommen, erzählt mir die nette Inhaberin der Kneipe, dass die Küche leider schon um 18 Uhr zu macht, aber dass bis 19 Uhr noch Getränke ausgeschenkt werden. Sie bietet uns einen der Stellplätze ohne Strom- und Wasseranschluss an, der dafür aber auch kostenfrei ist. Dankend nehmen wir dieses Angebot an und positionieren unser zu Hause für die Nacht. Der Saloon, dessen Besitzerin so unfassbar nett ist, ist eine Kneipe, wie man sie sich vorstellt hier an der Route 66. Holz vertäfelte Wände, Neonlichtwerbung erhellt den Raum, an der Wand hängt ein riesiger Fernseher, auf dem irgendeine Sportsendung läuft, die niedrige Decke ist gespickt mit hunderten Geldscheinen aus aller Welt und an der Theke sitzen zwei Gestalten, die uns mit einem mürrischen „Hey there“ begrüßen. Eine Kulisse, wie aus einem Film. Wir entscheiden uns, zu mindestens noch ein Bierchen zu trinken und den Tag so ausklingen zu lassen.
Der nächste Morgen beginnt für uns erstmal ohne Frühstück. Denn wir wollen in Seligman, ca. eine Stunde Fahrt von hier, mal richtig typisch amerikanisch Frühstücken. Auf dem Weg dahin, machen wir noch einen kurzen Halt beim Hackberry General Store. Was in den besten Jahren der Route 66 wohl mal tatsächlich, als eine Art Raststätte mit Tankstelle diente, ist heutzutage eher ein Souvenirshop und eine Touristenattraktion. Draußen stehen einige alte, teils heruntergekommene, Oldtimer im Sand. Vor dem Laden kann man ein paar der alten Zapfsäulen bewundern und sowohl drinnen als auch draußen ist der General Store dekoriert mit hunderten Schildern, Reklametafeln und sonstiger Deko, die man als so typisch US-amerikanisch empfindet. Kaum ein Quadratzentimeter der Wände ist nicht behangen mit Erinnerungen an eine frühere Zeit. Man weiß gar nicht wo man zuerst hinschauen soll. In den Regalen findet man alles, was man sich erdenken kann, mit einem Route 66 Aufdruck und man fühlt sich in der Zeit zurückversetzt. Aber es ist authentisch. Das hier ist nicht irgendein Möchtegern-Ami-Laden, den irgendeine verlorene Seele in seiner Midlife-Crisis in Schrankenhusenborstel in Deutschland aufgemacht hat, in der man verzweifelt versucht dieses „coole“ Ami Feeling nach Deutschland zu bringen. Nein, das hier ist echt. Das ist die Route 66! Wir kommen noch an einigen solcher Läden vorbei. Teilweise sind es jedoch heute nur noch Ruinen, die erahnen lassen, wie lebhaft diese Strecke mal gewesen sein muss. In Seligman angekommen, bekommen wir dann auch endlich unser heiß ersehntes Frühstück. Wie es der Zufall so will, landen wir aber ausgerechnet in einem Diner, das vor vielen Jahren von einer deutschen Auswanderin gegründet wurde. Dennoch haben wir hier ein super amerikanisches Frühstück bekommen, das an Kalorien und Fett nicht geizt.
Dann sollte es heute auch endlich so weit sein. Unser lang ersehntes Ziel liegt nun in erreichbarer Nähe:
Der Grand Canyon
Wir hatten vor zwei Tagen bereits geguckt, ob wir noch einen Platz auf dem Campingplatz bekommen, der sich direkt im Nationalpark befindet. Leider war da schon alles ausgebucht und es gab für uns dann nur noch die Möglichkeit auf einen der „First Come First Serve“ Plätze zu hoffen. Aber heute, wie durch ein Wunder, wurde dann anscheinend doch noch wieder ein Platz frei. Und es war sogar ein Platz, der für unsere Größe passte. Wir reservieren also schnell zwei Nächte und freuen uns, nun zwei Tage direkt im Grand Canyon National Park verbringen zu können. Die Umgebung ist erstmal recht unspektakulär. Es geht eine lange Straße immer geradeaus in Richtung Grand Canyon. Links und rechts ein paar Bäume und weitestgehend flaches trockenes Land. Irgendwann passiert man eine kleine Ortschaft und kurz darauf den Eingang zum Nationalpark. Angekommen auf unserem Campingplatz, haben wir immer noch nichts gesehen von diesem berühmten Naturwunder. Lara entdeckt auf einem Plakat, dass es heute Abend noch eine Informationsveranstaltung, an einem der Aussichtspunkte am Canyon geben soll. Es ist eine Veranstaltung zur partiellen Mondfinsternis, die wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollen. So gehen wir am Abend in Richtung des „Rim“, des Abgrunds bzw. dem Rand des Canyons. Wir kommen unserem Ziel immer näher, aber so richtig spektakulär will es einfach nicht werden. Immer noch nur flaches Land mit teilweise vertrockneten Bäumen. Doch dann, kurz vor der Aussichtsplattform, haben wir zum aller ersten Mal einen Blick auf den Grand Canyon. Und was soll ich sagen? Es verschlägt und die Sprache. Wir hatten schon befürchtet, dass es wieder eines dieser „Das habe ich mir aber spektakulärer vorgestellt“ Momente werden könnte, aber ganz im Gegenteil. So spektakulär haben wir uns diese Aussicht nicht vorstellen können. Von dem flachen Land geht es von jetzt auf gleich hunderte Meter abwärts. Drüben auf der anderen Seite, kann man die „North Rim“ sehen und gut erkennen, wie flach das umliegende Land ist. Es sieht einfach so aus, als hätte man in dieses platte Ebene, eine Schneise gefräst. Die untergehende Sonne lässt den Canyon in einem wunderschönen rot-orangenem Licht erstrahlen und die unterschiedlich hohen Gesteinsschichten im Canyon werfen lange Schatten auf die Landschaft. Die Farbe des Gesteins ändert sich minütlich und bietet ein prachtvolles Farbenspiel in jeglichen rot, orange und gelb Tönen. Zu der Sprachlosigkeit und dieser faszinierenden Landschaft gesellt sich ein Gefühl wie „wir haben es geschafft“, „we made it“. Der Grand Canyon ist schließlich nicht bloß ein Naturwunder, sondern gilt auch immer ein wenig als Symbol für die Ferne und das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Er ist der Inbegriff eines Symbols, was wie kaum ein anderes, für Fernweh und das Reisen steht. Und wir sind nun hier. Stehen am Abgrund dieses Naturwunders und dürfen diesen einmaligen Blick genießen. Es ist schon verrückt, dass wir bis vor wenigen Wochen noch nicht mal mehr geplant hatten, die USA zu bereisen. Und bis vor wenigen Tagen auch noch gar nicht den Plan, so weit ins Landesinnere zu fahren mit dem Camper. Ich weiß noch, wie ich gesagt habe „Weiß ich nicht, ob sich das lohnt. Da fährt man wieder so weit, schraubt seine Erwartungen hoch und am Ende ist man dann doch nur enttäuscht.“ Mensch bin ich jetzt froh, dass ich da absolut falsch lag. Und wie es sich lohnt. Die partielle Mondfinsternis an sich ist dann zwar recht unspektakulär, da man maximal durch die bereitgestellten Teleskope ein wenig den Schatten auf dem Mond erahnen kann, aber die abendliche Stimmung und der später sternklare Himmel über dem Canyon ist wirklich wunderschön. Und mit diesem ersten Eindruck, der kaum hätte spektakulärer sein können, beenden wir den ersten Tag und freuen uns schon auf die nächsten zwei Tage hier am Grand Canyon.
Es gibt viele Wege den Grand Canyon zu erkunden. Etliche Wanderwege führen hinunter und irgendwann auch wieder hinauf. An der Kante entlang gibt es viele Aussichtspunkte, die man entweder zu Fuß oder mit einem Shuttle Bus erreichen kann, oder wenn man noch ein bisschen Geld übrighat, kann man sich einen Hubschrauberflug gönnen. Wir entscheiden uns dann doch für die ökonomischste Variante, nehmen einen der Busse und fahren zu dem ein oder anderen Aussichtspunkt. Der Blick hinab ist nicht an jeder Ecke immer wieder neu und ganz anders, aber seine Faszination verliert der Grand Canyon dadurch definitiv nicht. Der Ausblick ist überwältigend. Eine endlose Weite aus schroffen Felswänden, tiefen Schluchten und leuchtenden Farben. Die Größe des Canyons ist sehr beeindruckend. An seiner breitesten Stelle misst er bis zu 30 km und geht teilweise 1800 m steil bergab. Eine Dimension, die man sich von hier oben gar nicht vorstellen kann. Es gibt einen Moment, an dem uns die Größe und Weite des Canyons noch mal richtig bewusst gemacht wird. Wir blicken hinunter auf den Colorado River, der sich da ganz unten durch die Felsen schlängelt. Und es sieht schon alles gewaltig und so unfassbar groß aus, aber dann sehen wir einen klitzekleinen Punkt zwischen den Felsen fliegen. Man könnte fast meinen, dass eine Fliege vor unseren Augen schwirrt. Und bei genauerem Hinsehen wird uns klar, dass da ein Helikopter fliegt. Wow! Wenn dieser große Helikopter, so winzig dort unten aussieht. Wie riesig und gewaltig müssen dann bitte diese Felswände sein? Wahnsinn! Einfach nur atemberaubend.
Um das Grand Canyon Erlebnis komplett zu machen, wollen wir, nachdem wir nun schon einen spektakulären Sonnenuntergang gesehen haben, auch den Sonnenaufgang nicht verpassen. Daher stellen wir uns nächsten Morgen den Wecker auf früh, sehr früh und stehen mitten in der Nacht auf. Es ist noch eisig kalt und uns fällt es schwer, die Motivation aufzubringen, aus dem Bett zu krabbeln und in die dunkle, kalte Nacht hinauszugehen. Aber wann kann man schon mal einen Sonnenaufgang am Grand Canyon erleben? Also los. Wir müssen etwa eine dreiviertel Stunde laufen, bevor wir an dem, zu mindestens laut Google Recherche, besten Aussichtspunkt für den Sonnenaufgang ankommen. Als wir ankommen, warten schon ein paar andere Menschen auf das, was nun folgt. Es dämmert bereits und das erste Licht des Tages verdrängt langsam die Sterne vom Himmel und erweckt den Grand Canyon zum Leben. In der Stille des Morgens, schauen wir auf die dunkelblauen bis grauen Felsformationen und beobachten gespannt, wie im Osten der Himmel sich langsam, aber stetig verändert. Wo eben noch Dunkelheit herrschte, strahlt der Himmel nun in einem blassen Rosa bis leuchtendem Orange und Gold. Mit jeder Minute ändert sich die Stimmung und die Farben des Canyons. Die Felswände werden langsam in Farbe getaucht und treten immer weiter hervor aus ihrem Schatten. Und dann ist es so weit, die ersten Sonnenstrahlen blicken über den Horizont und werfen ihr Licht auf diese atemberaubende Landschaft. Die Sonne wirft ihr warmes Licht mit den rot, orange und Gelbtönen in die Schlucht und von Sekunde zu Sekunde verändert sich das Bild. Durch die Schatten, die sich jetzt schnell verändern, wirkt es, als würde der Canyon leben. Die Kontraste, die dadurch entstehen, lassen die Felsformationen noch kantiger, facettenreicher und spektakulärer aussehen. Das Gefühl der Wärme auf der Haut von den ersten Sonnenstrahlen im Gesicht, die Stille, die langsam immer mehr von Vögeln durchdrungen wird. Und das, was wir gerade mit unseren eigenen Augen sehen dürfen, wird wohl für immer eingebrannt in unserem Gedächtnis sein. Es dauert nicht lange und der Himmel ist überzogen mit einem tiefen satten blau und die Sonne steht bereits weit über dem Horizont. Immer noch verändert sich die Farbe der Felsen von Minute zu Minute, aber das größte Spektakel scheint vorüber zu sein. So beschließen wir wieder zurück zum Campingplatz zu gehen, zu frühstücken und die Eindrücke erstmal zu verarbeiten, denn heute Nachmittag haben wir noch ein weiteres Highlight geplant.
