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MACH'S GUT MAUSI

Es ist Freitag, der 31. Mai und wir sitzen wieder zu zweit in Mausi auf einem Hotelparkplatz in der Nähe vom Flughafen in Calgary. Vor ein paar Minuten haben wir uns von Kim und Jochen verabschiedet, die heute nach vier erlebnisreichen Wochen wieder auf dem Weg nach Deutschland sind. Es fühlt sich komisch an, dass die beiden nun wieder zurück in ihre Wohnung nach Hamburg gehen und wir hier in Kanada bleiben. Für sie war es ein langer Sommerurlaub mit vielen unvergesslichen Erlebnissen, für uns ein kleiner Abschnitt auf unserem großen Abenteuer Weltreise. Das erste Mal seitdem wir unterwegs sind, bin ich neidisch auf die beiden und darauf, dass sie wieder zurück nach Deutschland fliegen. Ich hätte auch Lust all unsere Freunde wiederzusehen, Hamburg und Kiel im Sommer zu erleben und in unserer Wohnung zu chillen. Aber Moment – in der wohnen nun andere Menschen. In Wirklichkeit würde uns zu Hause eine super nervige Wohnungs- und Jobsuche bevorstehen. Okay, da wohnen wir doch lieber in Mausi und reisen noch ein bisschen weiter. Allerdings steht jetzt auch langsam der Abschied von unserem geliebten Untersatz bzw. zu Hause und von Kanada an. Ein paar Tage zu vor haben wir eine Anzeige für das Auto geschaltet und hoffen, dass wir es für einen guten Preis und ohne Stress verkauft bekommen. Haha, so eine naive Vorstellung. Leider sollte der Autoverkauf am Ende doch fast so stressig und anstrengend werden wie der Autokauf damals in Montreal. Um ein Auto nämlich in einer anderen Provinz zu verkaufen, als dort wo das Auto gekauft und registriert wurde, braucht man eine sogenannte „Out of Province Inspection“. Und diese ist natürlich in jeder Provinz anders. Wir haben uns daher auch für Calgary, also die Provinz Alberta, entschieden, weil die Inspektion dort nicht so hohe Kriterien haben soll, wie in British Columbia. Meist ist es für Autos aus dem Osten wohl auch schwieriger im Westen verkauft zu werden, da im Osten im Winter mit Salz gestreut wird und viele Autos aus dem Osten sehr verrostet sind, unsere Mausi aber glücklicherweise nicht. Die erste Hürde für den Autoverkauf ist also, die „Out of Province Inspection“. Wir stellen allerdings fest, dass die größere Hürde eher ist, eine Werkstatt zu finden, die einen zeitnahen Termin für so eine Inspektion hat bzw. einen Termin, um zu schauen, was alles gemacht werden müsste, um diese Inspektion zu bestehen. Denn normalerweise liegt es beim Käufer oder bei der Käuferin diese Inspektion machen zu lassen. Wir rufen verschiedene Werkstätten an, die sich mit VW Bussen auskennen und alle haben erst in 3-4 Wochen einen Termin frei und alle sagen, dass sie wenn dann nur direkt die Inspektion machen können. Ding ist aber, dass diese Inspektion 200$ kostet, man danach nur 2 Wochen Zeit hat, alle Sachen zu reparieren, sonst darf man wieder eine neue Inspektion machen und man braucht dafür auch schon ein Formular von einem Verkehrsamt in Alberta mit einer Adresse in Alberta – die wir natürlich nicht haben, also beißt sich die Katze selbst in den Schwanz. Wir stellen mal wieder fest, dass das System für Autokauf- und verkauf in Kanada einfach nicht für Backpacker ausgelegt ist und dass es auch alles nicht soviel Sinn macht. Ich meine, wenn du ein Auto in der gleichen Provinz verkaufst, in der es registriert ist, brauchst du keine Inspektion zu machen, da kannst du also jede krasse unsichere Schrottlaube verkaufen, aber wehe du willst es in einer anderen Provinz verkaufen, nee, dann ist es auf einmal wichtig eine Inspektion zu machen, weil du könntest ja eine Gefahr für den Straßenverkehr sein. In der gleichen Provinz ist das jedoch scheiß egal. TÜV? So etwas kennen die Kanadier*innen nicht. Doch nach einigen Anrufen bekommen wir endlich eine positive Nachricht: Der Mann am Telefon, der vor längerer Zeit aus Deutschland nach Kanada ausgewandert ist und sich sehr über unseren Anruf freut, kann uns zwar selbst nicht helfen, empfiehlt aber eine Werkstatt bei der wir eine „Pre-Out of Province Inspection“ machen können. Dort bekommen wir sogar direkt nächste Woche Donnerstag einen Termin und die Inspektion kostet nur 80$, das ist doch mal ein Schnapper.

Pause im Banff National Park

Da der Termin noch fast eine Woche entfernt ist und wir keine Lust auf die Großstadt Calgary haben, entscheiden wir uns dazu anderthalb Stunden Richtung Banff Nationalpark zu fahren und nach den letzten anstrengenden Wochen einfach mal ein paar Tage an einem Ort zu verbringen, um runterzukommen. Da der Campingplatz in Canmore direkt an der Straße liegt und nicht wirklich schön ist, fahren wir weiter nach Banff und buchen drei Nächte auf dem Tunnel Mountain Nationalpark Campingplatz. Einen Tag verbringen wir komplett auf dem Campingplatz, müssen aufgrund vieler Reservierungen noch einmal den Stellplatz wechseln und daddeln sonst einfach nur rum. Nachdem wir den Van geputzt haben und weitere gute Fotos vom Innenraum für die Verkaufsanzeige geschossen haben, geht Malte seiner Lieblingsbeschäftigung nach: ein Lagerfeuer vorbereiten und anzünden. Während ich Stockbrotteig vorbereite, läuft einfach mitten am Tag ein Kojote etwa 20 Meter von uns entfernt über den Campingplatz. Wir genießen die Stille und das Nichts tun. Am nächsten Tag fahren wir mit dem kostenlosen Bus-Shuttle vom Campingplatz in die Stadt Banff, um die Hot Springs zu besuchen. Von denen sind wir aber sehr enttäuscht, denn ist es super voll und laut und eigentlich nur ein kleiner Pool, der nichts mehr mit natürlichen Hot Springs zu tun hat. Der Ausblick ist zwar schön, aber so richtig genießen können wir es wegen der Lautstärke nicht. Abends gönnen wir uns eine leckere italienische Pizza und fahren mit dem letzten Shuttle wieder zurück zum Campingplatz.