Um den Grand Canyon richtig erleben zu können, und auch mal aus einer anderen Perspektive zu sehen, muss man rein in den Canyon. Es gibt viele Wanderwege, aus denen man sich die beste Option raussuchen kann. Viele dieser Wege gehen bis runter zum Fluss und auf der anderen Seite wieder rauf zum North Rim. Um diese Wanderungen zu machen, bedarf es allerdings einer guten Vorbereitung und es handelt sich meistens um Mehrtageswanderungen. Man darf diesen Canyon nicht unterschätzen. Es geht teilweise bis zu 1800 m runter, die man dann irgendwann auch wieder rauf muss. Dazu kommen die extremen Temperaturunterschiede. Wo es im Sommer oben am Rand angenehme 20°C sind, können es unten schon bis zu 38°C sein. Man sagt, dass die Temperatur pro 100 m Höhenunterschied um etwa 1°C ansteigt, je tiefer man in den Canyon hinabsteigt. Wir suchen uns daher nur eine kurze, aber dennoch herausfordernde Wanderung aus. Auch für diese, wird von dem Nationalpark empfohlen, die Mittagshitze zu vermeiden. Man soll entweder vor 10 Uhr oder nach 16 Uhr mit der Wanderung starten. Und deutsch wie wir sind, stehen wir um kurz nach 16 Uhr oben an der Kante, am Start des Wanderweges. Es handelt sich um den South Kaibab Trail, der in 11,4 km ca. 1460 m hinab zum Colorado River führt und von dort aus über den North Kaibab Trail, weitere 23 km und wieder 1730 m bergauf auf den North Rim. Auch dies ist eine der Mehrtageswanderungen, für die uns heute leider die Zeit fehlt (und vielleicht auch die körperliche Fitness) und deswegen soll es dann erstmal nur bis zum „Ooh Aah Point“ und wieder zurück gehen. Die Wanderung dahin ist etwa 3 km lang und geht insgesamt 210 Meter den Canyon hinunter. Ein Großteil des Abstieges müssen wir gleich am Anfang der Wanderung meistern, wo sich der Weg in Serpentinen, gefühlt endlos an der steilen Felswand entlang schlängelt. Es kommen uns immer wieder Menschen entgegen mit hoch rotem Kopf, hechelnd und völlig außer Atem. Bei einer Gruppe sehen wir auch, dass eine etwas ältere Frau, die Probleme mit dem Aufstieg hat, bereits von zwei Rangern des Nationalparks begleitet wird. Es wird uns bewusst, dass diese „kurze“ Wanderung nicht zu unterschätzen ist. Das Problem ist, dass es, im Gegensatz zu den meisten anderen Wanderungen, erst einmal bergab geht. Das heißt, dass zum Anfang der Wanderung, die Kondition nicht ganz so doll belastet wird, wie sonst, wenn man erstmal einen Berg besteigen muss um ihn anschließend wieder hinabzuwandern. Dadurch kann man durchaus unterschätzen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um umzudrehen, weil man den Rückweg sonst eventuell nicht schafft. Und auch uns überkommt fast diese Unterschätzung dessen. Angekommen am Ooh Aah Point machen wir eine kurze Pause und genießen die Aussicht. Ein paar Fotos und Videos gemacht und schon könnte es für uns weiter gehen. Denn wir fühlen uns noch ziemlich fit. Es steckt uns zwar der Abstieg ein wenig in den Knochen, aber vom Gefühl her könnten wir noch ein bisschen, die nächsten Serpentinen, weiter gehen, um nur nochmal ein Stückchen weiter zu gucken, wie die Aussicht dort ist. Aber es überkommt uns dann doch die Vernunft. Klar, runter wäre jetzt gar kein Problem. Und dann? Dann müssten wir auch wieder rauf. Und um es jetzt schon vorwegzunehmen, als wir am Ende der Wanderung wieder oben ankommen, sind wir sehr froh, am Ooh Aah Point umgekehrt zu sein. Die gesamte Wanderung bietet wieder neue, atemberaubende Blicke auf den Grand Canyon. Hier, 210 m weiter unten, blickt man die Schlucht entlang und bekommt ein ganz neues Gefühl für die gewaltige Größe. Sagte ich bereits, dass uns dieses Naturwunder immer wieder den Atem raubt? Und das nicht nur auf Grund des anstrengenden Weges.
Vollgestopft mit Eindrücken, die wir nun erstmal verarbeiten müssen, geht es nach zwei Nächten in dem „Grand Canyon National Park“ für uns weiter.
Noch mehr rote Felsen, aber anders
Da wir nicht über den Grand Canyon kommen, müssen wir drum herumfahren. Dazu bieten sich uns zwei Optionen. Entweder westlich, entlang der südlichen Kante, auf dem direkten Weg nach Las Vegas, oder östlich um den Canyon herum, um so noch mehr Highlights von Arizona und Utah sehen zu können. Wir nehmen natürlich die östliche Route, denn noch haben wir nicht genug von dieser Landschaft und möchten auf unserem Weg nach Las Vegas noch das ein oder andere Naturwunder sehen. Nüchtern betrachtet könnte man sagen, dass alle diese Highlights zu einem Großteil aus unterschiedlichen Formationen von roten Felsen bestehen. Aber schaut man genauer hin, hat jeder dieser Orte seine eigene Magie und Schönheit.
Nächster Halt: Horseshoe Bend! Und diese Kurve eines Flusses, der über die Jahre eine Schlucht im roten Gestein hinterlassen hat, ist eine dieser Attraktionen, die durch einen bestimmten Faktor zu einem nicht 100%igen eindrucksvollem Erlebnis wird. Es sind die vielen Touristen. Und ja, auch wir sind Touristen und somit Teil des Problems. Und auch wir stehen dort mit unseren Kameras und Handys, genauso wie die, über die man sich dann so aufregt. Aber ich rege mich ja auch gar nicht über die Individuen auf, sondern über die Masse. Es stehen hunderte Menschen dort, nahe des Abgrunds, und jeder versucht das beste Foto von sich und diesem, wie ein Hufeisen, geschwungenen Canyon zu machen. Es soll auch jeder Mensch die Möglichkeit bekommen Naturwunder zu erleben, aber touristische Menschenmassen verändern eben auch einen Ort und das Erlebnis dazu. Und zugegeben, es sieht schon sehr eindrucksvoll aus. Aber dies, im Gegensatz zum Grand Canyon, ist wieder eher eines dieser Erlebnisse, die man abhakt, weil man immer wieder mit einem Foto dessen konfrontiert wird. Wenn man bei Google „Arizona“ eingibt, ist das Foto des Horseshoe Bends eines der ersten, bei den Suchergebnissen. Und somit will man da ja mal unbedingt hin. Man muss das mal gesehen haben und möglichst ein Foto von sich selbst davor haben. Vielleicht ist hier auch das Problem, dass es sich nur um einen einzigen, kleinen Ort handelt und nicht wie beim Grand Canyon, wo sich die Massen verteilen können. Die extreme Hitze, die es fast unerträglich macht, nur ein paar hundert Meter vom Parkplatz zum Aussichtspunkt zu gehen, gibt unserer Stimmung auch nicht gerade einen Aufschwung. Aber wir schaffen es, und können einen weiteren Punkt abhaken. Und genau das ist etwas, was wir auf der Reise immer wieder erleben. Gewisse Dinge hakt man nur ab und erlebt sie nicht. Vor allem Orte oder Sehenswürdigkeiten, die man nur auf Grund der Bekanntheit sehen möchte. Orte, die tausendfach in jeglichen Medien zu finden sind. Orte, zu denen man hinfährt, ein kurzes Stück läuft, Fotos macht und wieder wegfährt. Orte, die leicht zugänglich sind oder nur ein kurzer Stopp mit dem Auto nötig ist, um sie zu sehen. Seien es die Niagara Wasserfälle, der Lake Louis oder jetzt der Horseshoe Bend. Ich möchte auch nicht damit sagen, dass sich eines dieser Beispiele nicht lohnen würde zu bereisen (wobei ich den Besuch der Niagara Wasserfälle tatsächlich nicht empfehlen würde), sondern ich möchte damit sagen, dass es diese Orte einfach auf so einer Reise gibt. Orte, von denen man überall hört und Bilder sieht, die bekannt sind, wo viele Menschen sind, und die abgehakt werden. Wir freuen uns aber darüber, dass diese Art Sehenswürdigkeiten bisher eher einen geringen Teil unserer Reise ausmachen.
Das nächste Etappenziel ist der Zion Nationalpark. Nördlich des Grand Canyons gelegen, befindet er sich in dem dritten Bundesstaat, den wir auf unserem Roadtrip bereisen. Nach Kalifornien und Arizona geht es jetzt nach Utah. Die Nacht verbringen wir auf einem kleinen Campingplatz, kurz vor der Einfahrt zu dem Nationalpark. Wir wollen nächsten Tag, über die Straße, die durch den Park führt, einmal hindurch fahren, um am anderen Ende beim Visitor Center zu parken und von dort aus den Park zu erkunden. An der östlichen Einfahrt müssen wir eine Extragebühr für unser großes Wohnmobil zahlen, denn ein Tunnel auf der Strecke, der wohl auch schon etwas älter ist, ist so klein, dass wir dort nur durchpassen, wenn wir in der Mitte fahren. Daher muss für unsere Durchfahrt, der Tunnel in eine Richtung gesperrt werden, damit wir nicht mit einem Cabrio am anderen Ende wieder rauskommen. Immer wieder spannend mit diesem Gefährt, in dem Land, wo doch alles so groß und riesig sein soll. Bereits die Ausblicke während der Fahrt lassen uns immer wieder sprachlos werden. Die unendlich vielen unterschiedlich geformten roten Sandsteinfelsen und im Kontrast dazu die knallgrüne Vegetation ist wieder ganz anders als das, was wir bisher gesehen haben. Am Visitor Center angekommen, müssen wir leider feststellen, dass es für unser großes Mobil keinen Parkplatz mehr gibt. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als in die, am Park angrenzende, Stadt Springdale zu fahren. Hier finden wir in einer kleinen Seitenstraße eine Parkmöglichkeit und nehmen den örtlichen Bus zurück zum Parkeingang. Von hier aus können wir mit dem parkeigenen Shuttlebus den Zion Canyon hinauffahren. Immer entlang des Virgin River geht es weiter, zwischen den hunderten Meter hohen Felswänden, bis zur Endhaltestelle. Das Besondere hier ist, dass man nun von unten nach oben aus dem Canyon schaut, während man am Grand Canyon hauptsächlich von oben in den Canyon hineinschaut. Dies gibt uns ein ganz anderes Gefühl für diese gewaltigen Felswände. Von hier aus geht es dann zu Fuß weiter. Die Felswände rücken immer näher zusammen und man bekommt das Gefühl in einer immer enger werdenden Gasse zu laufen. Tatsächlich geht von hier aus auch die Wanderung „The Narrows“ los. Bei dieser watet man, teils knietief, immer weiter durch das Flussbett. An manchen Stellen wird es dann so eng, dass man mit ausgestreckten Armen fast beide Felswände berühren kann. Da wir aber, mal wieder, erst spät losgekommen sind heute Morgen, fehlt uns letztendlich leider die Zeit für diese spektakuläre Wanderung. Daher gehen wir nur so weit wie wir über den befestigten Weg kommen und kehren dann wieder um. Ein Problem, was uns öfters auf unserer Reise hier in den USA begegnet. Da wir alle vier nicht gerade Frühaufsteher sind und auch gerne den Morgen gemütlich angehen lassen, mit einem schönen Frühstück usw. Und bis wir dann alle mal so weit sind, dass wir losfahren können, vergeht eben die ein oder andere Stunde. Und das endet meistens darin, dass wir entweder irgendwo in der prallen Mittagshitze ankommen oder für gewisse Attraktion keine Zeit mehr haben. Aber manchmal, wenn es uns sehr wichtig ist, schaffen wir es auch früh loszukommen. Nur heute halt nicht. Wir wollen uns auch nicht jeden Tag aufs Neue Hetzen. Dann doch lieber ab und zu mal ein gemütlicher Morgen und dafür das ein oder andere eben verpassen. So verlassen wir am Abend, wieder einmal mit wunderbaren neuen Eindrücken, den Zion National Park und setzen unsere Reise fort.
Immer noch unser großes Ziel, Las Vegas, vor Augen, geht es weiter gen Südwesten. Wir wollen allerdings nicht auf dem direkten Wege nach Las Vegas, da wir dann genau zum Wochenende dort ankommen würden und dann alles noch viel voller wäre als sonst schon. Außerdem können wir mal wieder gut eine kurze Pause, nach all den Eindrücken und langen Fahrten, vertragen und somit suchen wir uns einen Platz, kurz vor Las Vegas am Lake Mead raus, wo wir das Wochenende verbringen und mal wieder einen ganzen Tag lang nichts machen. Auf dem Weg dorthin überqueren wir die Grenze zu unserem vierten Bundesstaat, Nevada. Die Fahrt führt hauptsächlich durch eine recht eintönige Wüstenlandschaft. Etwas, was aber aus dieser eintönigen Landschaft heraussticht, ist das Valley of Fire. Unweit entfernt von Las Vegas liegt dieser State Park mit seinen beeindruckenden roten Sandsteinformationen, die im Sonnenlicht wie Feuer leuchten (daher wohl auch der Name). Das Zusammenspiel von den roten, gelben, grünen und grauen Felsen bietet ein Landschaftsbild der besonderen Art und Weise. Es wirkt teilweise, als würde man auf ein Deko Glas schauen, dass mit unterschiedlich gefärbtem Sand gefüllt ist. Die Formen der Felsen lassen unsere Fantasie, wie beim Betrachten von Wolken, sprühen und man kann die unterschiedlichsten Gestalten und Figuren in den Felsen sehen. Es gibt z. B. den „Elephant Rock“, der durch seine Form stark an einen Elefanten erinnert. Einmal um die Ecke gewandert, sehen wir ein Felsen, der aussieht wie der Kopf von E.T. dem Außerirdischen. Apropos wandern. Wie bereits erwähnt, ist es unsere Spezialität immer zur Mittagshitze irgendwo anzukommen, um uns etwas anzugucken. So auch diesmal. Wir merken schon kurz vor Erreichen des Parkes, dass die Klimaanlage des Autos es kaum schafft, gegen diese Hitze noch anzuarbeiten. Und als wir dann aussteigen, bekommen wir mit voller Wucht ein Brett vor den Kopf gehauen. Eine Hitze, wie wir sie bis jetzt noch nicht erlebt haben. Im Sonnenlicht ist es nur schwer auszuhalten und an eine frische Brise ist schon mal gar nicht zu denken. Die roten Felsen um uns herum, die die Hitze reflektieren, machen die Situation auch nicht wirklich erträglicher. Und eigentlich nehmen wir uns nur vor, kurz von dem Parkplatz zum bereits erwähnten „Elephant Rock“ zu gehen, der nur einen kurzen Fußmarsch entfernt sein soll. Und das ist er tatsächlich auch. Nach etwa 5 Minuten erreichen wir diese Attraktion des Parkes. Und um ehrlich zu sein, hätte ich nicht zufällig ein Schild gesehen, dass mit einem Pfeil auf den Felsen hinweist, hätte ich diesen roten steinigen Elefanten wohl nie gesehen. Doris scheint aber leider sogar das Schild übersehen zu haben und läuft immer weiter den Weg entlang. Nichts ahnend beobachten wir Sie eine kurze Weile und denken, sie möchte nur noch mal ein Stück weiter gehen und gucken. Sie dreht sich ab und zu mal um und schaut uns erwartend an, so nach dem Motto „Wieso kommt ihr nicht?“. Da sie bereits so weit entfernt ist, dass wir nicht mehr rufen oder uns anderweitig verständigen können, entscheiden Lara und ich uns, sie nicht allein zu lassen und folgen ihr. Mein Vater, dem die Hitze ziemlich zu schaffen macht, ist, wie sich später herausstellen sollte, der klügste von uns und entscheidet sich, zurückzugehen und im Wohnmobil auf uns zu warten. Als Lara und ich Doris endlich erreichen, sind wir noch der Meinung, dass sie den kurzen Rundweg, auf dem wir uns befinden, einfach nur ein Stückchen weiter gehen möchte. Und auch wir beide denken zu diesem Zeitpunkt noch „Ach so weit ist der Rundweg ja auch gar nicht. Nur um diese Felsformation herum.“ Er ist auch tatsächlich nicht lang. Aber bei dieser brütenden Hitze fühlt sich jeder Schritt irgendwann wie fünf Schritte an. Nach einer Weile, die wir diesen Weg zusammen gehen, fragt Doris dann, wann denn dieser Elefantenfels endlich kommen würde. Und da wird es uns klar. Sie wollte nie den Rundweg weiter gehen. Sie wollte auch nur zu dem Elephant Rock. Deswegen war sie auch so verwundert, dass wir irgendwann nicht mehr weiter gegangen sind. Oh man. Da war sie wieder, die Ursache so vieler Probleme, die Kommunikation. Anstatt direkt zu fragen „Wieso gehst du weiter?“ haben wir eine Annahme getroffen und sind einfach weitermarschiert. Denn wir hätten da auch noch einfach umdrehen können und wieder zurück zum Elephant Rock wandern. Aber jetzt? Jetzt sind wir schon so weit gelaufen, dass es am Ende wahrscheinlich keinen Unterschied mehr macht, ob wir weiter oder zurück gehen. Wir gehen also zwischen diesen roten Felsen entlang, in der Hoffnung, dass hinter dem nächsten Hügel der Parkplatz zu sehen ist. Und dann die Ernüchterung. Das Einzige, was wir sehen, dass der Weg wieder ein Stück runter geht, bevor man dann den nächsten Hügel rauf laufen muss. Wir kämpfen uns von einem Schatten zum nächsten. Und um die Mittagszeit, wo die Sonne hoch oben am Himmel steht und es sowieso nur ein paar Felsen gibt, die vielleicht ein bisschen Schatten werfen könnten, gibt es nicht viele und schon gar keine großen Schattenplätze. So hocken wir uns teilweise verzweifelt hinter ein paar kleine Felsen, um kurz durchzuatmen. Wir haben auch keine großen Wasserreserven dabei. Pro Person ca. 0,5-1 Liter. Das alles klingt jetzt sehr dramatisch und als hätten wir uns in der Wüste verlaufen, aber wir wussten zum Glück, dass dieser Rundweg wieder zurück zum Parkplatz führt und tatsächlich nicht lang sein wird. Aber dennoch überkam uns irgendwann ein mulmiges Gefühl. Wir kämpften uns also weiter von einem kleinen Schattenplatz zum nächsten. Die Sonne brannte auf der Haut und jeder Schritt entzog uns weitere Energie. Es ist nur ein kleiner Geschmack davon, wie es sein muss, tatsächlich in einer solchen Umgebung gestrandet oder verirrt zu sein. Irgendwann teilt uns Doris mit, dass auch sie den Effekt der Hitze stark zu spüren bekommt. Das Herz rast, der Blutdruck steigt, so dass man das pulsierende Blut im Kopf hören kann, der Kopf ist hochrot und man ist konstant außer Atem. Der Mund trocknet aus und man merkt, dass sich ein leichter Schwindel breit macht. Aber nun müssen wir durchziehen. Die letzten Meter noch und dann haben wir es gleich geschafft. Und das tun wir auch. Wir kommen irgendwann wieder heil am Wohnmobil an, wo mein Vater schon auf uns wartet. Wir waren mit Sicherheit nicht in Lebensgefahr oder in einer Situation, die wir nicht hätten meistern können. Aber es ist der Gedanke, dass man sich selbst da gerade komplett überschätzt und die Natur unterschätzt hat. Der Gedanke, dieser dumme Touri zu sein, der sich nicht informiert und Warnungen nicht ernst nimmt und sich in eine Lage gebracht zu haben, die klimatisch, fernab von dem ist, was wir von zu Hause kennen ist sehr unangenehm. Wir haben unterschätzt, wie stark die Hitze sein kann und wie anders sie in dieser lebensfeindlichen Umgebung wirkt. Dies war definitiv für uns eine weitere Lektion fürs Leben. In manchen Gegenden und gewissen Bedingungen gibt es eben kein „mal eben ein Stückchen weiter gehen“. Auch wenn diesmal alles gut gegangen ist.
Das Valley of Fire hat aber noch mehr zu bieten, als sich in der Mittagshitze braten zu lassen. Weiter geht die Fahrt durch eine enge, kurvige Straße, die zwischen den feuerroten Felsen auf und ab geht. Der Park ist nicht sonderlich groß und die Wege kurz. Daher sind wir schnell an den nächsten Aussichtspunkten angekommen. Mal blicken wir von oben auf eine Felslandschaft, wie man sie sich auf einem fremden Planeten vorstellt. Ein Gold-Gelb was an die Farbe eines schönen Sandstrands erinnert, ein Rot-Braun, was aussieht wie das Kakaopulver auf einem Tiramisu und ein Grau-Braun was die Farbe einer schönen dunklen Schokolade hat. Felsformationen von runden geschliffenen weichen Formen bis hin zu zackigen Felsen, die an Stalagmiten aus einer Höhle erinnern. Wir fahren durch Landschaften, die ein Katalog für Pastellfarben sein könnte. Ein seichtes grün wechselt sich ab mit einem beige-gelben Ton, um dann wieder unterbrochen zu werden von einem dunkleren rot oder braun. Im Kontrast dazu leuchtet der strahlend knallblaue Himmel. Mal fahren wir durch Schluchten und dann wieder durch weites offenes Land. Ein weiteres Highlight sind die Wandmalereien bzw. Schnitzereien. Vor vielen tausenden Jahren haben die indigenen Völker dieser Region, etwas in die Felsen geritzt, was bis heute noch niemand entschlüsseln konnte. Teilweise sind es geometrische Formen, menschliche Figuren oder tierähnliche Gestalten. Alles zueinander ausgerichtet, als würde ein Sinn dahinterstehen. Nach diesem ereignisreichen und eindrucksvollen Tag steht uns jetzt nur noch eine kurze Fahrt bevor, bis wir an unserem Stellplatz für das Wochenende ankommen. Es ist ein sehr einfacher und rustikaler Platz. Keine Dusche, kein Strom, kein Wasseranschluss. Aber mit unserem riesigen Wohnmobil können wir auch mal ein paar Tage autark stehen. Immerhin eine Toilette gibt es auf dem Platz, so dass wir keine Sorge haben müssen, dass unsere Tanks eventuell bald voll sind. Die zwei Tage dort verbringen wir sehr entspannt. Wir schlafen aus, frühstücken lange und ausgiebig, liegen in der Hängematte, lesen ein paar Bücher und spielen mal Karten. Kurz gesagt, sammeln wir Kraft für Las Vegas. Doch auch hier ist es heiß. Nicht so heiß, wie im Valley of Fire, aber ungefähr so wie an einem sehr heißen Sommertag in Deutschland. Ich versuche aus einer unserer Hängematten ein Sonnensegel zu basteln und Doris bastelt aus einer leeren 6 Liter Wasserflasche eine Dusche, damit wir uns zu mindestens mal abkühlen können. Die Zeit hier ist nicht sonderlich ereignisreich, aber auch nicht frei von sonderbaren Begegnungen. Ich weiß nicht, ob es die Nähe zu Las Vegas ist oder generell das US-amerikanische Volk. Wir treffen hier Menschen und Gestalten, über die man bestimmt einen ganzen eigenen Text schreiben könnte. So ist da zum Beispiel ein Pärchen, dass wir eines späten Abends unerwartet kennenlernen. Seit etwa einer Stunde geht auf einem Platz ganz in der Nähe immer wieder die Alarmanlage von einem Auto an. Es hupt und blinkt immer kurz für ein paar Sekunden und dann ist es wieder vorbei. Aber das passiert nicht nur einmal, auch nicht zweimal, sondern immer wieder. So beschließen Lara und ich auf dem Weg zur Toilette, mal zu schauen, ob dort alles gut ist oder was da los ist. Als wir dann fast beim Auto sind, spricht uns eine ältere Frau an, die sich auch gerade auf dem Weg zu dem besagten Auto befindet, ob mit uns alles okay sei. Wir erklären, dass es nicht unser Auto ist und sie leuchtet mit ihrer Taschenlampe dann direkt ins Auto rein. Da öffnet sich die Heckklappe von diesem, doch eher kleinen, Auto und im Kofferraum liegt ein, sagen wir mal sehr volumengroßes Pärchen in ihren, nennen wir es, Schlafklamotten, dass anscheinend irgendwie versucht in diesem kleinen Raum Platz zu finden zum Schlafen. Sie erklären uns, dass sie nicht wissen, warum die Alarmanlage immer wieder losgeht. Jedes Mal, wenn sie die Türen und Heckklappe zu machen und sich dann bewegen geht die Alarmanlage los. Sie wüssten auch nicht, was sie dagegen machen können. Wir sind etwas überfordert mit der gesamten Situation und dem Eindruck, dass das Pärchen auf uns macht, so dass wir nur sagen, dass es ja aber nicht die ganze Nacht so gehen kann und sie sich etwas überlegen müssen. Tatsächlich kehrt kurz danach dann auch Ruhe auf dem Campingplatz ein und die Alarmanlage gibt keinen Laut mehr von sich.