Anfang Juni bis zur Hüfte im Schnee

Für Montagvormittag haben wir es geschafft uns online zwei Tickets für den Shuttle zum beliebten Moraine Lake zu ergattern. Diese werden immer zwei Tage vorher um 8 Uhr morgens zur Reservierung freigeschaltet. Ich checke allerdings vor dem Schlafen gehen noch einmal die Website und sehe, dass es noch ein paar freie Tickets im Time-Slot von 10-11 Uhr gibt, da wohl jemand die Reservierung storniert hat und schlage zu. Mit Mausi fahren wir zum großen Parkplatz unten von Lake Louise und machen uns mit unserem Wandergepäck auf zum Lake Moraine. Als wir vor ein paar Wochen mit Kim und Jochen da waren, war die Straße zum Lake Moraine aufgrund von Schnee leider noch gesperrt. Seit dem 1. Juni ist sie allerdings für den Shuttle, der die einzige Möglichkeit ist zum See zu kommen, wieder freigegeben für diese Saison. Als wir ankommen, stellen wir fest, dass dort schon sehr viele Menschen sind, der See noch gefroren ist und gar nicht so spektakulär aussieht, wie wir uns vorgestellt haben. Wir entschließen uns eine größere Wanderung von so 8-10km einen Berg hoch zu unternehmen. Auf ungefähr 1/3 der Strecke treffen wir auf eine Wandergruppe, die bereits auf dem Rückweg ist und uns mitteilt, dass sie die Wanderung abbrechen mussten, da sie bis zu den Knien im Schnee feststeckten und sie den Trail nicht mehr gefunden haben. Wir entscheiden uns trotzdem weiter zu gehen und zu schauen, wie weit wir kommen. Aber tatsächlich müssen auch wir feststellen, dass wir bei ungefähr der Hälfte bis zur Hüfte im Schnee versinken und kein Weg mehr erkennbar ist. Hm, damit hätten wir Anfang Juni nicht gerechnet, aber wir befinden uns hier auch über 1880m Höhe und vor kurzem war die Straße hoch noch voller Schnee. Gefühlt hat Kanada nur zwei Jahreszeiten: Winter und Sommer. Und der Winter ist seeehr lang und zwar von November bis Mai, also sieben Monate, Juni ist dann einen Monat Frühling, von Juli bis September sind drei Monate Sommer und im Oktober ist einen Monat Herbst. So langsam verstehen wir, warum so viele Menschen hier, den Wintersport lieben. Wenn du nur ein Sommerkind bist, ist Kanada definitiv das falsche Land für dich. Da wir früher als gedacht von der Wanderung zurück sind, nehmen wir den Shuttle zum Lake Louise, den wir mit Kim und Jochen bereits vor ein paar Wochen besucht haben. Mittlerweile ist dieser nicht mehr zugefroren und wir dürfen das türkisblaue Wasser bestaunen. Wir wandern zu einem Lookout hoch, von dem wir eine besonders schöne Aussicht auf den See und die Umgebung haben. Die Farbkombi zwischen dem türkisblauen Wasser, den grünen Bäumen und den roten Kanus auf dem See sieht atemberaubend schön aus. Wir können verstehen, warum der Lake Louise so eine Touristenattraktion ist, die mehrere Millionen Besuchende jedes Jahr anlockt. Das hässliche Fairmont Hotel hätten sie allerdings mal schöner gestalten können, denn dies passt nicht in das schöne, wie gemalt aussehende, Panorama. Auf dem Rückweg entscheiden wir uns für einen anderen Trail, nicht durch den Wald, sondern runter zum See und an der Uferlinie entlang. Zwischendurch rutsche ich mit meinen Schuhen weg und lande so richtig schön auf meinem Poppes und meinem Handgelenk. Wie gut, dass überall noch Schnee rumliegt und ich mein Handgelenk so gut kühlen kann. Vielleicht hätten wir doch auf das Warnschild hören sollen, dass dieser Trail zur Zeit noch nicht begehbar ist. Naja no risk, no fun. Der große blaue Fleck wird bestimmt ganz viel Fun sein.. nicht.

Eine Überraschung am Johnston Canyon

Zurück bei Mausi fahren wir aus Lake Louise raus und versuchen einen schönen Stellplatz finden. Obwohl noch keine Hochsaison ist, ist dies gar nicht so einfach. Denn die meisten schönen Plätze sind ausgebucht und es gibt nur hässliche Overflow-Parkplätze direkt an der Straße, die trotzdem noch 10-20$ pro Nacht kosten. In der Nähe vom Johnston Canyon finden wir einen richtig schönen Platz auf dem wir nach ein paar Tagen mal wieder eine heiße Dusche genießen und ein kleines Lagerfeuer anzünden. Ich glaube, wenn wir Kanada verlassen, werden wir diese Stellplätze mitten im Wald mit einer Feuerschale und der Möglichkeit jeden Abend ein Campfire zu machen, sehr vermissen. Dies ist für uns der Inbegriff von Kanada. Am nächsten Tag wandern wir durch den Johnston Canyon und freuen uns, dass wir diesen schönen Canyon jetzt doch noch so spontan sehen können. Und dann passiert noch etwas super lustiges. Denn aus dem Nichts läuft einfach Matilde an uns vorbei. Matilde haben wir letztes Jahr im September bei einer Wanderung auf Neufundland kennengelernt. Sie hat den Winter in Montreal verbracht, dort gearbeitet und macht jetzt einen Roadtrip durch den Westen, bevor es in ein paar Wochen zurück nach Hause nach Belgien für sie geht. Wir wussten nicht, dass sie gerade hier unterwegs ist und es ist so ein krasser Zufall, dass wir uns gerade hier im Johnston Canyon über den Weg laufen. Die Welt ist klein. Das stellen wir auch auf unserem nächsten Übernachtungsplatz fest. Im Bow Valley stehen wir direkt an einem Fluss mitten im Wald, als unsere Nachbarn zu uns rüberkommen und berichten, dass sie ein Foto von unserem Van haben. Dies haben sie letztes Jahr im September in Halifax, also auf der anderen Seite von Kanada, geschossen, weil sie den Van so cool fanden. Genial, dass wir jetzt aufgerechnet acht Monate später tausende Kilometer entfernt wieder aufeinander treffen.