Ein neuer Tag, eine neue seltsame Begegnung. Wir, oder eher gesagt ich, lerne unsere Nachbarin Mary kennen. Mary, die mit einem kleinen PKW und Dachzelt auf einem Platz neben uns steht, ist uns bereits aufgefallen, weil sie neben einem der Wasserhähne, die überall auf dem Platz zu finden sind, ein Duschzelt aufgebaut hat und sich minutenlang bei laufendem Wasser, mit Hilfe einer Schüssel, gewaschen hat. Dabei lief das Wasser ewig lange durch und immer wieder hörte man, wie sie sich mit der Schüssel Wasser übergegossen hat. Es spricht natürlich nichts dagegen, sich zu waschen oder zu duschen. Aber die Art und Weise, sich ein Duschzelt dort einfach aufzubauen war schon sehr witzig anzusehen. Dazu kam aber noch, dass das Wasser minutenlang lief und lief und somit literweise Wasser verschwendet wurden. Das mit anzusehen in einer trockenen Wüste und mit Blick auf einen See, an dem man erschreckend klar erkennen kann, wie viel Wasser er schon verloren hat, war nicht schön. Aber das sollte noch nicht die ganze Geschichte mit unserer Nachbarin Mary sein. Nachdem sie fertig geduscht hat, wuselt sie um ihr Auto rum und räumt Dinge von A nach B und B nach A. Sie wirkt dabei sehr chaotisch und irgendwie ist es auch unterhaltsam ihr dabei zuzuschauen. Wir sitzen noch beim Frühstück, da kommt sie auf einmal rüber. „Bitte jetzt nicht so ein scheiß inhaltsloser Ami-Small-Talk“ denke ich und bin gespannt was jetzt kommt. Aber tatsächlich kein Small-Talk, sondern die Bitte, ob ihr jemand beim zusammenfalten ihres Dachzelts helfen könnte. „Klar, kein Problem“ sage ich und gehe mit ihr rüber. Es dauert auch nur wenige Minuten, da haben wir ihr kleines Dachzelt eingepackt. Wenig spektakulär. Was aber viel interessanter ist, sind all die Dinge, die sie mir in den wenigen Minuten erzählt. Auch wenn ich nicht alles verstehe, da sie in einem starken Akzent und sehr schnell spricht, ist das, was ich verstehe, schon genug, um in Erinnerung zu bleiben. Sie erzählt mir, dass sie hier in Las Vegas sei, weil man eine Dokumentation über sie drehen würde, denn sie hat die Fähigkeiten bis zu einem Fuß (also etwa 30 cm) über dem Boden zu schweben. Und als sei das nicht schon genug Schwachsinn für den heutigen Tag, erzählt sie mir dann auch noch, dass sie Tiere verstehen kann und die Eule, die den Campingplatz letzte Nacht besucht hat und über den ganzen Platz ge… wie sagt man denn bei Eulen? Gerufen? Geschuhuut? Geeult? Gegurrt? Wie auch immer, die Eule die letzte Nacht sehr laut war, hätte wohl zu uns gesprochen und gesagt wir sollen ihr folgen und mitkommen…. wohin auch immer…. Das konnte mir selbst Mary nicht verraten. Und um das Trio der Schwachsinnigkeiten perfekt zu machen, unterbreitet sie mir dann noch die Nachricht, dass Lara und ich bald ein Kind bekommen werden. Einen Jungen. Er wird mit einem Rucksack geboren und gerne wandern und Fahrrad fahren. Ja, und wie reagiert man da jetzt drauf? Etwa: „Was erzählst du da für ein Blödsinn?“ oder „Wer hat dir denn ins Hirn gesch…?“ oder fasst man ihr einfühlsam an die Stirn und fragt, ob sie sich fiebrig fühlen würde? Keine Ahnung, was an dieser Stelle das Richtige ist. Ich entscheide mich für die eher empathisch, deeskalierende und einfachste Lösung und sage „Oh wirklich? Das ist ja interessant. Naja, ich muss nun auch wieder rüber, mein Kaffee wird kalt. Tschüss.“ In der Hoffnung, dass dies die letzte Begegnung mit ihr sein wird. Wer weiß, was sie noch für Botschaften für mich bereithält. Ich muss mich ja nun erstmal auf den rucksacktragenden Fahrradfahrer vorbereiten, der bald kommt und die Eule finden, um ihr zu folgen.
Oh Man… USA… das Land der unbegrenzt seltsamen Menschen. Ein guter Einstieg, für unser nächstes Ziel, doch zuvor wollen wir uns noch eine weitere Sehenswürdigkeit zum Abhaken anschauen. Wenn wir schon nur noch eine halbe Stunde Fahrt davon entfernt sind, dann können wir uns dieses Wunder der Ingenieurstechnik nun auch nochmal angucken. Den Hoover-Damm. Und joa… eine verdammt große, graue Betonmauer, die verdammt viel Wasser staut. Klar, steckt da hohe Ingenieurskunst drin, aber so wirklich in seinen Bann, zieht mich dieses Bauwerk nun nicht. Wir fahren einmal über den Staudamm hin und zurück und laufen noch kurz von einem Parkplatz in der Nähe auf eine benachbarte Brücke, um uns den Damm in voller Größe anzugucken.
Und wie bereits gesagt, wir haken es ab als „gesehen“ und fahren weiter nach:
Las Vegas
„Sin City“, die Stadt der Sünde. Eine Stadt die so viele Superlative, irre Fakten und erstaunliche Geschichten vorweisen kann, wie kaum eine andere. Eine Stadt, die nur schwer zu beschreiben ist und trotz dessen, dass sie es, im Gegensatz zu dem Hoover-Damm, schafft mich in ihren Bann zu ziehen, auch eine Stadt ist, die ich kein zweites Mal besuchen muss. Auch unser Aufenthalt von zwei Tagen reicht uns völlig und am Ende sind wir froh, die Stadt wieder zu verlassen.
Nach den letzten, eher minimalistischen und rustikalen, Plätzen entscheiden wir uns, uns in Las Vegas mal etwas zu gönnen. Wir buchen zwei Nächte auf einer Art „Luxus Campingplatz“, ganz in der Nähe des weltberühmten Strips. Auch Las Vegas ist, vor allem tagsüber, sehr heiß. So lassen wir hier tatsächlich auch mal die Klimaanlage des Wohnmobils laufen, um es ein wenig erträglicher zu machen sich drinnen aufzuhalten. Es gibt sowieso nur zwei Orte, an denen wir uns hier tagsüber aufhalten können. Entweder drinnen im Wohnmobil bei laufender Klimaanlage oder auf einer Liege am Pool im Schatten der Sonnenschirme. Da sich die Faszination von Las Vegas auch erst bei Nacht zeigt, verbringen wir die meiste Zeit des Tages damit, am Pool zu entspannen, zu lesen oder auch mal ein paar Bahnen zu schwimmen. Aber wir sind ja nicht hierhergekommen, um uns am Pool zu entspannen. Nein, wir wollen die Lichter der Stadt bestaunen, die riesigen Casinos von innen sehen und das Nachtleben von Las Vegas erleben. Also geht es abends auf den weltberühmten Strip. Kurzer Funfact: der etwa 7 km lange Strip liegt nach offiziellen Stadtgrenzen gar nicht in Las Vegas, sondern in der direkt angrenzenden Gemeinde Paradise. Das Erste, was wir zu sehen bekommen, ist das beeindruckende Wasserspiel vor dem Belagio Hotel. Die Wasserfontänen reichen bis zu 140 m in den Himmel und ergeben zusammen mit der Musik ein faszinierendes Schauspiel. Las Vegas ist gespickt mit unendlich vielen Attraktionen und Highlights, so dass es unmöglich ist, all diese an zwei Abenden zu sehen. Wir haben uns ein paar Sachen rausgesucht, die wir uns gerne angucken würden und so laufen wir los. Die Wege hier auf dem Strip unterschätzt man schnell. Was auf der Karte nach einer kurzen Distanz aussieht, entpuppt sich schnell als ewig langer Fußmarsch. Was auch unterschätzt wird sind die Eindrücke und das Licht. Die Augen und Ohren kommen kaum hinterher bei all den Eindrücken, die auf sie einprasseln. Das Licht ist teilweise so hell, dass man sich eine Sonnenbrille wünscht. Tatsächlich gilt Las Vegas als hellster Ort der Welt und es heißt, dass man den Strip sogar von der Internationalen Raumstation aus sehen kann. Nicht nur die Helligkeit ist überwältigend, sondern auch die Größe von fast allem hier. Alles in Las Vegas ist mindestens eine Nummer größer, als dass was man bisher gesehen hat. Diese gewaltigen Hotelanlagen, darunter das größte Hotel der Welt, das MGM Grand, mit ihren detailliert ausgearbeiteten Themen. Jedes große Hotel hat hier etwas ganz Besonderes zu bieten. Das Belagio mit seinen Fontänen, das Paris Las Vegas mit der halb so großen Nachbildung des Eifelturms, das New York New York Hotel mit der Achterbahn oder das Luxor Hotel, das als riesige Pyramide gebaut wurde und aus dessen Spitze ein Lichtstrahl geworfen wird, der weit in den Himmel reicht. Auch die Liebe zum Detail bei der Gestaltung einiger Hotels fasziniert uns. Wenn man im New York New York Hotel durch den Innenbereich des Casinos läuft, könnte man meinen man sei in den engen Straßen der New Yorker Innenstadt unterwegs. Und im Venetian Hotel schlendert man durch die Gassen von Venedig. Die Decke mit ihrem aufgemalten Himmel und den Wolken, lassen den Eindruck erwecken, es sei Tag. Und die Gondoliere, die durch den künstlich angelegten Kanal fahren machen das Bild perfekt. Also wenn man den Amis eines lassen muss, dann ist es, dass sie Themenrestaurants oder -Hotels extrem gut gestalten. Es gibt noch so viele weitere verrückte Dinge, die wir in der kurzen Zeit bestaunen, die nur schwer sind in Worte zu fassen. Sei es die Sphere, eine riesige LED-Kugel, die als Konzerthalle dient und auf deren Außenfläche Bilder oder Videos projiziert werden oder die Fermont Street mit dem ewig langen LED-Himmel auf dem sich die wildesten Sachen abspielen. Allgegenwärtig sind auch Musiker/innen in der ganzen Stadt, die meistens bekannte Bands oder Artists covern und somit zu lokalen Berühmtheiten werden. Einige von denen können wir auch in der Fermont Street sehen, die teilweise sogar richtig gut sind und wir somit ein kleines Konzert, berühmter Lieder, geboten bekommen.