Discovery Day im Kananaskis Country

Heute ist unser Glückstag. Denn unser Nationalpark Pass ist hier im Provincial Park leider nicht gültig und eigentlich müssen wir uns einen Extra Tagespass kaufen. Wir entscheiden uns dies nicht vorher online zu tun, sondern zum Visitor Center zu fahren, um noch ein paar Tipps für Wanderungen zu erhalten. Dort stellen wir fest, dass heute Discovery Day ist und wir ohne Tagespass den Park besuchen dürfen. Die nette Mitarbeiterin empfiehlt uns noch eine Wanderung, von der wir hinterher sagen, dass es eine der schönsten in Kanada war. Bevor wir auf den Hike starten, fahren wir erstmal zum Lower Kananaskis Lake und genießen ein Frühstück direkt am See mit einem besonders schönen Ausblick auf die Berge. Hier im Peter Lougheed Provincial Park ist viel weniger los und es ist längst nicht so touristisch wie der Banff oder Jasper Nationalpark, aber trotzdem genau so, wenn nicht sogar noch schöner. Die Fahrt mit Mausi auf der wunderschönen Strecke mit den Bergen um uns herum, die Musik im Hintergrund und dem Wind im Haar, lässt uns richtig frei fühlen und wir merken, dass wir die Freiheit und die Glücksgefühle, die uns Mausi ermöglicht hat, sehr vermissen werden. Auf dem Weg sehen wir noch einen großen Grizzlybären und einige Mountain Sheeps – Kanada gibt heute also alles. Unsere Wanderung führt uns über 6km den Prairie View Trail hoch auf den Yates Mountain. Der Weg hoch durch den Wald mit endlos vielen Switchbacks (Serpentinen) ist ganz schön anstrengend. Aber das Schöne ist, dass Malte und ich uns bei Wanderungen immer ziemlich gut gegenseitig motivieren. Meist ist es nämlich so, dass ich am Anfang / in der Mitte oft nicht mehr kann und Malte mich dann motiviert und gegen Ende Malte keine Lust mehr hat und ich dann aber noch mal so einen Motivationsschub bekomme und ihn dann zum Weitergehen überzeuge. Am Ende werden wir mit einem fantastischen Ausblick über den Barrier Lake und dem Kananaskis Country belohnt. Die Farbkombo hier ist fast noch schöner als beim Lake Louise und das Gute ist, hier sind wir ganz alleine. Da es noch einen zweiten Lookout geben soll, krackseln wir noch ein bisschen weiter den Berg hoch. Auch hier sind wir bis auf ein paar Squirrels, die uns Gesellschaft leisten, ganz alleine und genießen die Stille und die Aussicht. Die Autos auf der Straße sehen von hier aus wie kleine Ameisen. Laut der Mitarbeiterin im Visitor Centre soll es hier einen Fire Lookout geben. Da wir es jetzt schon so weit nach oben geschafft haben, wollen wir den natürlich auch noch sehen. Wir sind mittlerweile zwar auch ganz schön erschöpft, aber die restlichen Meter schaffen wir jetzt auch noch, auch wenn wir noch einmal einige steile Passagen mit Steinen und etwas Schnee überwinden müssen. Angekommen am Fire Lookout befindet sich ein Helikopter Landeplatz und ein kleines Häuschen auf knapp 2000m Höhe. In der kleinen Hütte wohnt Shane, der die Hälfte des Jahres dort stationiert ist, um nach Waldbränden Ausschau zu halten. Wir haben ein sehr interessantes Gespräch mit ihm, über seinen Job und wie es so ist, mehrere Monate komplett alleine auf dem Fire Lookout zu wohnen. Er erzählt uns, dass es in Alberta über 100 Fire Lookouts gibt, jede 60-100km einen. Sein Lookout ist der einzige auf den man auch hochwandern kann, die anderen sind alle nur per Helikopter zu erreichen. Shane ist Musiker und schreibt den Sommer auf dem Lookout seine eigenen Songs, im Winter geht er dann mit seiner Musik auf Tour. Zwei wirklich sehr verschiedene Leben, die er im Sommer und Winter führt. Am besten an dem Job finde ich übrigens das Outhouse, ich habe noch nie eine Toilette mit so einem schönen Ausblick gesehen. Bevor wir wieder runterwandern, zeigt uns Shane noch, dass wir vom Lookout einen Blick auf die Hochhäuser von Calgary auf der einen Seite und auf der anderen Seite den Blick auf Canmore haben. Ein wirklich sehr schöner, wenn auch einsamer Arbeitsplatz. Es gibt aber auch Menschen, die ihre Familie mit auf den Lookout nehmen, dann ist man zumindest nicht so alleine. Irgendwie könnte ich mir so einen Job schon vorstellen zumindest für eine Zeit.. ist auf jeden Fall aufgrund des Klimawandels ein Job mit Zukunft, leider.

Die Wanderung fühlt sich an wie ein Fiebertraum, als wir abends wieder zurück in die Großstadt Calgary fahren und in einer Nebenstraße nicht weit entfernt von der Werkstatt übernachten. Am nächsten Tag geben wir Mausi in der Werkstatt ab und wollen die Zeit eigentlich zum Wäsche waschen nutzen. Jedoch bekommen wir morgens einen Emergency Alert auf unser Handy: Es gab einen Wasserrohrbruch, so dass die Wasserversorgung von Calgary sich in einer kritischen Lage befindet. Alle Einwohnenden werden dazu aufgerufen, keine Wäsche zu waschen, nicht abzuwaschen, nicht zu baden oder zu duschen. Yei, was ein Timing. Also müssen die Unterhosen ab jetzt  wohl umgedreht werden. Da sich bisher immer noch niemand auf unsere Verkaufsanzeige gemeldet hat, schauen wir nach günstigen Übernachtungsmöglichkeiten. Denn wenn wir nun den ganzen Tag in Mausi in Calgary sitzen und nur warten, ist die Gefahr sehr hoch, dass wir uns nach ein paar Tagen gegenseitig die Köpfe einschlagen. Leider sind die Hostels in Calgary super teuer und wir versuchen unser Glück bei Couchsurfing. Und es klappt sogar von Freitag bis Montag dürfen wir drei Nächte bei Andi und Chris in einem eigenen kleinen Zimmer übernachten.

Warten, warten, warten

Die „Pre-Out of Province Inspection” ergibt, dass unsere Vorderbremsen dringend ausgetauscht werden müssen (was ein Wunder, die quietschen ungefähr seit 3 Wochen 😀 ), die Trommeln der Hinterradbremsen das Minimum an Dicke für Alberta unterschreiten, ein Kugelgelenk erneuert werden sollte und wir ein automatisches Tagfahrlicht brauchen. Alles in allem soll das ungefähr 2000-3000$ kosten. Puuh, doch ganz schön viel. Naja wenigstens nichts mit dem Benzinfilter, das Problem ist also wohl erstmal wieder behoben. Wir aktualisieren die Verkaufsanzeige in Calgary und reduzieren den Preis. Bisher leider immer noch keine Interessenten, nicht eine Nachricht. Wir schreiben die komplette Anzeige noch einmal um, stellen es noch auf weiteren Verkaufsplattformen online (obwohl Facebook Marketplace hier schon die wichtigste Plattform ist) und entscheiden uns dazu den Van auch in Montreal und Whitehorse zu inserieren. Und nun heißt es weiter warten. Geduld ist leider nicht unsere Stärke. Aber zumindest verbringen wir ein schönes Wochenende bei unserem Couchsurfing-Host Andi und seiner wundervollen Tochter, können kurz duschen, schlafen viel und nutzen das Wlan in vollen Zügen. Als wir uns am Montag wieder von den beiden verabschieden haben wir leider immer noch keine einzige Anfrage aus Calgary für unser Auto, keine in Montreal und mittlerweile 5 in Whitehorse. Dort ist das Auto aber auch für den günstigsten Preis online. Wir verbringen die Zeit auf einem netten Parkplatz direkt am Fluss, mit einer öffentlichen Toilette und einem kleinen Café mit Wifi. Wenigstens haben wir Glück mit dem Wetter und die Sonne scheint die ganze Zeit. Aber wir merken, dass diese ganze Warterei echt anstrengend ist und wir nicht so wirklich wissen, was wir machen sollen. Wir haben drei Optionen:

  1. Wir bleiben in Calgary und üben uns in Geduld. Irgendwann muss ja mal jemand interessiert sein, vor allem, weil wenig andere VW Busse zum Verkauf online stehen. Müssten wohl aber je nachdem wie lange das Ganze dauert noch mal in ein Hostel oder Motel investieren, Kosten für eine Woche ca. 600-700$ in der günstigsten Variante
  2. Wir fahren nach 3.600km nach Montreal, um dort den Van zu verkaufen. Dort bräuchten wir, weil das Auto dort ja registriert ist, keine Out of Province Inspection und könnten es einfacher verkaufen. Zudem gibt es in Québec wesentlich mehr Angebote von VW Bussen, heißt aber auch mehr Konkurrenz. Außerdem könnten wir eine Weile bei unserem Freund Heiner wohnen und hätten keine Kosten für Übernachtung, aber natürlich die Kosten und mindestens eine Woche Zeit“-verlust“ für die Fahrt dahin. Weitere Vorteile: Wir könnten Yvan und Heiner nochmal sehen. Und wir könnten nochmal einen Abstecher in den Grassland National Park machen, den wir beim letzten Mal aufgrund der Kälte geskippt haben. Nachteile: Es besteht das Risiko, dass auf der Fahrt weitere Dinge kaputt gehen und wir noch einmal Geld in den Van investieren müssten, was wir eigentlich so kurz vor dem Verkauf nicht wollen.
  3. Wir fahren 2.300km nach Whitehorse auf die Ziegenfarm und versuchen dort unser Glück. Vorteil: Auch im Yukon brauchen wir keine Out of Province Inspection, weil es ist halt der Yukon; keine Kosten für Unterkunft und Verpflegung; wir fahren eine neue Strecke und zeigen Mausi einen Teil vom Norden Kanadas; wir sehen unsere Yukon-Familie wieder und alle Ziegen, Hunde und Katzen, die wir sehr vermisst haben und können eventuell eine Geburt live miterleben, weil viele Ziegen momentan schwanger sind. Nachteile: 2.300km hoch über den einsamen Alaska Highway ohne viele Werkstätten und eine weitere Überquerung der Rockies.

Je nach Lust und Laune können wir uns alle drei Optionen schön und schlecht reden. Nur eine Option gefällt uns am wenigsten, die in Calgary zu bleiben, denn es gibt weiterhin keine Interessenten und Warten ist einfach nicht unsere Stärke, vor allem, wenn wir nichts zu tun haben. Es fühlt sich an wie verschwendete Lebenszeit. Nach vielem Hin und Her und im Austausch mit Karen von der Ziegenfarm, entscheiden wir uns dazu nach Whitehorse hochzufahren. Denn mittlerweile haben wir auf unsere Anzeige dort schon 5 ernst gemeinte Anfragen, für Calgary und Montreal weiterhin keine einzige. Da uns die Überquerung der Rockies mit quasi nicht vorhandenen Vorderbremsen jedoch zu riskant ist, entscheiden wir uns dazu doch noch einmal Geld in Mausi zu investieren und die Vorderbremsen neu zu machen. Hierfür bekommen wir am Dienstag, den 11. Juni, einen Termin.

 

Dienstagmittag bekommen wir, während wir endlich mal unsere Wäsche waschen können – in Calgary muss zwar immer noch Wasser gespart werden, aber die Waschsalons haben glücklicherweise doch weiterhin auf – leider eine negativen Anruf: Der Bremssattel öffnet auf der einen Seite nicht mehr richtig (daher wohl auch das Quietschen) und muss ausgetauscht werden. Natürlich haben sie diesen nicht vorrätig, er muss bestellt werden und kommt mit Glück am Donnerstag an. Wieso kann mit diesem Auto nicht mal alles einfach sein? Nee, das wäre ja sonst langweilig. Also heißt es zwei weitere Tage warten. Wenigstens bauen sie das Auto wieder zusammen und wir können es abholen, um darin zu schlafen. Also wieder zurück auf unseren Platz direkt am Fluss. Donnerstagmittag dann der ersehnte Anruf: Das Teil ist angekommen und wir können vorbeikommen. Hoffentlich schaffen sie es, es heute noch auszutauschen, damit wir uns abends noch auf den Weg Richtung Whitehorse machen können. Wir wollen ja nicht, dass die fünf Interessenten, wegen der langen Wartezeit, abspringen. Kurz vor dem Schließen der Werkstatt, tauchen wir dort wieder auf und die Räder sind schon wieder am Auto montiert – das ist hoffentlich ein gutes Zeichen. Ja, die Bremsen funktionieren auch und der neue Bremssattel hat gepasst. Bloß leider ist der Tacho nun im Arsch. Entweder ist das Kabel zur Geschwindigkeitsmessung, das direkt auf der Radnarbe befestigt ist, beim Bremsenwechsel, beschädigt worden, oder sie haben es nicht genauso wieder befestigt. Die Werkstatt ist halt eine ganz normale Werkstatt und keine die sich extra mit älteren VW-Bussen auskennt. Die Mechaniker wollen auch langsam Feierabend machen und sagen, dass sie es erst Morgen versuchen können zu reparieren. Weil wir aber keine Garantie dafür haben, dass sie das auch wirklich schaffen, morgen Freitag und dann Wochenende ist und wir einfach keine Geduld mehr haben, zu warten, entscheiden wir uns dazu ohne funktionierenden Tacho loszufahren. Maltes Handy zeigt beim Navigieren zum Glück die Geschwindigkeit an und vielleicht bekommen wir es ja in Whitehorse hin, es selbst zu reparieren. Wir bekommen einen Rabatt für das kaputte Tacho und machen uns endlich auf den Weg. Beim Einsteigen stellen wir fest, dass die Mechaniker leider unsere Handyhalterung kaputt gemacht haben. Oh man, was denn noch alles. Malte kann es aber schnell wieder reparieren und nun geht es aber wirklich los.