Und was muss man machen, wenn man in Las Vegas ist? Klar man muss mal in ein Casino und eine Runde zocken. So richtig trauen wir uns aber nicht an einen der vielen Roulettetische oder Black Jack ran. Daher investieren wir 20 Dollar und spielen an einem der tausenden Automaten. Und es braucht keine fünf Minuten, da ist von den 20 Dollern nichts mehr übrig. Bei dem Blick auf die anderen Automaten, wo die Spielenden teilweise Einsätze von mehreren hundert Dollern haben, wird uns ganz komisch. Die Vorstellung, hier nach Las Vegas zu kommen und einige Hundert Dollar zu verzocken, nur in der Hoffnung, den großen Gewinn zu machen, ist unheimlich. Sowieso ist diese ganze Masche mit den Casinos, wenn man mal da ist und es länger beobachtet, wirklich gruselig. Die Eingangsbereiche sind meist offen gestaltet, so dass es die Hürde nimmt ins Casino hereinzukommen. Man darf drinnen rauchen und damit man die Zeit vergisst, gibt es dort nicht eine einzige Uhr. Alles blinkt, ist bunt und schreit förmlich „spiel mich“. Wie viele Schicksale hier wohl schon ihren Lauf genommen haben? Schicksale von Menschen, die nach Las Vegas gekommen sind, nur weil sie mal etwas von den sehr wenigen Glücklichen gehört haben. Für uns reicht es jedenfalls, diese 20 Dollar verspielt zu haben. Denn selbst 20 Dollar sind für manche Menschen schon ein halber Reichtum. Und wirklich Spaß machen uns diese Spiele auch nicht.
Wie gesagt, Las Vegas kann einen wirklich in seinen Bann ziehen. Es ist wie eine andere Welt. Es hat nichts mit einer normalen Stadt zu tun und ist deswegen vielleicht auch so faszinierend. Wobei wir auch immer hauptsächlich von dieser knapp 7 km langen Straße sprechen, die ja, genau genommen, noch nicht mal in Las Vegas ist. Las Vegas ist vielleicht noch ein bisschen mehr als das. Und vor allem darf man bei all dem Glamour und der schönen leuchtenden Welt nicht vergessen, dass es hier auch noch ein ganz anderes Extrem gibt. Es gibt so viele arme, obdachlose Menschen in dieser Stadt, dass es im Untergrund von Las Vegas eine dunkle Parallelwelt gibt. In einem ausgedehnten Labyrinth aus Tunneln leben tausende Obdachlose, während über ihren Köpfen Millionen von Dollar in irgendwelche Automaten geschmissen werden, damit sich irgendwelche lustigen Bildchen drehen, in der Hoffnung, dass die Bilder in einer Reihe sich gleichen. Es gibt Hotels, die zur Belustigung ihrer Gäste, Tiere wie Flamingos gefangen halten oder ein Aquarium betreiben, in dem sie Haie zur Schau stellen. Ganz zu schweigen von dem extremen Strom- und Wasserverbrauch dieser Stadt hier mitten in der Wüste. Ich möchte kein Party-Grinch sein und sagen, dass wir nicht auch mal feiern sollen und unser Leben genießen. Aber die extremen Kontraste dieser Stadt lassen bei mir eben gewisse Fragen aufkommen.
Wir sind auf jeden Fall froh, nach zwei Tagen, die uns vorkommen wie ein Hagelsturm auf unsere Sinne, die Stadt wieder zu verlassen. Tausende Eindrücke, Lichter, Menschen, Gerüche, Geräusche hinterlassen in uns eine Sehnsucht nach Natur, Ruhe und Frieden. Und dies wollen wir in einem der bekanntesten Nationalparks der USA, oder vielleicht sogar der Welt, finden. Auf geht es zum letzten großen Etappenziel:
Der Yosemite National Park
Zwischen uns und dem Yosemite National Park liegen noch über 500 km, die wir nicht an einem Tag schaffen werden. Es geht vorbei am Death Valley, dem niedrigsten, heißesten und trockensten Punkt Nordamerikas. Leider dürfen wir aufgrund der Bestimmungen des Wohnmobilvermieters, zu dieser Jahreszeit nicht durch das Death Valley fahren, weswegen wir eine Route wählen, die nördlich drum herumführt. Nichtsdestotrotz geht es durch Landschaften, die getrost den Namen „Totes Tal“ verdient hätten. Denn hier ist wirklich nicht viel, außer Sand und Gestein aus Sand. Uns fällt irgendwann auf, dass das Thema Aliens und Ufos ziemlich vorherrschend ist, vor allem bei den kleinen Raststätten oder Souvenirläden, die es vereinzelt hier am Rande des Highways gibt. Bis uns irgendwann klar wird, dass wir hier ja ganz in der Nähe der berühmt berüchtigten Area 51 sind. Auch wieder eines dieser vielen Dinge, die irgendwie in unserem Leben, durch Filme und andere Medien, stattfinden. Immer wieder stellen wir fest, wie verankert gewisse Landschaftsbilder, Orte oder Namen bei uns sind, nur weil wir diese durch den Konsum von Filmen, Serien oder anderen Medien kennen. Wir sind so stark geprägt durch die USA, dass vieles auch in unserem Leben in Deutschland einen starken Symbolcharakter hat. Area 51, Alcatraz, Route 66, Las Vegas, Nevada, Grand Canyon, L.A., Hollywood usw. stehen alle symbolisch für etwas ganz Besonderes und sind in unserem Sprachgebrauch fest verankert. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht auch mal spannend ist, all diese Orte mal zu sehen und zu erleben. Auch wenn der ein oder andere Ort dadurch ein wenig an der Magie der Vorstellung verliert. Die Area 51 lassen wir aber links liegen und fahren einfach weiter gen Norden, bis wir irgendwann nördlich des Death Valley wieder in die Berge hineinfahren können. Wie schön es ist, endlich mal wieder die ersten Bäume zu sehen. Richtige Vegetation und viel Grün. Man fühlt sich gleich viel wohler und von der Landschaft willkommener.
Als Ausgangspunkt, um den Yosemite National Park zu erkunden, haben wir uns einen Campingplatz westlich, außerhalb des Parkes herausgesucht. Denn auch hier haben wir wieder das Problem, dass wir bereits vorher schon oft hatten. Die richtig schönen Campingplätze, die mitten im Park liegen, sind entweder nicht für unsere Größe geeignet oder bereits ausgebucht. Und das, obwohl wir schon vor über einer Woche geguckt hatten, was für uns einer Langzeitreiseplanung gleicht. Der Yosemite National Park ist aber, durch seine Lage, vor allem am Wochenende, ein beliebtes Ziel für die vielen Menschen aus der Region rund um San Francisco und Sacramento. Und wann sind wir hier? Richtig, genau zum Wochenende. Die Wochenenden waren immer unsere größte Herausforderung, wenn es darum ging, einen Stellplatz zu finden. Immer wieder stellen wir fest, dass die Art zu Reisen, die wir alle so lieben, einfach spontan zu gucken, wo man hinfährt und dann zu sehen, ob man dort einen schönen Platz findet, nicht funktioniert. Zu mindestens nicht mit einem so großen Wohnmobil und zu einer Zeit, wo auch die US-Amis gerne reisen. Einige der Plätze oder Attraktion hätte man tatsächlich schon Wochen bis Monate im Voraus buchen müssen. Und da akzeptieren wir lieber, dass wir dann das ein oder andere nicht bekommen oder es nicht geht. Denn hätten wir alles im Voraus festgelegt und gebucht, wären wir wohl nie zum Grand Canyon gekommen, denn das war eigentlich nie unser Plan und ist bloß aus der spontanen Anpassung unserer Reise an gewisse Begebenheiten möglich geworden.
Die Fahrt zum Campingplatz führt uns einmal von Ost nach West durch den nördlichen, höher gelegenen Teil des Parkes. Auf etwa 3000 m beginnt die Strecke am Tioga Pass, dem östlichen Eingang und gleichzeitig höchsten befahrbaren Passes des Parkes. Es bieten sich uns einzigartige Blicke auf Granitgipfel, alpine Wiesen und glasklare Bergseen. Eine Mischung aus rauer Wildnis, aber durch die sanften, runden und abgeschliffenen Formen der Felsen auch irgendwie ruhiger Schönheit. Wir halten einige male am Straßenrand an, um diese faszinierenden Panoramas zu genießen. Am Olmsted Point bietet sich dann zum ersten Mal für uns der fabelhafte Blick auf den optisch dominanten Half Dome. Der 2693 Meter hohe Berg, mit seiner halbkugelartigen Form ist das Wahrzeichen des Nationalparkes und ein beliebtes Ziel für Wanderer und Kletterer. Von hier oben kann man ein Großteil des Tales vom Yosemite National Park überblicken und bekommt einen Eindruck davon, was diesen Park so besonders macht. Die Straße führt nun wieder bergab und die Vegetation der alpinen Zone geht langsam über in einen dichten Mischwald. Am Nachmittag kommen wir an unserem Campingplatz an und beziehen unseren Stellplatz für die nächsten Tage. Für unseren Aufenthalt hier, haben wir diesmal drei Nächte eingeplant, da uns allen die letzten Wochen ganz schön in den Knochen stecken und wir uns mal wieder nach ein bisschen Auszeit sehnen. Es gibt uns die Möglichkeit, wieder einmal einen Tag auf dem Campingplatz zu verbringen, ohne irgendwelche neuen Eindrücke zu bekommen. Leider hat es noch einen anderen Vorteil. Lara kann sich etwas erholen von einer Nacht voller Schmerzattacken. Sie kann fast die ganze Nacht nicht schlafen, weil sie von krampfartigen Schmerzen im Unterleib geplagt wird. Wir machen uns Sorgen, da selbst für Lara, die regelmäßig von Schmerzen begleitet wird, diese Schmerzen außergewöhnlich sind und können uns jetzt noch gar nicht vorstellen, wie dankbar wir in den nächsten Tagen noch sein werden, für unser deutsches Gesundheitssystem.
Um den Park zum ersten Mal zu erkunden, und nicht selber mit dem großen Wohnmobil reinfahren zu müssen, nutzen wir den angebotenen Shuttle Service, der morgens entlang der Route die Menschen von den Campingplätzen einsammelt und abends wieder absetzt. Die Fahrt ist recht lang und führt eine steile und enge Straße hinab. Wir sitzen weit vorne im Bus auf der rechten Seite und wenn wir rechts aus dem Fenster gucken, sehen wir teilweise nur einen steilen Abgrund. Und zum ersten Mal bei einer Busfahrt bekomme ich Gedanken wie „Was ist, wenn der Busfahrer jetzt einschläft?“ „Wer sagt mir eigentlich, dass er auch gut fahren kann?“ usw. Ein mulmiges Gefühl macht sich breit und ich ertappe mich dabei, dass ich immer wieder auf den Fahrer achte, um sicherzustellen, dass er noch alles im Griff hat. Seltsam, normalerweise habe ich mir über sowas nie Gedanken gemacht.
Angekommen im Tal des Yosemite National Parks, nutzen wir das hervorragende Busnetz des Parkes. Man muss wirklich sagen, dass die Bussysteme der Nationalparks hier in den USA wirklich gut gemacht sind. Mehrere Buslinien führen zu den wichtigsten Attraktionen und fahren regelmäßig alle paar Minuten ab. Und ganz besonders, wenn man einen Busfahrer hat, wie wir ihn hier haben, wird die Fahrt auch noch zu einem lustigen, fröhlichen Entertainmentprogramm. Nachdem wir hier auch Busfahrer/innen erlebt haben, die eher verhalten bis unfreundlich sind, bietet dieser eine Fahrer ein Kontrastprogramm dazu. In dem überfüllten Bus trällert er während der Fahrt über sein Mikrofon bekannte Lieder, die er auf den Yosemite umdichtet. Er witzelt mit einigen Fahrgästen rum und versprüht pure Freude und gute Laune. Es ist so toll, dass es solche Menschen gibt, die ihren Job und ihr Leben so lieben, dass sie es schaffen einen ganzen Bus damit anzustecken.
Der Park ist geprägt von markanten Granitformationen, tiefen Tälern und ausgedehnten Mischwäldern. Am östlichen Ende ragt der charakteristische „Half Dome“ weit in die Luft und steht erhaben über dem Tal. Am anderen Ende gibt es noch ein weiteres Highlight: den El Capitan. Teils 900m ragt die steile Felswand senkrecht aus dem Tal empor und ist ein beliebtes Ziel für Kletterer. Am Fuße dieser größten freistehenden Granitwand der Welt, an einer kleinen Picknick Area, stehen ein paar Kletterer aus der ganzen Welt, die über den Klettersport aufklären. Durch ein aufgestelltes Teleskop können wir uns einige der Kletternden an der Felswand anschauen. Tatsächlich ist auch ein Deutscher Teil der Gruppe, der ein Freisemester dazu nutzt, im Yosemite Park zu helfen, zu klettern und Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir staunen, als er uns erzählt, dass eine Klettertour am El Capitan teilweise mehrere Tage dauern kann, in denen man dann auch an der Felswand übernachtet. Eine Leidenschaft, die ich mit meiner leichten Höhenangst, wohl nie ganz verstehen werde. Nichtsdestotrotz sehr beeindruckend.
An unserem Abreisetag aus dem Yosemite National Park, beschließen wir doch noch mal mit dem Auto durch den Park zu fahren und den südlichen Ausgang zu nutzen, um so noch mehr vom Park zu sehen. Nachdem wir bereits den Park von Ost nach West durchquert haben, wollen wir uns etwas ganz Besonderes im Süden nicht entgehen lassen. Denn dort, in der Mariposa Grove, gibt es viele der wunderschönen und spektakulären Riesenmammutbäume. So riesig, dass man durch sie hindurchlaufen kann. Der größte Mammutbaum, oder wie er hier genannte wird „Giant Sequoia“ ist der „Grizzly Giant“. Ein bemerkenswerter Gigant eines Baumes, mit einer Höhe von 63 Metern und einem Durchmesser von fast 8 Metern. Stolz und wuchtig steht er da mit seinen etwa 3000 Jahren. Was dieser Baum wohl schon alles mitbekommen hat? Wen er schon alles gesehen hat? Zu einer Zeit geboren, als die indigenen Völker noch als Jäger und Sammler durch diese Wälder streiften und heute stehen wir hier mit unseren Smartphones, die Verbunden sind mit einem Satelliten im All und ich kann in Sekundenschnelle ein Bild dieses Baumes mit jedem auf der Welt teilen. Wahnsinn wie weit wir uns in einem Leben eines Baumes entwickelt haben. Und Wahnsinn wie weit wir uns in einem Leben eines Baumes zurück entwickelt haben, wenn man das heutige Leben im Einklang der Natur und den Respekt ihr gegenüber mit dem von damals vergleicht. Wieder einmal denken wir, hätten wir doch bloß auch etwas von den indigenen Völkern gelernt und in unsere Lebensweise integriert, dann müsste sich heute wahrscheinlich niemand für das Klima auf die Straße kleben.
Der Yosemite National Park ist ein perfekter Abschluss unserer kleinen Rundreise durch 4 Bundestaaten des Westens der USA. Von hier aus gibt es nun nur noch ein weiteres Ziel:
Back to where we came from
Die Rückfahrt nach San Francisco hält erneut einige Landschaftswechsel für uns bereit. Umgeben von Wald und Bergen geht es über kurvige Straßen aus dem Nationalpark heraus. Wir passieren ein paar kleinere Ortschaften und aus den Bergen werden langsam wieder Hügel, die von Pinien dominiert werden. Bald darauf kommen wir dann auch schon wieder in das flache Central Valley. Wir fahren zwischen den endlos groß wirkenden Mandelfeldern hindurch und kommen kurz darauf wieder auf einen großen mehrspurigen Highway. Und da sind wir dann wieder, mittendrin im Großstadtgetümmel. Als letzter Übernachtungsplatz soll uns ein Campingplatz mitten in der Stadt, ganz in der Nähe der Abgabestation, dienen. Nichts Schönes, nichts Luxuriöses, aber durch seine Lage bestens geeignet.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns nochmal einen kleinen Mietwagen buchen, damit wir meine Eltern damit direkt zum Flughafen fahren können und Lara und ich damit nach Los Angeles, unserem nächsten Ziel. Nachdem wir alle Möglichkeiten miteinander verglichen haben, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es am günstigsten ist, wenn wir den Mietwagen am Flughafen abholen. So weit so gut. Und damit wir gleich am nächsten Tag, wenn wir das Wohnmobil abgegeben haben, weiter zum Flughafen fahren können, haben wir uns gedacht, ist es das Beste, wenn wir das Auto bereits am Abend vorher abholen. Gute Idee. Was wir vielleicht ein wenig unterschätzt haben, ist der Weg vom Campingplatz zum Flughafen und wieder zurück. Und obwohl es eine Bahn gibt, die von einer Station in der Nähe bis zum Flughafen durchfährt, dauert ist 2,5 Stunden, bis ich endlich dort angekommen bin. Und nun muss ich nochmal ca. 1 Stunde mit dem Auto zurückfahren. Also alles in allem bin ich 4 Stunden unterwegs, nur um den Mietwagen zu holen. Zurück am Campingplatz wartet dann schon eine Pizza auf mich und wir haben unser letztes gemeinsames Abendessen.
Es trennen uns nur noch die Abgabe des Wohnmobils und die Fahrt zum Flughafen von einem weiteren Abschied. So schön es auch immer ist, wenn wir Besuch aus der Heimat bekommen, so schwer fällt uns jedes Mal auch wieder der Abschied. Selbst nach 4 Wochen, die wir zusammen auf engstem Raum verbracht haben, sind wir nun traurig, dass diese Zeit wieder vorbei geht. Und wenn man mal darüber nachdenkt, ist es doch wirklich erstaunlich, dass wir mit Mitte 30 zusammen mit unseren Eltern bzw. Schwiegereltern für so lange Zeit in einem Wohnmobil reisen, mit all den Entscheidungen, die nötig sind, und uns trotzdem nicht die Köpfe einschlagen. Im Gegenteil, es war größtenteils immer sehr harmonisch und wir (ich hoffe ich kann da für alle sprechen) hatten eine sehr schöne Zeit. Natürlich gab es auch Momente, in denen mal jemand nicht gut drauf war oder wir uns auch mal nicht ganz einig waren, aber das gehört einfach dazu. Wir sind auch sehr dankbar, dass durch den Besuch meiner Eltern, uns eine Möglichkeit gegeben wurde, dieses Stück der Erde zu erleben, wie wir es wohl zum jetzigen Zeitpunkt nicht hätten machen können. Wie bereits erwähnt, hatten wir die USA aus unserer Reiseplanung gestrichen, weil es uns zu teuer geworden wäre, und da sind wir dankbar über das Privileg, Familie zu haben, die so etwas finanziell möglich machen kann und diese Reise mit uns zusammen erleben möchte. Denn beides ist nicht selbstverständlich und wir schätzen es sehr! Abgesehen davon ist es auch großartig, dass unsere Reise es ermöglicht, dass uns immer wieder Menschen besuchen kommen, mit denen wir so viel Zeit verbringen und gemeinsame Erlebnisse teilen können, wie es in unserem vorigen Leben nur kaum zustande gekommen wäre. Diese Zeiten, diese wenigen Wochen oder Tage sind die, von denen wir hoffentlich noch unser ganzes Leben zehren und in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen werden.
Ein Abschied bedeutet für uns auch immer, der Beginn eines neuen Kapitels. So auch diesmal. Wir setzen meine Eltern am Flughafen ab, nehmen uns in den Arm, verabschieden uns, aber mit dem Wissen, dass wir uns irgendwann wiedersehen werden und es sich dann bestimmt wieder so anfühlt, als hätten wir uns gerade erst voneinander verabschiedet. Das Kapitel USA, soll für Lara und mich aber noch nicht ganz vorbei sein. Ein kleines weiteres Ziel haben wir noch. Ein Ziel, dass wir bewusst ausgelassen haben auf unserer Reise mit dem Wohnmobil.
Die Stadt der Engel
Los Angeles. Eine Stadt, von der wir so viel gehört, gesehen und gelesen haben. Bekannt durch Hollywood und die High Society Glamour Welt der Stars. Aber ist es das wirklich? Bereits im Vorfeld haben uns einige Reisende, die Los Angeles besucht haben, berichtet, dass die Stadt nicht schön ist. Ein Besuch soll sich nicht wirklich lohnen und man sollte lieber andere Orte der USA besuchen. Daher hatten wir uns auch eingangs dagegen entschieden, mit dem Wohnmobil nach L.A. zu fahren. Es gibt nur eine Sache, die uns beide dann doch immer gereizt hat. Der Besuch eines der weltberühmten Filmstudios Hollywoods. Wir sind beide keine Filmexperten oder Nerds, und doch haben wir eine große Faszination für Filme und vor allem auch die Arbeit hinter der Kamera und all die tausend Schritte und Menschen, die nötig sind einen Film zu dem zu machen, was wir uns dann in 1,5-2 Stunden ansehen können. Ich erinnere mich noch gut an Ausflüge zu den Filmstudios Babelsberg und die Bavaria Filmstadt. Und die Begeisterung, die ich hatte, mal bekannte Kulissen in echt zu sehen oder einen Einblick hinter diese zu bekommen. Und Lara, die in ihrem Bachelorstudium nicht nur das Thema Theater, sondern auch das Thema Film intensiv behandelt hat, trägt sowieso ein großes Interesse für das Filmemachen in sich. Wie könnten wir es da also verpassen uns eines der größten, bekanntesten und erfolgreichsten Filmstudios der Welt anzuschauen? Und noch dazu hat sich herausgestellt, dass die Flüge nach Mexiko, unser nächstes Ziel, deutlich günstiger und einfacher ab L.A. sind.