Auf Richtung Alaska, auf in den Yukon

Auch wenn wir jetzt noch einmal 1000$ in neue Vorderbremsen investieren mussten und mit einem kaputten Tacho und einer neu festgeschraubten Handyhalterung losfahren, sind wir doch guter Dinge und es macht uns glücklich endlich wieder on the road zu sein. Vor uns stehen zwar 2.300km eine einsame Straße hoch in den Norden, aber wir haben endlich wieder ein Ziel vor den Augen, sind in Bewegung und dem Stillstand und der Warterei entkommen. Zumindest für eine Zeit. Am ersten Abend fahren wir einfach noch 300km Richtung Norden und schaffen es fast bis auf Höhe Edmonton. Das Gute ist, dass die Tage momentan immer länger werden und es so länger hell ist, anstatt wie damals im Oktober als es immer schneller dunkler wurde und es ab 19-20 Uhr oft schon richtig dunkel war. Am nächsten Tag legen wir wieder einige Kilometer (über 600) zurück durch ödes Farmland Albertas über Grand Pairie und Dawson Creek. Diese Stadt, in der der Alaska Highway beginnt, wird auch für längere Zeit die größte Stadt sein, die wir sehen werden. Wir gehen schön Essen in einem Pub mit Burger und Bier und vielen Menschen mit Cowboyhut und -stiefeln. Also so richtig, wie man sich das amerikanische Farmleben klischeemäßig vorstellt. Die nächsten ungelogen 1000km wird es keine Stadt mehr geben. Es sind zwar Orte auf der Karte eingezeichnet, aber diese Orte oder Dörfer, nein eigentlich kann man dies nicht mal Dorf nennen, bestehen aus einem Motel mit Café und Tankstelle und vielleicht noch so 2-3 Häusern und ansonsten ist dort nichts. Viele Motels, die wir auf dem Weg sehen, sind auch mittlerweile geschlossen, wir vermuten, dass dies mit Corona zusammenhängen könnte. Je weiter wir Richtung Norden kommen, desto schöner wird die Landschaft. Wir fahren auf, sich an Seen und Flüssen entlang schlängelnde, Straßen zwischen Bergen und Wäldern und haben das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Wären wir in Calgary geblieben oder nach Montreal gefahren, hätten wir diese schöne Landschaft nicht mit Mausi erlebt. Auch ein paar Wildlife-Sichtungen dürfen wir hier noch machen: Wir sehen mehrere Schwarzbären, einen Elch, der sich zum Fressen direkt am Straßenrand niederkniet, für einen kurzen Moment eine Elch-Mutter mit ihren zwei kleinen Elch-Babies und eine große Herde wilder Büffel mit kleinen Baby-Büffeln. Die Strecke hoch in den Yukon ist wohl die einsamste Straße, die wir bisher in Kanada gefahren sind. Wir übernachten mitten in der Natur an einem Fluss zwischen den Bergen und genießen die Ruhe und die Wildnis. Kurz bevor wir den Yukon erreichen, machen wir noch einen Stopp bei den Liard Hot Springs und das sind wohl die bisher schönsten Hot Springs, die wir besucht haben. Diese sind nämlich komplett naturbelassen und nur über einen kleinen Steg zu Fuß in 10 Minuten erreichbar. Nach der langen Fahrerei machen wir hier eine längere Pause, bleiben eine Nacht auf dem Campingplatz und baden zweimal in den Hot Springs, die wirklich verdammt heiß sind. Dies ist bestimmt im Winter auch noch mal eine ganz besondere Erfahrung. Wenn’s möglich wäre, würde ich gerne später direkt neben einer heißen Quelle wohnen, die ich ganz für mich alleine habe 😀 Von den Hot Springs aus machen wir uns auf die letzte Etappe über Watson Lake und dem Sign Post Forest zur Ziegenfarm bei Whitehorse. Der Sign Post Forest besteht aus super vielen Schildern aus der ganzen Welt, der damals entstanden ist als ein US-Soldat aus Heimweh einen Wegweiser bzw. ein Schild aus seinem Heimatort dort aufgestellt hat. Wir machen einen kleinen Spaziergang durch den Schilder-Wald und finden auch sehr viele gelbe Ortsschilder und Kennzeichen aus Deutschland, irgendwie eine witzige Idee. Jede Person kann hier selbst ein Schild aufhängen, wir haben leider keines dabei. Am Montagabend, den 17. Juni, kommen wir nach viereinhalb Tagen Fahrt auf der Ziegenfarm im Yukon an. Mausi hat die Strecke ohne Probleme gemeistert und wir sind erleichtert, dass wir es bis hierher geschafft haben. Jetzt muss es nur noch gut mit dem Verkauf klappen.

Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen Ziegenscheiße und Babyziegen

Hier auf der Farm ist irgendwie alles ganz anders als im März. Natürlich sieht alles auch ganz anders aus und wir sehen erst jetzt so einiges auf dem großen Grundstück, was der Schnee vor drei Monaten noch verborgen hat. Alle Ziegen sind viel aktiver, nutzen ihre ganze Auslauffläche und lieben es, wenn wir sie raus auf die Wiese lassen, um zu grasen. Die andere Jahreszeit bringt definitiv auch mehr Arbeit und andere Arbeit mit sich. Haben wir uns im März vor allem um die Heu- und Wasserversorgung der Tiere kümmert, geht es jetzt auch viel um neue Ställe, Gehege und Zäune bauen oder alte reparieren und verbessern. Daher haben Karen und Chance im Sommer auch wesentlich mehr Workawayer auf der Farm, da es einfach mehr zu tun gibt und aber auch mehr Unterbringungsmöglichkeiten. Kurz bevor wir ankommen, waren sogar insgesamt 13 Workawayer da, viele von ihnen mit ihren eigenen Wohnmobilen, die aber mittlerweile alle abgereist sind. Ein paar Tage vor uns ist Leah angereist, sie ist 20 Jahre alt, kommt aus Saskatchewan, hat die letzten Jahre aber in Calgary gelebt und hat vor den ganzen Sommer also bis Ende August auf der Farm zu bleiben. Am nächsten Tag reist das französische Pärchen Gwen und Xavier an. Sie sind Mitte 20, haben das letzte Jahr in Québec verbracht, sind auf der Suche nach einem eigenen Auto und wollen auch bis Ende August bleiben. Na solange werden wir wohl nicht bleiben, oder doch?