Also los. Raus aus dem, von Freiheit dominierten, Camperleben und ab ins Backpacker-Hostel-Leben. Es ist für uns seit Beginn unserer Reise, vor über einem Jahr, das erste Mal wieder eine richtige Hostelerfahrung. Das erste Mal wieder mit unserem ganzen Gepäck in ein Sechsbettzimmer mit 4 fremden Menschen wohnen. Begleitet von einer gewissen Aufregung und aber auch Vorfreude ziehen wir also in dieses Sechsbettzimmer in einem Hostel direkt am Hollywood Boulevard, ein. Aufgeregt sind wir, weil wir zum einen, es lange nicht gemacht haben und zum anderen, weil wir jetzt bereits wissen, dass das Hostelleben nun zum Großteil der Standard auf unserer zukünftigen Reise sein wird. Was also, wenn es uns nicht gefällt? Was machen wir, wenn wir für uns feststellen, dass es gar nicht unser Ding ist? Keine Ahnung! Und die Vorfreude? Worauf genau freuen wir uns? Wohl nicht auf das Schnarchen anderer Menschen über, unter oder neben uns. Wahrscheinlich auch nicht auf den Geruch von billigem Deo der sich bereits am frühen Morgen im Raum verteilt oder mitten in der Nacht geweckt zu werden, weil irgendwelche Partymäuse 50 Dezibel mit 150 Dezibel verwechseln. Nein, wir freuen uns darauf wieder andere Reisende kennenzulernen. Geschichten und Erfahrungen auszutauschen und umgeben zu sein von Menschen, die die gleiche Leidenschaft teilen wie wir, das Reisen. Und ein Hostel ist so ein Ort, an dem man solche Menschen treffen kann. Normalerweise. Denn dieses Hostel ist anders. Holy Sh** ist das eine beschissene erste Hostelerfahrung. Nicht nur, dass uns das Personal genervt mit einem Blick begrüßt, als hätten wir sie gerade bei irgendetwas total Wichtigem gestört. Es sind auch die anderen Menschen, die in diesem Hostel leben. Unser Zimmer stinkt, als wäre das letzte Mal beim Bau des Gebäudes frische Luft in diesen Raum gekommen. Schweiß, altes Deo, Schuhe und eine schöne Note von dem typischen Schlafmuff, den man manchmal morgens im Schlafzimmer wahrnimmt. Mit dem Unterschied, dass dieser Geruch hier nicht nur morgens, sondern auch mittags, nachmittags, abends und nachts in der Luft liegt. Dazu ein visuelles Chaos von Klamotten, Schuhen, Rucksäcken, Koffer und all möglicher anderer Kram, der überall im Zimmer verteilt liegt. In den 3 Tagen, in denen wir dort sind, sprechen wir gerade mal mit einem anderen aus unserem Zimmer. Ein junger US-Amerikaner, der uns ein bisschen von seiner Geschichte erzählt, die vor allem von Drogen und Partys dominiert ist. Er ist vor ein paar Tagen aus Miami nach L.A. gekommen, um hier wieder neu Fuß zu fassen. Momentan arbeitet er direkt unter dem Hostel für eine kleine Tourismusagentur, die Rundfahrten in besonderen Autos anbietet. Die anderen Mitbewohner aus unserem Zimmer scheinen auch keine Reisende zu sein, sondern eher Menschen, die versuchen sich hier in L.A. ein Leben aufzubauen. Der gesamte Vibe des Hostels ist auf eine Art und Weise unangenehm, dass sich nur schwer erklären lässt. Alle Menschen, die wir treffen sind nicht wirklich aufgeschlossen. Wenn man grüßt, wird man oft nur angeguckt, als hätte man gerade die Mutter der Person beleidigt und an ein Gespräch war sowieso nicht zu denken. Das einzige Gespräch, was wir mit noch Anderen haben, ist mit zwei deutschen Mädels, die momentan auf Hawaii studieren und einen Ausflug nach L.A. machen. Nicht ganz unser Typ Mensch, aber sie teilen die gleichen Eindrücke des Hostels mit uns. Auch sie sind erschrocken über den Vibe und berichten über seltsame Menschen in ihrem Zimmer. Wir fühlen uns wirklich unwohl dort, aber versuchen die Situation einfach zu akzeptieren und das Beste draus zu machen. Es sind ja nur drei Nächte. Soweit also unsere erste Hostelerfahrung seit Langem auf dieser Reise. Kann nur besser werden.
Aber wie ist nun die Stadt, vor der uns einige schon gewarnt haben? Wobei „gewarnt“ wohl zu hart klingt. Uns wurde lediglich berichtet, dass L.A. einfach riesig ist und ein Großteil der Stadt nicht wirklich schön ist. Es ist für uns wohl die Stadt, die am meisten Überraschungen bereithält. Die erste Überraschung gibt es gleich nach dem wir aus dem Hostel herauskommen. Der Hollywood Boulevard. Eine der bekanntesten Straßen der Welt. Berühmt durch die in den Boden eingelassenen rosa Sterne mit Namen von mal mehr, mal weniger bekannten Menschen, was sich dann „Walk of Fame“ nennt. Die Oscar Verleihung, die jährlich im Dolby Theatre stattfindet, was sich genau gegenüber unseres Hostels befindet, oder die unzähligen Leuchttafeln die auf die Theater, Museen und Geschäft hinweisen. Die Straße lebt von der Vorstellung des Hollywood Glamours. Die Welt der Stars und Sternchen. Aber glamourös? Nein, das ist es ganz und gar nicht. Der Walk of Fame ist teilweise sehr dreckig, an jeder Ecke stehen dubiose Menschen herum und wie es nur ein paar Meter weiter in einer der Nebenstraßen aussieht, kann man kaum glauben, wenn man an die Hollywood Welt denkt. Enge Gassen, durch die man im Dunkeln wohl besser nicht durchläuft. Als wir abends noch kurz vom Hostel losgehen, um etwas weiter Sushi essen zu gehen, fühlen wir uns auch nicht sonderlich sicher. Auf dem Rückweg sage ich zu Lara aber erstaunt, dass es hier gar nicht viel Polizeipräsenz gibt und dass das ja eigentlich darauf schließen lässt, dass es nicht so unsicher sein kann. Und dann, nur noch wenige Meter von dem Eingang zu unserem Hostel entfernt, sehen wir auf einmal viele blau-rot blinkende Lichter. Der Bürgersteig ist auf mindestens 20 Metern abgesperrt und überall stehen Polizist/innen rum. Der Eingang zu unserem Hostel befindet sich leider mitten in der Absperrung und so fragen wir einen der Polizeibeamten, ob wir weitergehen dürfen zum Hostel. Und das dürfen wir. Was genau los ist? Wissen wir noch nicht. Noch stehen alle Polizist/innen einfach nur rum und irgendwie scheint nichts zu passieren. Neugierig wie wir sind, fragen wir eine Beamtin und sie sagt nur etwas von einer Verkehrskontrolle. Ahja, ganz schön viel Aufruhr für eine Verkehrskontrolle. Draußen stehen bleiben dürfen wir natürlich nicht und wir müssen ins Hostel rein. Vorteil für uns, unser Fenster im 1. Stock liegt genau über der ganzen Action und so haben wir einen Logenplatz für das, was jetzt passiert. Die meisten US-amerikanischen Menschen werden es vielleicht für nichts besonderes halten, aber für uns ist es spannende Abendunterhaltung. Auf dem Parkstreifen, vor dem Bürgersteig, steht ein großer schwarzer Geländewagen mit dunkel getönten Scheiben. Vor und hinter dem Auto mehrere Polizeiautos. Irgendwann passiert dann auch endlich etwas. Alle Polizist/innen verschanzen sich hinter einem der Polizeiautos und den geöffneten Türen. Mit gezogener Waffe, auf den Geländewagen gerichtet, kommt nun eine Stimme über den Lautsprecher des Autos. Diese fordert nun die Insassen des PKWs auf, einzeln mit erhobenen Händen aus dem Fahrzeug zu steigen und zu der Wand unter unserem Fenster zu gehen. Dort werden alle in Handschellen gelegt und wieder passiert nichts. Es dauert eine ganze Weile und wir verlieren langsam das Interesse. Irgendwann sehen wir, wie einige von ihnen in eines der bereitstehenden Polizeiautos gesetzt werden und andere werden wieder von den Handschellen befreit und dürfen gehen. Eine ganze Zeit später wird dann der Geländewagen abgeschleppt und ein Polizist hält die Kennzeichen des Fahrzeugs in der Hand. Was genau da passiert ist? Keine Ahnung. Spielt auch gar keine große Rolle. Was für uns so schockierend ist, ist die Art und Weise, wie diese „Verkehrskontrolle“ stattgefunden hat. Mit mindestens 5 Polizeiautos und bestimmt mindestens 15 Polizist/innen, die sich mit gezogener Waffe verschanzen, in der Erwartung, dass es gleich zu einem Schusswechsel kommt. Es wurde extra der Bürgersteig abgesperrt, alle Insassen wurden erstmal wie Schwerverbrecher behandelt, bevor sie kurze Zeit später wieder laufen gelassen wurden und insgesamt hat die ganze Aktion, ein einziges Auto zu kontrollieren, etwa 2,5 Stunden gedauert. Wahnsinn für uns, Alltag in den USA.
Da wir das Mietauto erst am nächsten Abend abgeben müssen, beschließen wir es noch ein bisschen zu nutzen und nächsten Tag einfach mal ein bisschen durch die Gegend zu fahren. Als erstes geht es für uns hoch zum Hollywood Sign. Wieder eine „Abhak-Sehenswürdigkeit“ und ein „Toll wir haben jetzt auch ein Foto von uns vor diesem etwas dort“ Moment. Weiter geht es durch andere namentlich berühmte Gegenden von L.A.. Der Sunset Boulevard, der Rodeo Drive oder die Hollywood Hills. Alles irgendwie ganz nett, aber auch nichts Besonderes. Der Rodeo Drive ist gespickt mit überteuerten Luxusgeschäften und in den Hollywood Hills sieht man auch nicht viel mehr als große Hecken, die die Promis vor den Blicken der Neugierigen schützen. Was uns allerdings gut gefällt ist die Gegend um Venice Beach. Im Gegensatz zu dem Glamour Lifestyle, der fern von unseren Vorstellungen eines Lebens liegt, ist Venice Beach ein nettes Viertel mit kleinen Häusern. Hier herrscht eher ein alternativer, künstlerischer Surf- und Beachlifestyle. Mit dem Strand und dem Meer direkt vor der Tür und unzähligen Murals (Graffitis) an den Wänden ist das ein Flair, der schon viel eher nach unserem Geschmack ist.
Überrascht werden wir tatsächlich auch von Downtown L.A.. In diesem Falle mal positiv. Wir machen einen Ausflug dorthin, weil wir das Kunstmuseum „The Broad“ besuchen wollen, dass eine besondere Kunstinstallation bietet. Einen Infinity Room. Ein Raum voller Spiegel und vielen kleinen Lichtern. Man steht für zwei Minuten auf einem kleinen Plateau in diesem geschlossenen Raum. Durch die vielen Lichter und die Spiegel wirkt es, als würde man im All zwischen Millionen von Sternen schweben. Ein Erlebnis der besonderen Art und mal wieder nur schwer auf einem Video oder Foto rüberzubringen. Neben dem Museum steht eine architektonische Besonderheit der Stadt. Die Walt Disney Concert Hall. Ein, durch seine geschwungenen, durcheinander verlaufenden, Formen sehr besonderes Bauwerk. Und etwas, worin wir uns wirklich verliebt haben und ein absoluter „Must Do“ Tipp von uns für L.A. ist, ist „The Last Bookstore“. Eigentlich nur eine Buchhandlung, aber eine Buchhandlung die wir so noch nie gesehen haben. In einem ehemaligen Bankgebäude gelegen, wirkt der Laden mit seinen hohen Decken, den labyrinthartigen Gängen und den kunstvoll arrangierten Bücherinstallationen fast wie eine Mischung aus Bibliothek, Galerie und Kuriositätenkabinett. Zwischen meterhohen Regalen, einem Büchertunnel, versteckten Leseecken und so vielen kleinen Details, entfaltet sich ein Gefühl, als wäre man in einem Laden in der Winkelgasse bei Harry Potter. Es gibt neue und gebrauchte Bücher, Schallplatten und kleine Kunstwerke zu kaufen. Alles eingebettet in die irre Innenarchitektur des Ladens. Umso länger wir in der Buchhandlung verweilen, umso mehr Details und Kleinigkeiten fallen uns auf. Über dem Ausgang hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Thank you for visiting The Last Bookstore – You are now re-entering the real world”. Und das bringt das Erlebnis sehr gut auf den Punkt, es ist wie eine Reise in eine andere Welt. In die Welt der Bücher.