 

Die gute Hoffnung mit der wir in den Yukon hochgefahren sind, um Mausi hier schnell zu verkaufen, wird nämlich leider kurz nach Ankunft zu nichte gemacht. Alle fünf Interessenten, die uns bereits in Calgary geschrieben haben, sagen nacheinander ohne sich den Van anzuschauen, ab und es kommen leider auch keine neuen Anfragen rein. Wir beginnen uns zu fragen, ob es vielleicht doch eine dumme Idee war, hier hochzufahren. Denn wenn es im Yukon nichts wird, gibt es nicht so schnell die Möglichkeit einfach in eine andere Stadt zu fahren, diese ist dann wieder 2000-3000km entfernt. Wir haben also keine andere Möglichkeit, als erneut auf Anfragen zu warten und uns in Geduld zu üben. Dafür haben wir aber auf der Farm wenigstens gut zu tun und ganz viel Ablenkung. Vielleicht manchmal sogar zu viel. Zu dem Zeitpunkt, wo wir auf die Farm kommen, sind einige der Ziegen leider krank. Wahrscheinlich durch verunreinigtes Wasser oder Essen haben sie sich Kokzidien zugezogen und leiden an Durchfall, Dehydrierung und Erschöpfung. So kommt es nach ein paar Tagen leider auch zu einem Todesfall. Vormittags beim Saubermachen der Ställe findet Malte zwei Ziegen namens Aurora und Tree auf dem Boden, die sich nicht bewegen wollen. Normalerweise stehen die Ziegen sofort auf und sind sogar eher schreckhaft, wenn wir in das Gehege kommen. Doch die beiden wollen, auch als Malte versucht, sie zum Aufstehen zu überzeugen, sich einfach nicht bewegen. Keine 24 Stunden später ist Aurora tot. Für Karen und Chance und auch für uns anderen ist dies sehr traurig und wir wissen nicht wirklich wie wir den Tieren helfen können. Sie hatten zwar beide Medikamente bekommen, dies hat aber leider nur Tree geholfen, die sich nach ein paar Tagen wieder aufrappelt. Zwei weitere Ziegen sterben in den nächsten Wochen. Bei Elsa sitzen wir bei ihren letzten Atemzügen neben ihr, streicheln sie und versuchen ihr gut zu zureden. Dies ist wirklich ein krasses und emotionales Erlebnis. Batman ist noch ein Baby, was erst mehrere Wochen alt ist und auf einmal sehr schwach ist. Abwechselnd übernehmen wir die Nachtschicht, erst Leah, danach schläft Batman eine Nacht bei uns mit im Van in einer Box. Diese übersteht er. Wir fahren den nächsten Tag mit Karen’s Tochter Megan, ihrem Freund Aron und ihrer kleinen Tochter Aislyn campen. Nur 20 Minuten von der Farm entfernt, übernachten wir eine Nacht auf dem Campingplatz bei Marsh Lake, spielen lustige Spiele mit weiteren Freunden von Megan und Aron und machen eine Bootstour. Es ist sehr cool, den See bzw. die Marsh in der Nähe von der Farm mal vom Wasser aus zu sehen und wir haben eine echt tolle Zeit. Als wir von unserem Ausflug wiederkommen, gibt es leider eine schlechte Nachricht: Batman hat es nicht geschafft. Bei der Obduktion, die Karen vornimmt und wir dabei sein können, sehen wir das sein Magen ungefähr so groß ist wie sein ganzer Körper, sein Darm aber so gut wie leer. Anscheinend konnte er sein Fressen nicht mehr verdauen, hat trotzdem weiter gegessen, bis nichts mehr ging. Poor little guy. Durch die kranken Ziegen dauern die täglichen Chores viel länger, da wir jeden Tag versuchen die Ställe und Gehege sehr gut zu reinigen, die ganze Scheiße aufharken und auf den infizierten Misthaufen bringen. Da ist es sehr gut, dass wir mehr Leute sind. Ansonsten ist es aber auch oft anstrengend, mit so vielen Leuten, weil immer jemand in der Küche ist, zum Beispiel morgens, wenn man noch nicht richtig wach ist und man sich direkt socialisen muss. Mittlerweile sind wir eine echt große Gruppe: Zusätzlich zu Leah, Gwen und Xavier sind nun auch Max, 20 Jahre alt, aus Mexiko City, und Nico, 28 Jahre, aus Belgien, für jeweils einen Monat und zwei Wochen hier auf der Farm. Ein weiteres französisches Pärchen, das schon einmal auf der Farm für ein paar Wochen gearbeitet hat, kommt zurück von ihrem Alaska-Trip und bleibt  ebenfalls für ein paar Tage. Eine Woche lang sind Karen’s Schwester Heather und ihr Vater aus dem Okanagan Valley zu Besuch, damit Heather Karen mit den Steuern für die Farm helfen kann. Die beiden sind wirklich super lieb und wir haben tolle Gespräche mit ihnen. Da wir unseren Van bisher immer noch nicht verkauft haben und auch keine weiteren Anfragen haben, posten sie unsere Anzeige in Gruppen auf Facebook im Okanagan und leiten die Anzeige an eventuell interessierte Freunde und Bekannte weiter. Wir haben die Anzeige mittlerweile auch in Alaska online gestellt, sie in weiteren Gruppen gepostet und Karen hat sie auch noch einmal gepostet. Und dann bekommen wir endlich eine Anfrage. Wir verabreden uns mit dem Interessenten in der Stadt und freuen uns auf die erste Besichtigung. Aber es wäre ja nicht Mausi, wenn es jetzt keine Probleme geben würde. Als wir los zur Besichtigung fahren wollen, springt der Van auf einmal nicht mehr an. Malte hatte den Tag vorher den Motorraum sauber gemacht und den Lenkstockschalter auseinander gebaut und geputzt – wir überlegen, ob dabei vielleicht ein Kabel kaputt gegangen ist. Chance gibt uns mit seiner Batterie Starthilfe und Mausi springt an. Also fahren wir los in die Stadt und hoffen, dass die Batterie sich auf der 30 Minuten Fahrt wieder genug aufgeladen hat. Auf dem Parkplatz, auf dem wir uns treffen wollen, geht der Van jedoch leider einfach aus und springt nicht mehr an. Diese Besichtigung findet also ohne eine Probefahrt statt. Ohne das kann Mausi natürlich nicht wirklich überzeugen. Mit Starthilfe von unserem Freund Mika, mit dem wir zusammen auf dem Weihnachtsmarkt gearbeitet haben und der mittlerweile einen Sommerjob bei einer Wohnmobilvermietung in Whitehorse angenommen hat, schaffen wir es wieder zurück zur Farm. Am Ende stellt sich heraus, dass das Problem glücklicherweise mit einer neuen Batterie gelöst werden kann. Der Interessent springt aber trotzdem ab. Also sind wir wieder am Anfang.

 

Den Van zu verkaufen ist gefühlt genauso schlimm, wenn nicht schlimmer als die Suche und der Kauf des Vans ein Jahr zuvor. An manchen Tagen haben wir das Gefühl, dass wir komplett die falsche Entscheidung getroffen haben nach Whitehorse zu fahren und fühlen uns unheimlich hilflos. Wir haben das Auto wirklich überall inseriert, sind mehrmals mit dem Preis runter gegangen und wissen einfach nicht mehr, was wir noch tun sollen. Dazu kommt, dass es auf der Farm mit den vielen Menschen manchmal sehr viel ist und wir das Gefühl haben so etwas wie „gefangen“ auf der Farm zu sein, da wir bis wir Mausi verkauft haben nicht einfach gehen können bzw. es mit viel Aufwand und Kosten verbunden wäre. Natürlich lieben wir die Farm, die Tiere und auch die Menschen dort, aber an manchen Tagen, gerade wenn man nicht so gut drauf ist, wird es einfach zu viel. Karen schlägt irgendwann vor, dass wir den Van mit einem großen Verkaufsschild an den Cutoff nach Carcross, direkt auf einem Parkplatz am Highway abstellen sollen, damit ihn besonders viele Menschen sehen. Und das bringt tatsächlich neue Interessenten. Die meisten davon rufen zwar nur an und sind nach weiteren Info’s nicht mehr interessiert, aber es sorgt bei uns auf jeden Fall wieder für Hoffnung. Wir ziehen daraufhin aus dem Van aus und in den Linienbus, der auf der Farm steht und den Karen mal bei einer Auktion günstig ersteigert hat. Die vorherigen Workawayer haben dort ein paar Sitze abgeschraubt und es befindet sich ein großes bequemes Bett darin. Der Van steht also nun immer so 3-4 Tage lang am Cutoff, zwischendurch holen wir ihn wieder ab, machen eine kleine Pause und stellen ihn wieder dort ab. Und dann haben wir endlich zwei gute Probefahrten mit zwei interessierten Frauen. Am Ende machen uns beide ein Angebot, was zwar unter dem Anzeigenpreis liegt, aber eins davon entspricht unserem Minium, was wir gerne für den Van haben wollen. Wir sagen also zu und dann geht auf einmal alles ganz schnell. Heather, die neue Besitzerin, hat zwar erst etwas Probleme mit ihrer Versicherung, weil der Van so alt ist, aber am Ende klappt alles und wir übergeben den Van in ihre Hände. Heather ist Fotografin, wohnt in der Nähe von Whitehorse in einem kleinen süßen Holzhaus mit ihrem tauben Kater und vielen bunten Blumen und Schildern. Mausi ist ein Geschenk, was sie sich selbst zum Renteneintritt macht. Wir haben ein gutes Gefühl ihr Mausi zu verkaufen und hoffen, dass sie noch viele schöne Trips mit ihr im Yukon machen kann. Als wir Mausi Heather übergeben, hatten wir auf ein sehr befreiendes und glückliches Gefühl nach dem ganzen Hustle mit dem Verkauf gewartet, aber tatsächlich sind wir auch sehr traurig, unser Kanada-zu-Hause und die Freiheit, die Mausi uns ermöglicht hat, aufzugeben. Nach ein paar Tagen auf der Farm merken wir aber doch, dass wir um einiges gelöster sind. Auf einmal haben wir ganz viele Ideen, was wir alles gerne noch im Yukon sehen würden, nur natürlich schwierig ohne fahrbaren Untersatz.

Familienleben auf der Farm

Ohne den Verkaufsstress kommen wir auch auf einmal mehr auf der Farm an und können die Zeit dort einfach nur noch genießen. Wir verstehen uns sehr gut mit Leah, Max und Maël, ein weiterer Workawayer, 19 Jahre, aus Frankreich, für einen Monat auf der Farm, um Englisch zu lernen. Zu fünft machen wir einen Ausflug zum Kluane National Park, gehen wandern und verbringen einen wirklich tollen Tag zusammen. Es kommt uns vor, als wären die drei unsere Kinder und wir machen einen Familienausflug. Denn manchmal sind die drei zusammen ganz schön chaotisch, laut und kommen auf dumme Ideen. Dabei kommen wir uns dann wie die strengen Eltern vor, die sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen. Wir merken die mehr als 12 Jahre Altersunterschied und fühlen uns öfter mal alt. Aber wir haben auch super viel Spaß zusammen, führen gute Gespräche und lachen viel. Wir fühlen uns also auch sehr spontan und abenteuerlustig mit ihnen zusammen. Am Ende machen wir uns alle einen Spaß daraus, dass wir sie Kinder und sie uns Mum und Dad nennen. Bei unserem Ausflug begegnen wir das erste Mal einem Bären ziemlich nah bei einer Wanderung. Da er sich aufstellt und uns direkt anschaut aus 20 Meter Entfernung, beschließen wir umzudrehen. Es sah zwar so aus, als wenn er nur neugierig geschaut hat, was wir machen, aber wir wollen es nicht riskieren. Bei dieser Wanderung am Kathleen Lake stellen wir durch Zufall anhand eines Schildes fest, dass wir uns hier am Kluane National Park am westlichsten Punkt Kanadas befinden. Da wir auf Neufundland bereits am östlichsten Punkt Kanadas waren, können wir nun wirklich sagen, dass wir das Land von Ost nach West einmal durchquert haben. Was eine Reise!

Ich könnte jetzt noch sehr viel mehr über die Zeit auf der Farm schreiben, aber damit würde ich noch zehn weitere Seiten füllen, daher versuche ich mich kurz zu fassen. Wir erleben einen sehr schönen Sommer dort oben mit schwimmen, Jetski fahren, Lagerfeuer und BBQ, Nordlichtern Anfang August und ganz viel Kuscheln mit allen Tieren. Später kommt auch noch eine spanische Familie, die zwei Wochen Workaway auf der Farm macht und mit denen wir eine tolle Zeit haben. Zwischendurch helfen wir auch noch Hans und Susi, Freunde von Karen und Chance, mit ihren Hunden für ein paar Tage. Beide sind professionelle Hundeschlittenführer auch Musher genannt. Hans hat schon mehrere Male ein der vorderen Plätze beim Iditarod belegt, das längste Hundeschlittenrennen der Welt und eins der härtesten. Mittlerweile fährt Hans keine Rennen mehr, er baut aber noch Rennschlitten. Wir stellen fest, dass der Rennschlitten, auf dem wir in Inuvik gefahren sind, von Hans gebaut wurde. Insgesamt haben die beiden ca. 45 eigene Hunde und so um die 10-20 boarding dogs, also Hunde von anderen, um die sich ein paar Tage oder Wochen kümmern. Als die beiden mal für ein paar Tage weg wollen, bleiben wir bei ihnen auf ihrem riesigen Grundstück (160 acres = 65 Hektar) und kümmern uns um die 60 Hunde. Das ist mal eine schöne Auszeit für uns beide, da wir nur zu zweit mit ganz vielen Hunden da sind.