Begeistern tut uns auch das, weswegen wir überhaupt hierher nach L.A. gekommen sind. Die Warner Bros. Filmstudios. Ein wundervoller Einblick in die Arbeit und Erschaffung einige der bekanntesten Filme und Serien. Es warten echte, riesige Außenkulissen auf uns, die Besichtigung einer der gigantisch großen Hallen, die jetzt gerade leer ist und in der für Filme oder Serien ganze Sets aufgebaut werden oder die echten Kulissen von den Serien Friends und The Big Bang Theory. Mein Highlight sind die Originalkostüme und -Fahrzeuge aller Batman Filme, die dort in einem Museum ausgestellt sind. Mit viel Liebe und Aufwand werden die Touren organisiert, so dass man nicht nur einen Einblick, sondern auch viele neue Informationen über das Filme machen bekommt. Spannende interaktive Spiele, in denen man mal selbst ausprobieren kann, wie z.B. Visual Special Effects oder das Synchronisieren von Filmen funktioniert. Wir sind begeistert von dem gesamten Erlebnis und froh, dass wir dies nun doch noch erleben können. Schließlich war genau dies, der Grund für uns, noch mal ein paar Tage in L.A. zu verbringen. Und hat es sich gelohnt? Irgendwie schon. Es war bei weitem nicht die tollste und schönste Stadt, die wir jemals gesehen haben. Dennoch war es mal sehr interessant einen Eindruck davon zu bekommen, wie diese Stadt, die immer mit der Welt der Promis und Reichen in Verbindung gebracht wird, wirklich ist. Sie ist fern von einer glamourösen Luxuswelt und eben nicht das Paradies, was man sich durch den Einfluss der Medien oft ausmalt. Und trotzdem hat L.A. auch seine schönen Seiten und Ecken, die es sich lohnt anzuschauen.
Durch zwei Erlebnisse bzw. Umstände wird uns auch nochmal wieder ganz deutlich vor Augen geführt, wie glücklich wir uns mit unserem Leben in Deutschland schätzen können. Das eine ist das Thema Sozialsystem und Gesundheit. In Deutschland befinden wir uns in der glücklichen Lage, dass wir ein Sozialsystem haben, dass einen Großteil der Gesellschaft (wenn auch leider nicht alle) in gewissen Situationen auffangen kann. Des Weiteren haben wir einen gesetzlichen Schutz von Arbeitnehmern und Mietern, die es erschweren, dass man von heute auf morgen seinen Job verliert oder der Mieter einem sagt, dass man bis Ende der Woche seine Sachen gepackt haben muss. Hier in den USA sieht das ganze anders aus. Heute noch erfolgreicher Angestellter bei einer Bank, morgen arbeitslos. Heute noch Mieterin einer schönen Wohnung, ein paar Tage später obdachlos. Und das vielleicht nur, weil man ein paar Rechnungen nicht bezahlen kann. Viele hier im Land verschulden sich vor allem, auf Grund von Rechnungen für Ärzte oder andere Behandlungen. Während wir in Deutschland zum Arzt oder Ärztin gehen und unsere Karte der Krankenversicherung auf den Tisch legen, über die alles abgerechnet wird, muss man hier alles selbst bezahlen. Oh du hast kein Geld? Sorry, keine Behandlung. Und das Gesundheitssystem der USA gehört zu den teuersten der Welt. Lara erfährt es am eigenen Leib, wie teuer es sein kann, in den USA zum Arzt/Ärztin gehen zu müssen. Auf Grund der starken Schmerzen, die sie im Yosemite National Park hatte und auch noch vorhanden sind, beschließt sie hier noch nach einem Arzt/Ärztin zu schauen. Nicht nur, dass es kaum möglich ist, einen schnellen Termin für einen Notfall zu bekommen, so ist es auch mit hohen Kosten verbunden. Als Beispiel mal das Preisgefüge einer Praxis, dessen Onlineauftritt eher nach einem Luxusdienstleister aussieht. Nur um einen Termin buchen zu können, müsste Lara ein Jahres-Abo abschließen, dass 600$ kostet. Die Möglichkeit für nur einen Termin zu bezahlen, gibt es erst gar nicht. Und auch die anderen Praxen, die sie kontaktiert, verlangen viel Geld oder blocken direkt ab, bei der Frage nach einer Notfallsprechstunde. Lara könne ja in die Notaufnahme, wenn es so schlimm sei. Und eine Aufnahme dort kostet ab 1000$ aufwärts. Und da hat die Behandlung noch nicht mal begonnen. Schrecklich. Daher entscheiden wir uns auch, die Behandlung auf Mexiko zu verschieben, da wir dort zum Glück auch schon Kontakte haben, die Lara einen Termin organisieren können, bei einer Ärztin, der sie vertrauen.
Das andere Thema, bei dem wir uns in Deutschland auch noch glücklich schätzen können, ist das Thema Sicherheit. Es wird uns vor allem noch mal bei der Fahrt zum Flughafen vor Augen geführt. Da unser Flug nach Mexiko City erst kurz nach Mitternacht geht, beschließen wir erste am Abend mit dem Bus zum Flughafen zu fahren. Die Fahrt dauert recht lange, da der Flughafen am anderen Ende der Stadt liegt. Wir suchen uns vorab eine Route über Google Maps heraus und wissen also welche Busse wir nehmen. Es ist bereits klar, dass wir mindestens einmal umsteigen müssen, um zum Flughafen zu gelangen. Als wir im Bus sitzen und immer wieder mal die vorgeschlagene Route aktualisieren, merken wir, dass Google Maps ständig die beste Option ändert. Mal müssen wir am Ende weiter laufen, mal sollen wir hier umsteigen und mal da. Irgendwann müssen wir aber eine Entscheidung treffen und beschließen an der nächsten vorgeschlagenen Haltestelle auszusteigen und dort auf den Bus der anderen Linie zu warten, der uns dann zum Flughafen bringen soll. Kurz bevor wir aussteigen, kommt mir allerdings ein Gedanke. Denn in vielen US Großstädten gibt es Gegenden, die es absolut zu vermeiden gilt. Gegenden wo man nicht nur sagen würde „Du musst da ein bisschen auf deine Wertsachen aufpassen“, sondern Gegenden wo du auf dein Leben aufpassen musst. Gegenden, in denen es schon reichen kann die falschen Klamotten zu tragen, um in ernsthafte Schwierigkeiten zu kommen. Und durch die ständigen Wechsel der Routen und Optionen, haben wir wirklich keine Ahnung, wo wir jetzt gleich aussteigen werden. Wir wissen noch nicht einmal genau, wo diese Gegenden sind, die wir niemals betreten sollten. Wo steigen wir da also gleich aus? Es ist bereits dunkel, was die Situation nicht gerade verbessert. Sind wir gleich in einer solchen Gegend? Mit unserem ganzen Gepäck, was uns nochmal angreifbarer macht. Ein Gefühl, dass ich bisher so aus Deutschland nicht kannte. In Deutschland gibt es sicherlich auch Gegenden, die man eher meiden sollte. Aber es gibt keine Gegenden, in denen du Angst haben musst, erschossen oder anderweitig ermordet zu werden. Wir erleben am eigenen Leib, wie einschränkend diese Unsicherheit ist. Als wir aus dem Bus aussteigen, gucken wir uns erst mal um und versuchen uns ein Bild von der Gegend zu machen. Zu unserer Erleichterung wirkt es auf den ersten Blick nicht unsicher. Und uns passiert auch nichts. Aber mulmig war dieses Gefühl trotzdem.
Am Flughafen erwartet uns dann ein Vorgeschmack auf unsere zukünftige Reise. Denn etwas ganz Entscheidendes wird sich nun ändern und das wird uns bei einer Durchsage am Gate, die ausschließlich auf Spanisch stattfindet, bewusst gemacht. Wir verstehen, dass es um unseren Flug geht, aber mehr auch nicht. Irgendwie versuchen wir aus den Gesichtern der anderen Wartenden am Gate herauszufinden, ob es irgendetwas Wichtiges war, oder nicht. Wir werden das erste Mal mit einer großen Sprachbarriere konfrontiert. Nach fast 16 Monaten auf Reise, verlassen wir nun das erste Mal die Länder, in denen wir uns jederzeit sehr sicher auf Englisch verständigen konnten. Die zukünftigen Länder werden uns nun die Herausforderung einer neuen Sprache, die wir beide noch nicht gut beherrschen, geben. Einfach mal jemanden ansprechen und nach dem Weg fragen, wird uns jetzt, zu mindestens in den ersten Wochen, Überwindung kosten und somit die Art und Weise zu Reisen verändern, aber auch spannender und aufregender machen. Also schließen wir das Kapitel USA und gleichzeitig das Kapitel englischsprachige Länder und sind schon sehr gespannt auf das nächste Kapitel: Mexiko!
Unser Fazit zu den USA
Die USA ist wunderschön und so vielfältig, dass es einem hinter jeder Ecke wieder aufs Neue den Atem verschlägt. Landschaften, die einmalig sind auf dieser Welt und eine Faszination mit sich bringen, dass es sich nur schwer in Worte fassen lässt. Städte, die weltberühmt und so unterschiedlich sind. Das alternative, hippiege und maritime San Francisco, Las Vegas die Stadt die einfach anders ist und Los Angeles mit seinem Hollywood Beachlife Vibe. Dazu gesellen sich noch viele andere Städte, die alle mit ihrem ganz eigenen Charme glänzen können. Und hier, durch den Westen der USA, mit einem Wohnmobil durch die weiten Landschaften zu fahren gibt einem in gewisser Weise dieses Gefühl der Freiheit, von dem immer so viel erzählt wird. Es werden Kindheitsträume war und überall verbergen sich Dinge, die wir aus Filmen, Geschichten, Liedern oder Videospielen kennen. USA weckt etwas in vielen Menschen, was irgendwo zwischen Sehnsucht und romantisiertem Leben steckt.
Aber die USA kann eben auch anders. Die USA kann auch gefährlich sein. Immer wieder wird man konfrontiert mit der Visualisierung der Wohlstandsschere eines Landes. Direkt neben schönen Wohnvierteln mit Einfamilienhäusern, gibt es die Straßenzüge, die gesäumt sind von notdürftig aufgebauten Unterkünften, in denen die Menschen leben, deren Leben an einem gewissen Punkt leider die falsche Richtung eingeschlagen hat, oder die eventuell nur auf Grund einer Erkrankung, sich heute tief in der Schuldenfalle befinden. Denn etwas, was für uns so selbstverständlich ist, ist hier ein großer Luxus und nicht für alle zugänglich. Eine medizinische Versorgung. Die USA ist tatsächlich bisher auch das Land, in dem wir uns, vor allem in den Großstädten, am unsichersten gefühlt haben. Und ich schreibe dieses Fazit Monate später aus Chile, nachdem wir auch Mexiko, Guatemala, Belize, El Salvador, Nicaragua und Costa Rica bereist haben. Es gibt Gegenden, in denen man um sein Leben fürchten muss und sowieso ist der Gedanke, dass hier theoretisch jeder eine Waffe bei sich haben kann, sehr gruselig. Hier gibt es ein ganz anderes Level von Armut, Kriminalität aber auch Reichtum. Es ist eben ein Land der Extreme. Ob es das Land ist der unbegrenzten Möglichkeiten? Vom Tellerwäscher zum Millionär? Vielleicht ist es tatsächlich so, dass du hier, wenn du viel Glück hast, schneller eine große Karriere machen kannst als zum Beispiel in Deutschland. Aber es ist eben auch so, dass du viel schneller, viel tiefer fallen kannst. Und diese Erfolgsgeschichten, die immer so populär in sämtlichen Medien erzählt werden, sind eben nur ein kleiner prozentualer Teil der Gesamtbevölkerung.
Wir sind sehr froh, dass wir uns selber mal einen Einblick verschaffen konnten und vor Allem mit dem Hintergrund des politischen Wandels in diesem Land, sind wir froh es noch jetzt getan zu haben. Wir sind gespannt, wohin sich dieses Land entwickelt. Aber eines steht fest, landschaftlich wird es eines der spektakulärsten Länder der Welt bleiben.