Ein Highlight, was ich noch erwähnen möchte, ist die Geburt bzw. mehrere Geburten von weiteren Ziegenbabys. Es ist das erste Mal für uns beide, dass wir eine Geburt erleben und es hat etwas Magisches zu sehen, wie ein Lebewesen das Licht der Welt erblickt. Auch wenn wir mit der Zeit doch etwas abstumpfen und nicht mehr so schnell wie beim ersten Alarm zum Stall rennen in voller Vorfreude, sondern uns eher gemütlich auf den Weg machen. Insgesamt sind es später 15 weitere Ziegen plus ein Baby, was leider ein paar Tage nach der Geburt von seinen Geschwistern erdrückt wird. Aber alle anderen wachsen und gedeihen ganz wunderbar. Und es ist krass mitzuerleben, wie schnell die Babys wachsen, aktiver werden und neue Sachen dazulernen. Kurz bevor wir abreisen, sind die Ältesten schon richtig neugierig und fangen an, auf uns raufzuspringen und auf uns rumzuturnen.

Zu viele Optionen

Jetzt wo wir Mausi verkauft haben, es ist auch an der Zeit zu überlegen, wo wir als nächstes hinreisen. Wir setzen uns einen Tag zusammen, um einen Flug zu buchen und zu schauen, wohin es geht. Bei unserer Recherche merken wir, dass wir zum ersten Mal seit unserer Reise komplett keinen Plan haben und uns alle Optionen offen stehen. Wenn wir wollten, könnten wir jetzt auch einfach nach Indien fliegen. Unsere Ideen variieren von Flug nach Mexiko City gemeinsam mit Max Rückflug, noch ein Workaway in Alaska, Flug direkt nach Kolumbien, wir bleiben noch bis November auf der Farm und machen nochmal einen Weihnachtsmarkt in Vancouver bis zu wir fahren mit dem Zug nach San Francisco und schauen uns vielleicht doch nochmal ein paar Orte in den USA an. Da wir uns irgendwie alle Optionen vorstellen können, fällt es uns unheimlich schwer eine Entscheidung zu treffen. Da wir aber auch gerade keine treffen müssen, weil wir keinen Zeitdruck oder anderen Druck haben, genießen wir es, einfach mal nur so zu sein und nichts zu entscheiden. Auch ein schönes Gefühl. Irgendwann wollen wir uns aber doch entscheiden und dann wird uns die Entscheidung doch auch irgendwie abgenommen. Malte hat seinem Vater nämlich von der Idee mit der Zugreise nach San Francisco erzählt und ein paar Tage später bekommt Malte einen Anruf, bei dem seine Eltern fragen, ob wir nicht Lust haben uns mit ihnen in San Francisco zu treffen. Da stimmen wir doch direkt zu.

Wir verbringen noch eine sehr schöne Zeit auf der Farm, verabschieden erst Max, die spanische Familie, dann Leah, Maël und Gwen und Xavier und am Ende sind wir doch die letzten die gehen. Uns selbst fällt der Abschied von Karen und Chance und allen Tieren sehr schwer, vor allem weil wir nicht wissen, wann wir sie das nächste Mal sehen. Für mich ist die Frage nach dem ob keine, denn ich bin mir sicher, wir kommen zurück in den Yukon, allein schon, um die ganzen Babyziegen in groß zu sehen und weil wir gerne auch noch einmal eine Tour durch Alaska machen möchten. Am 18. August fliegen wir von Whitehorse nach Vancouver und es fühlt sich an wie nach Hause kommen. Wir wissen genau wo wir hin müssen, welchen Bus wir nehmen und haben schon eine Fahrkarte, die wir nur wieder aktivieren. In Vancouver verbringen wir noch zwei schöne, entspannte Wochen bei Susanne in West Vancouver. So haben wir die Zeit, um uns um ein paar organisatorische Sachen zu kümmern, wie Konto schließen und Handyvertrag kündigen. In der Zwischenzeit kuscheln und spazieren wir noch ganz viel mit den beiden süßen Dachshunden Ottilie und Patsy und so ist die Vermissung nach den Ziegen und Hunden nicht ganz so groß. Am Dienstag, den 3. September werden wir dann mit dem Bus von Vancouver aus nach Seattle fahren und dort in einen Zug nach San Francisco steigen, mit dem wir morgens am 4. September ankommen. Am gleichen Tag kommen auch Malte’s Eltern an und wir haben für ein paar Nächte ein Airbnb in San Francisco gebucht. Ab dem 9. September bis zum 2. Oktober haben Malte’s Eltern ein Wohnmobil gemietet, um damit in Kalifornien umherzufahren und wir dürfen netterweise mitfahren. Danach fliegen Malte’s Eltern wieder nach Hause und für uns geht es wohl weiter Richtung Süden, also Richtung Mexiko. Was, wie, wo wissen wir aber noch nicht. Wir haben Lust das einfach auf uns zukommen zu lassen und mal schauen, wo es uns hintreibt.

Es fühlt sich eigenartig an, Kanada zu verlassen. Fast so, als würden wir ein zweites Mal auf Weltreise starten und müssten erneut Abschied von allem nehmen. Das Jahr bzw. die 14 Monate hier waren ein echtes Abenteuer und wir haben unheimlich viel erlebt, beeindruckende Landschaften gesehen, wundervolle Menschen getroffen und einiges über uns und wie wir später mal leben möchten, gelernt. Auch wenn es nicht immer einfach war und uns das Jahr auch einiges an Geld gekostet hat, so möchten wir nichts missen und bereuen keine Entscheidung, die wir getroffen haben. Am Ende hat alles, was passiert ist, Sinn gemacht. Nun freuen wir uns auf ein neues Abenteuer, auf neue Kulturen, andere Länder, anderes Essen und vor allem auf weiterhin warmes Wetter. Wir sind gespannt, wie es sein wird, nun mal richtig mit einem Rucksack auf reisen zu sein und wo wir überall landen werden. 

A una nueva aventura!

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